Back to the roots
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Wir fahren mit dem Geländewagen in den Wald, weiter durch eine Senke und schon öffnet sich die Landschaft. Wir halten auf der Lichtung. Kaum haben wir das Auto verlassen, laufen die ersten Puten neugierig auf uns zu. Sollten sie nicht eigentlich hinter dem Zaun stehen? „Diese Bande“, seufzt Daniel Willnat, einer der Geschäftsführer des Domgut Dehmen. „Wir probieren gerade eine andere Rasse, Artisan Black, für unser Weihnachtsgeschäft aus“, erklärt er mir. Die neuen Tiere sind leichter und agiler. Die Folge ist, sie können besser fliegen und überwinden Hindernisse mit Leichtigkeit.
Die Zäune und die Waldputen gehören zum Domgut Dehmen. Genauso wie der bei Schwerin gelegene Biohof Zieslübbe ist das Domgut ein Produktionsstandort für die Freiland Puten Fahrenzhausen GmbH. Das eigentliche Kerngeschäft der Freiland Puten Fahrenzhausen GmbH ist die Schlachtung und Verarbeitung von Biogeflügel. Das Unternehmen wurde 1997 von Dr. Martin Bohn, Paul Kelly und Henk Coolen vor den Toren von München gegründet. Um den Kreislauf zu schließen und die Warenströme besser abzusichern, engagieren sich die Fahrenzhausener seit einigen Jahren verstärkt in der Erzeugung von Biogeflügel.
Expansion in Richtung Nordost
Die ursprüngliche Idee, Puten im Wald zu halten, ist schon viel älter als die Gründung des Domguts Dehmen 2013. Sie wurde bereits 1997 von Dr. Martin Bohn entwickelt. Damals standen die Tiere auf einer blanken Wiese mit Bäumen und einer Strohburg. Viele seiner Berufskollegen waren von den exotischen Einfällen nicht besonders angetan und so musste ergeht – anfangs einigen Spott ernten. Doch der Erfolg gab ihm schlussendlich recht, mittlerweile ist das Waldputen-Konzept auf über 46 eigene Betriebe und Erzeugerkooperationen ausgeweitet worden. Was der Schlüssel zum Erfolg war? Der lag in der Wahl der Rasse. Bereits vor 25 Jahren setzten die Fahrenzhausener die extensive und robuste Kelly Bronze-Pute ein.
Ende der 90er-Jahre stieg die Nachfrage nach Geflügel stark an, was sich zum einen aus dem aufkommenden Bioboom und zum anderen durch die BSE-Krise erklärte. Da die Biogeflügelhaltung sehr flächenintensiv ist, expandierte das Unternehmen nach der Jahrtausendwende insbesondere in den Nordosten der Bundesrepublik. „Wenn eine Pute zehn Quadratmeter Fläche benötigt“, rechnet mir der engagierte Putenhalter vor, „benötigt man für tausend Tiere schnell einen Hektar Auslauf.“ Diese Flächen seien bis heute in Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern einfacher zu finden, als in Bayern oder gar Niedersachsen.
Kein Wunder also, dass sich das operative Geschäft schnell in die neuen Bundesländer verlagerte. Mit der „Mecklenburger Landpute“ in Severin wurde ein Schlacht- und Zerlege-Betrieb gefunden, der den Ansprüchen der Bioerzeugung entsprach. Die Tiere, die im Norden aufwachsen, werden hier geschlachtet, zerlegt, weiterverarbeitet, verpackt und dann direkt an verschiedene Biomärkte geliefert. Für den südlichen Raum arbeitet das Unternehmen mit dort ansässigen Schlachthöfen zusammen. Seit 2004 vermarkten die Fahrenzhausener auch Biohähnchen, denn die Nachfrage wuchs hier ebenfalls schnell an. Dies war der eigentliche Zeitpunkt, so Willnat, an dem das Unternehmen entschied, verstärkt in die Erzeugung einzusteigen.
Haltung ganz nah am Ideal
Mit acht Wochen betreten die Puten das erste Mal die Waldweide. Allerdings trifft der Begriff Waldweide nicht ganz zu. Aufgrund der Forstgesetzgebung in Deutschland sind Wald und Weide in aller Regel nicht ohne Weiteres kombinierbar. In den Bundesländern bestehen unterschiedliche gesetzliche Regelungen – sie reichen vom grundsätzlichen Weideverbot bis zum Erfordernis privatrechtlicher, teilweise in jedem Fall forstbehördlicher Genehmigungspflicht. In Dehmen haben die Tiere den Wald direkt an der Weide, sodass Schatten und Beschäftigungsmaterial ebenso vorhanden sind. „Was das Tierwohl betrifft“, erörtert Willnat, „sind wir ganz nah an einer idealen Haltungsform.“
Haltung ganz nah am Ideal Mit acht Wochen betreten die Puten das erste Mal die Waldweide. Allerdings trifft der Begriff Waldweide nicht ganz zu. Aufgrund der Forstgesetzgebung in Deutschland sind Wald und Weide in aller Regel nicht ohne Weiteres kombinierbar. In den Bundesländern bestehen unterschiedliche gesetzliche Regelungen – sie reichen vom grundsätzlichen Weideverbot bis zum Erfordernis privatrechtlicher, teilweise in jedem Fall forstbehördlicher Genehmigungspflicht. In Dehmen haben die Tiere den Wald direkt an der Weide, sodass Schatten und Beschäftigungsmaterial ebenso vorhanden sind. „Was das Tierwohl betrifft“, erörtert Willnat, „sind wir ganz nah an einer idealen Haltungsform.“
Daher müsse das Beste aus beiden Welten zusammengebracht werden, so der findige Geschäftsführer. Bei Ludwigslust werde gerade ein neuer Stall eröffnet, der sehr offen konzipiert sei. Die Seitenwände können dabei nahezu komplett aufgefahren werden und somit die Vorteile der Stallhaltung und der Auslaufhaltung vereint werden. Diese Kombination vergleicht Willnat mit der Rinderoffenstallhaltung, bei der die Tiere immer die Möglichkeit besitzen, ins Freie zu gehen.
