Spannende Einblicke in direktvermarktende Betriebe
Vom 23. bis 25. Mai 2023 fand in Moers die Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Fachberater für Geflügelhaltung statt. Der Exkursionstag stand ganz unter dem Motto Direktvermarktung.
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Für direktvermarktende landwirtschaftliche Betriebe fallen Handelsstufen weg. Deshalb kann der Landwirt eine höhere Gewinnspanne für seine Erzeugnisse erzielen und unabhängiger von bestehenden Marktstrukturen wirtschaften. Außerdem bietet die Direktvermarktung auch kleinen Betrieben die Möglichkeit neue Absatzwege zu erschließen und Kunden zu gewinnen. Im Rahmen des Exkursionstages wurden verschiedene Betriebe besucht, die entweder selbst eine Direktvermarktung betreiben oder im vor und nachgelagerten Bereich beschäftigt sind.
Kundenbindung durch Produkte aus der Region
Der erste Stopp wurde auf dem Betrieb der Familie Unterhansberg eingelegt. Der Betrieb besteht seit 1848 und liegt in Mülheim an der Ruhe. Aktuell wird er in sechster Generation geführt und vermarktet seine Produkte im eigenen Hofladen „Buchholzhof“. Vor 15 Jahren wurde ein Hofladen mit 400m² Verkaufsfläche erbaut. Attraktivität und Kundenbindung soll durch Angebote und Regionalität der Produkte hochgehalten werden. 95 % der Produkte, die im Hofladen zukaufen sind, sind regional erzeugt.
Der Betrieb gliedert sich in mehrere Betriebszweige. Neben 85 Plätzen für Pensionspferden, werden Obst- und Gemüsebau auf über 15 ha betrieben. Die Legehennenhaltung mit 9.000 Plätzen in Bodenhaltung wurde 2021 um 1.800 Mobilstallplätze ergänzt. Schwerpunkt des Besuchs war die Legehennenhaltung. Die Eier der insgesamt 10.800 Legehennen werden auf dem Betrieb sortiert, verpackt und über den Hofladen vermarktet. Die Herstellung von Eiprodukten ist ausgelagert. Auch bei den jährlich stattfindenden Kürbiswochen sind die Hühner eine Attraktion bei Groß und Klein. Vor allem der Futterspende-Automat wird an diesen Tagen sehr genutzt.
Gänsepeter – Familienbetrieb mit eigener Schlachterei
Nach einer Stunde Fahrt mit dem Bus wurde der Betrieb Gänsepeter in Rommerskirchen erreicht. Nach einer kurzen Stärkung mit auf dem Betrieb selbst hergestellten Produkten aus Gans und Hähnchen fand eine spannende und ausführliche Betriebsführung durch die hofeigene Schlachterei und die Gänsemastställe statt.
Der Betrieb Gänsepeter ist ein in zweiter Generation bestehender Familienbetrieb. Auf dem Betrieb werden eigene Erzeugnisse rund ums Geflügel in Direktvermarktung über einen Hofladen verkauft. Neben handgenähten Federbetten oder regionalen Produkten, können zu Festtagen ganze Gänse und Enten erworben werden. Der Betrieb kauft Gänse und Enten als Eintagsküken zu und mästet diese. Ziel ist es den Aufwuchs (Weizen, Ackerbohne, Maissilage), der auf den betriebseigenen Flächen erzeugt wird, über die Gänse zu veredeln.
Puten und Hühner werden schlachtreif zugekauft. Seit 2021 findet der Schlachtbetrieb im neuen Schlacht- und Verarbeitungshaus statt. In dem modern eingerichteten Gebäude können pro Stunde 400 Masthähnchen oder 70 Gänse, nach EU-Vorgaben geschlachtet und zerlegt werden. In 2021 wurden insgesamt 8.000 Gänse im Betrieb geschlachtet. Außerdem können in den Verarbeitungsräumen eine Vielzahl an Geflügelfleischprodukten hergestellt und verpackt werden. Die bratfertige Gans kann für etwa 19,90 Euro/kg im Hofladen erworben werden.
Eierschachteln für alle
Der letzte Exkursionsstopp führte auf das Betriebsgelände der Firma eierschachteln.de in Ruppichterloth. 2008 wurde das Unternehmen durch Meik Klose, mit der Idee Eierschachteln an private Hühnerhalter zu verkaufen gegründet. In den Folgejahren wurde das Projekt mit seinem Geschäftspartner Daniel Debus weiter ausgebaut. Heute finden sich auf rund 4000m² Lagerfläche etwa 2.000 Artikel im Bereich Eierverpackung und Geflügelbedarf. Pro Tag gehen 350 bis 450 Bestellungen ein und 800 bis 1.000 Pakete verlassen das Lager.
