Mee(h)r im Stall: Bessere Luft fürs Tier und seine Betreuer
Noch bis Mitte 2025 läuft das Projekt „Mee(h)r im Stall“, in dem Wissenschaftler der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) den Effekt von ionisierter Luft im Masthühnerstall auf die Gesundheit der Tiere sowie der Tierbetreuer untersuchen.
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In dem Format „Kurz und Knackig“ des Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachsen (trafo:agrar) war am 20. April 2023 die Raumdesinfektion im Nutztierstall das Thema. Dr. Jochen Schulz von der TiHo Hannover sprach zu Beginn der Veranstaltung über den hohen Grad der Verunreinigung von Luft in Nutztierställen.
Atemwegserkrankungen sind multifaktoriell
Obwohl Atemwegserkrankungen multifaktorielle Ursachen haben, auch tiefgehende wie die Alveolitis, die kleinste Strukturen in der Lunge betrifft, ist die belastete Stallluft erheblich an diesen Erkrankungen beteiligt – sowohl bei den gehaltenen Nutztieren, als auch bei den im Stall arbeitenden Tierbetreuern.
Hinzu kommt laut Schulz, dass die emittierten Stoffe und Mikroorganismen die Umwelt belasten, Anwohner belästigen und auch benachbarte Tierhaltungen erreichen könnten. Zur Veranschaulichung: „Die Konzentrationen der schädlichen Gase in der Stallluft liegen im Vergleich mit Frischluft um ein 100- bis 1.000-faches höher“, erklärt der Doktor der Biologie.
Maßnahmen zur Vermeidung
Zur Vermeidung können bauliche, managementbasierte und technische Maßnahmen angewandt werden. Zu letzteren gehören u.a. Sprühverfahren, bei denen Öl-Wasser-Gemische zur Bindung von Stäuben beitragen. Bei einem Versuch in Schweinebetrieben konnten mit dieser Methode luftgetragene Keime in der Stallluft um 47%, Streptokokken sogar um 59% reduziert werden. „Entscheidend hierbei ist das Sprühintervall ebenso wie die Zusammensetzung des Gemischs“, betonte Schulz.
Er berichtete außerdem von der Verneblung von Desinfektionsmittel im laufenden Mastdurchgang, „was aber nicht empfohlen werden kann. Zwar erreichte man damit eine kurzzeitige, deutliche Keimreduktion. Allerdings duckten die Tiere sich regelrecht weg vor dem Sprühnebel und hatten sichtbar gereizte Schleimhäute.“ Als die wichtigsten Fragestellungen, die bei der Entwicklung einer Raumdesinfektion zu berücksichtigen sind, zählte Schulz folgende auf:
- Verbessert sich die Tiergesundheit?
- Ist es wirtschaftlich tragfähig?
- Kann dadurch der Antibiotikaeinsatz verringert werden?
Das Fazit des Dozenten war klar: „Es gilt, die Konzentration der Luftverunreinigung im Tierbereich zu senken! Deshalb muss ich auch auf Tierhöhe messen und eine Technik entwickeln, die diesen Teil der Stallluft erreicht.“
Klimasystem verbindet zwei wirkungsvolle Systeme
Im Projekt „Mee(h)r im Stall“ kommt ein integratives Klimasystem zum Einsatz, das zwei bereits in anderen Wirtschaftskontexten (z.B. Schlachtung, Lebensmittelverarbeitung, Getränke- und Pharmaindustrie, Krankhaus) wirkungsvoll eingesetzte technische Systeme durch eine „intelligente“ Schalt- und Steuerungstechnik verbindet und damit bedarfsorientiert die vier großen Herausforderungen für Geflügelhalter adressiert und gleichzeitig auch die Arbeitsbedingungen für Arbeitende im Stall in den Fokus nimmt: Die Senkung
- von Temperaturspitzen im Zuge des Klimawandels im Nutztierstall,
- von Ammoniakgehalten in der Stallluft,
- von Feinstaubgehalten im Stallraum und
- des Erregerdrucks.
Zum einen wird auf ein Wasserstoffperoxid (H2O2)-Vernebelungssystem zurückgegriffen. Die H2O2-Vernebelung wird das bislang vorwiegend zu Desinfektionszwecken eingesetzt. Um gleichzeitig die Luftqualität für Tier und Mensch im Stall zu optimieren, wird zudem ein Ionisationsverfahren genutzt.
Geladene Ionen binden Mikropartikel in der Luft
Das Funktionsprinzip ist denkbar einfach: durch die sogenannte bipolare Ionisation werden negative und positive Ionen erzeugt. Diese Ionen wandeln den Sauerstoff in reaktive Sauerstoffspezies (ROS) wie Superoxide, Peroxide und Hydroxyle um. Diese elektrisch geladenen Ionen haben die Eigenschaft, sich an Mikropartikel in der Luft zu binden und reinigen somit die Luft von Stäuben und schädlichen Substanzen wie Schimmelpilzen, Viren, Bakterien und Allergenen. Unabhängig von den vorgenannten Prozessen hat man subjektiv das Gefühl, eine Meeresbrise im Stall wahrzunehmen.
Getestet wird auf zwei Praxisbetrieben
Das Projekt „Mee(h)r im Stall“ wird gefördert von der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP) und durchgeführt von der TiHo Hannover. Auf zwei Praxisbetrieben mit Hähnchenmast wird die Wasserstoffperoxid- (H2O2) Sprühlösung in Intervallen von zwei, vier und acht Stunden in den Versuchsställen ausgebracht. So werden Konzentrationen zwischen 0,25 – 0,5 ppm H2O2 in der Stallluft erreicht. Die dafür eingesetzte Hochdruckvernebelungstechnik stammt von der Fa. Zentri-Jet. Ionisiert wird mit zwei Geräten, wobei in den ersten Lebenstagen die erwärmte Stall- und später die Frischluft außerhalb des Stalles angesaugt werden kann. Als Leitkeim im Versuch wird das Auftreten von Campylobacter jejuni in Sammelkotproben gemessen, berichtete Doktorandin Daniela Wunderl, die das Projekt vorstellte.
Zweimalige Probennahme pro Mastdurchgang
Proben werden immer zwischen dem fünften und achten Lebenstag (LT) sowie zwischen dem 23. und 28. LT genommen. Bei der ersten Probennahme wird außerdem das Stallklima gemessen; beim zweiten Mal wird zusätzlich eine Messung der Luftkeime und Einstreufeuchte, eine Untersuchung auf den Leitkeim und die Sektion von 10 Tieren pro Stall vorgenommen. „Weitere wichtige Informationen erhalten wir über die Schlachtdaten, die der Schlachthof ausgibt, sowie über einen Fragebogen an den Betriebsleiter und eine eventuelle Feinstaubmessung“, erläutert Wunderl die Vorgehensweise. Sie ergänzte: „Unsere beiden Praxisbetriebe wirtschaften konventionell. Voraussetzung war für uns, dass wir pro Betrieb einen Versuchs- sowie einen Kontrollstall zur Verfügung haben, die baugleich sind.“
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