Integration „auf Bio“
Angefangen hatte es mit der Kelly BronzePute, doch hier reichten die Stückzahlen bald nicht mehr, sodass auch Aviagen- und Hendrix-Genetiken eingesetzt werden, berichtet Willnat. Auf den Wiesen in Dehmen laufen derzeit die Cartier Bronze (Standardrasse, schwarz), neu die Artisan Black (die Flugmeister) und rote Tiere der Rasse Rouge des Ardennes. Die Küken schlüpfen in Brütereien in Deutschland, den Niederlanden und Österreich und werden von dort aus auf die Betriebe verteilt. Die Haltung der Tiere erfolgt nach den Richtlinien des Verbandes Biokreis und ist, wie in der Geflügelbranche üblich, voll integriert. Küken, Jungtiere, Futter und Schlachttermine werden von den Fahrenzhausenern für die Betriebe getaktet. Dazu müsse man die teilnehmenden Betriebe gar nicht zwingen, so Willnat, diese schätzen die abgenommene Organisation sehr.
Herausforderung Eiweiß
Die firmeneigene Futtermühle in der Nähe von Leipzig verarbeitet das Getreide der angeschlossenen Erzeuger, sodass der für Biobetriebe geforderte Eigenanteil Futter abgedeckt ist. Schwierig wird es bei den Eiweißrohstoffen, hier müsse teures Biosoja eingekauft werden, da synthetische Aminosäuren im Biolandbau nicht eingesetzt werden dürfen.
Hoffnung setzt Willnat in die wieder erlaubte Verfütterung von tierischen Nebenprodukten, wobei sich die Bereitstellung für den „kleinen“ Biosektor nicht einfach gestaltet. Der Bedarf nach tierischem Eiweiß sei bei Geflügel, egal ob bio oder konventionell, immer da, erklärt Willnat. Lebende Insekten würden bei den Tieren sehr gut funktionieren, Insektenmehl sei jedoch weniger attraktiv und preislich gegenüber Soja nicht interessant.
Getrenntes Aufwachsen
An verschiedenen Standorten in Deutschland werden die Jungputen aufzogen und von dort auf die Mastbetriebe verteilt. Zum Umzug ins Freiland sind sie acht Wochen, für die Mast im Biostall sechs Woche alt. Die Küken werden in der Regel gesext geliefert, sodass die Aufzucht und Mast getrennt geschlechtlich erfolgt. Der Grund liege dabei in der vorgeschriebenen maximalen Besatzdichte von 21 kg Lebendgewicht auf 1 m2 , die besser in getrennten Partien zu kontrollieren sei.
Alle Betriebe bekommen zu gleichen Teilen männliche und weibliche Tiere. Die Hähne werden teilweise bis 23 Woche alt, die Hennen gehen in der Regel mit 18 Wochen in die Schlachtung und machen Platz für die schwereren Hähne. Im Freiland laufen die Partien nacheinander und werden je Durchgang gewechselt.
Plan B bereithalten
Was aber passiert mit den Waldputen, wenn ein Aufstallungsgebot (Geflügelpest) droht? „Das wurde im vergangenen Winter akut“, führt Willnat aus. „Wir haben unsere Maschinenhallen geräumt und für die Tiere eingestreut.“ Da den Tieren viel Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten durch Raumstrukturierung und Strohballen gegeben wurde, kam es auch nicht zu unerwünschtem Verhalten. Federpicken oder gar Kannibalismus sind trotz eines unkupierten Schnabels kein Thema auf dem Domgut. „Ich glaube fest daran, haben die Tiere genügend Platz, fangen sie auch nicht an zu picken, und können sich gegenseitig ausweichen“, schildert Willnat überzeugt.
Die Tiergesundheit kann sich bei den Waldputen ebenfalls sehen lassen. So gibt es neben den Behandlungen gegen Parasiten keine Antibiotikagaben. „Das wäre auch schwierig, denn die Dosierung funktioniert mit einfachen Tränken nicht“, erklärt Willnat. Ruhig laufen wir mit der Herde zum Auto zurück und die „schwarzen Perlen“ des Domguts kollern leise ihre Zustimmung.
Domgut Dehmen GmbH
Das Domgut wurde 2013 als Familienunternehmen gegründet. Es liegt im westlichen Mecklenburg-Vorpommern bei Glasewitz. Neben den Geschäftsführern Daniel Willnat und Dr. Martin Bohn arbeiten hier acht Landwirte in Festanstellung, zwei Aushilfen und zwei Auszubildende. Mitglied im Verband Biokreis.
- Ackerbau (446 ha gesamt): 80 ha Kleegras, 55 ha Sommerhafer, 30 ha Wintergerste, 20 ha Winterroggen, 17 ha Sommergerste, 15 ha Mais, 20 ha Luzernegras, 8 ha Blühflächen, 7 ha Winterdinkel, 194 ha Weiden.
- Tierbestände: 28 800 Hähnchen, 2 200 Waldlandputen, 30 Legehennen, 80 Mutterkühe mit Nachzucht, 90 Schweine, 8 Schafe
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