Hauptsächlich kaufen Kunden aus Deutschland und Österreich, seltener werden Kunden im EU-Ausland beliefert. Die Zielgruppe besteht zu 50 % aus Hobbyhaltern und zu 50 % aus Direktvermarktern. Neben der Besichtigung der Lagerhalle und ihrem Inhalt, stellte der Firmengründer seine Idee und das aktuelle Geschäft in einem Vortrag vor. Abgerundet wurde der Tag durch ein anschließendes Beisammensein, mit fachlichem Austausch und bei bester Verpflegung.
Der dritte und letzte Veranstaltungstag beschäftigte sich mit aktuellen Themen in der Geflügelhaltung. Neben zwei Projekten zu mehr Tierwohl in der Putenhaltung, berichtete Joachim Holz von der aktuellen Situation auf dem Bio-Junghennenmarkt. Abschließend referierten Ludger Prüllage, Viola Holik und Robert Pottgüter zu verschiedenen Möglichkeiten im Umgang mit steigenden Temperaturen in der Geflügelhaltung.
Herausforderung: Haltung von Puten mit intakten Schnäbeln
Den Auftakt machte Pia Niewind von der Landwirtschaftskammer NRW, sie berichtet zum aktuell noch in der Praxisphase befindlichen MuD Tierschutz Projekt #Pute@Praxis. Das Projekt beschäftigt sich mit der Haltung von Puten mit intakten Schnäbeln. Ziel ist es durch den kombinierten Einsatz von tierwohlfördernder Maßnahmen Einfluss auf das Pickverhalten von Puten zu nehmen.
Als bisherige Zwischenbilanz werden der erheblich höhere Arbeitseinsatz und der Betreuungs- und Separationsaufwand genannt. Darüber hinaus kann der Tierverlust doppelt so hoch sein, wie bei Tieren mit gekürztem Schnabel. Die Zahl, zum Teil schwer verletzter Tiere, ist hoch. Daneben ist vom Landwirt ein schnelles situationsabhängiges Reagieren, sowie ein hohes Maß an aufmerksamer und gewissenhafter Tierbetreuung gefordert. Neben der Einrichtung eines Separationsabteils, ist die Möglichkeit der Stallabdunklung unerlässlich. Die im Projekt erfassten Daten befinden sich aktuell in der Auswertung. Ende des Projektzeitraums ist der 31. Dezember 2023. Erste Ergebnisse können sie auch in der DGS 4/2023 nachlesen.
Verschiedene Lichtkonzepte für den Putenstall
Danach folgte der Vortrag von Dr. Jutta Berk von der TiHo Hannover. Sie stellte das kürzlich abgeschlossene MuD Tierschutz Projekt „PuLi – Strukturierung durch Licht – eine Maßnahme zum Tierschutz in der Putenhaltung“ vor. Der natürliche Lebensraum der Truthühner, der Wildform der domestizierten Pute, sind Wälder mit dichtem Unterholz und Buschwerk, hier herrschen für die Tiere optimale Lichtverhältnisse. Wie müssen die Lichtintensität, das Lichtspektrum und die Lichtdauer im Stall von Puten sein, damit die Tiere sich optimal zurechtfinden?
Mit dieser Frage hat sich das Projekt PuLi beschäftigt. In drei Praxisbetrieben wurde der Stall mittels unterschiedlicher Lichtkonzepte in einen Ruhe- und einen Aktivitätsbereich unterteilt. Die Tierbewegungen im Stall wurden mit Kameras, die an der Stalldecke befestigt waren und mit Transpondern am Tier erfasst. Als Fazit des Projektes wird zum einen die generelle Umsetzbarkeit des Konzepts genannt, jedoch bedarf dieses einer Weiterentwicklung. Weiter Erkenntnisse sind, dass der Ruhebereich vor allem zum Ruhen, aber auch als Rückzugsmöglichkeit genutzt wird. Außerdem konnte festgestellt werden, dass die Puten sich aktiv über den gesamten Stallbereich bewegen.
Nach dem Vortragsblock zu aktuellen Projekten in der Putenhaltung, lag der Schwerpunkt der letzten drei Vorträge auf der Legehenne. Den Einstieg machte Joachim Holz von der GF Lohmann Süd. Er berichtete zu den aktuellen Entwicklungen am Junghennenmarkt. Für ihn ist die Aufzucht von Bruderhähnen im Biobereich in den nächsten Jahren gesetzt. Außerdem gibt ihm das Vermarktungskonzept 5 x D Hoffnung darauf, dass der Legehennenmarkt in Deutschland konkurrenzfähig bleibt.
Sprühkühlung schafft Abkühlung an heißen Tagen
Nachdem in den letzten Jahren vor allem die Themen Tierschutz und Tierwohl im Blickpunkt standen, rücken nun auch vermehrt der Klima- und Umweltschutz wieder in den Fokus. Die Landwirtschaft ist unmittelbar mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert und es müssen sinnvolle Maßnahmen für eine erfolgreiche Anpassung an die sich ändernden Bedingungen gefunden werden. Wie ist während extremen Witterungen mit den Tieren umzugehen?
In der Vergangenheit haben extreme Hitzeperioden immer wieder zu hohen Temperaturen in den Ställen geführt. Als eine Möglichkeit zur Reduzierung der Temperaturen im Stall stellte Ludger Prüllage, von der Firma Prüllage Systeme GmbH aus Holdorf die Sprühkühlung vor. Bei der Sprühkühlung wird das Wasser über die Anlage mit 70 bar, über im Stall installierte Düsen, vernebelt. Durch die Verdunstung des Wassers wird der Luft ihre Energie entzogen und abgekühlt (Verdunstungskälte).
Das A und O bei der Nutzung einer Sprühkühlung ist die Qualität des Wassers, nur so kann das Verstopfen oder „Dichtwachsen“ der Anlage vermieden werden. Der Kühleffekt der Sprühkühlung wird durch die maximale relative Luftfeuchte begrenzt. Liegt die Luftfeuchtigkeit bereits etwa bei 75% kann kein kühlender Effekt mit der Sprühkühlung erzielt werden, da die Luft bereits eine große Menge Wasserdampf enthält und kein weiteres Wasser aufnehmen kann. Nebeneffekt einer Sprühkühlung ist außerdem die Staubbindung im Stall, welche sich positiv auf die Atemwegsgesundheit der Tiere auswirken kann.
Wie füttern bei Hitzestress?
Im letzten Vortragsblock berichten Viola Holik von der Firma Lohmann Breeders GmbH und Robert Pottgüter von Maßnahmen zur Reduzierung von Hitze im Geflügelstall und zur Reduzierung von Hitzestress durch ein angepasstes Fütterungsregime.
Durch den Vortrag von Viola Holik wurde den Tagungsteilnehmern auch ein Blick über den Tellerrand geboten. Sie stellte ihre Erfahrungen und Herausforderungen auf dem afrikanischen Markt vor. Ihre Kunden können durch bauliche Anpassungen, wie der Nutzung eines hell gestrichenen Stalldaches, der Ost-West-Ausrichtung des Stalls, einem Dachüberstand oder der Pflanzung von schattenspendenden Bäumen im stallnahen Bereich deutliche Verbesserungen des Stallklimas erreichen. Außerdem empfiehlt die Expertin die Isolation der Wassertanks, um den Tieren kühles Tränkwasser anbieten zu können. Bei der Fütterung rät sie ihren Kunden eine Blockfütterung, etwa ein Drittel des Futters sollen die Tiere bereits am frühen Morgen aufgenommen haben, das Leerfressen des Troges soll den Appetit der Tiere erhalten.
Hühner können sich an hohe Temperaturen gewöhnen, problematisch sind die schnellen Wechsel zwischen hoher und niedriger Enthalpie. Robert Pottgüter empfiehlt den Einsatz von einem Energie-/Nährstoffreichen Futtermittel in den Sommermonaten und einem weniger konzentrierten Futter in den Wintermonaten. Außerdem empfiehlt er im Sommer eine maximale Lagerung des Futters von vier Wochen, danach sei die Qualität des Futters nicht mehr gewährleistet. Als wichtigste Punkte im Umgang mit zunehmenden Hitzegeschehen in Deutschland sieht Robert Pottgüter angepasste Futtermittel (mit verringertem Proteinanteil und erhöhtem Fettanteil), angepasst Fütterungszeiten, die Nutzung von Wasserzusätzen (Vitamin C) und das Angebot von stets kühlem Tränkwasser.
Wie in jedem Jahr bot die Geflügelfachberatertagung neben der fachlichen Weiterbildung, dem Erfahrungsaustausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Praxis, auch die Möglichkeit sich mit Berufskollegen aus den unterschiedlichen Bundesländern zu vernetzen. Vor allem für jungen Berufskollegen bietet diese Verzahnung eine gute Möglichkeit, um in der Branche Fuß zu fassen. Die jährlich stattfindende Tagung verbindet alle Punkte miteinander.
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