
Koalition beschließt ihre ersten beiden Agrargesetze
Der Bundestag hat die Änderung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes und des GAP-Direktzahlungen-Gesetzes beschlossen. CDU/CSU und SPD wollen die Tierhaltungskennzeichnung praktikabel machen und ausdehnen. Opposition und Verbände äußern sich kritisch.
von AgE Quelle AgE erschienen am 27.06.2025Gut sieben Wochen nach ihrem Start hat die schwarz-rote Koalition ihre ersten beiden Agrargesetze durchs Ziel gebracht. Mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD hat der Bundestag am Donnerstagabend (26.6.) das Erste Gesetz zur Änderung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes und das Erste Gesetz zur Änderung des GAP-Direktzahlungen-Gesetzes beschlossen. Mit der Anpassung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes wird die Frist für die Umsetzung der Kennzeichnung von frischem Schweinefleisch vom 1. August 2025 auf den 1. März 2026 verschoben. In einer Entschließung nennen die Koalitionsfraktionen Einzelheiten zur notwendigen Überarbeitung des Gesetzes und legen ihre Pläne zur Ausweitung der Kennzeichnung dar, die bis zur Mitte der Legislaturperiode abgeschlossen sein soll.
Das zweite Gesetz regelt die Umsetzung der Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP). Die noch von der Ampel beschlossene Einführung von zwei neuen Öko-Regelungen für Weidehaltung in Milchbetrieben sowie für die Förderung von Biotopverbunden zugunsten der Artenvielfalt wird um ein Jahr auf den 1. Januar 2027 verschoben.
Klare Kennzeichnung wichtig für Erzeuger und Verbraucher
„Wir starten jetzt mit dem Bürokratierückbau für die Land- und Ernährungswirtschaft“, erklärte der agrarpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Steiniger. Zum einen öffne die Koalition ein Zeitfenster für eine praxistaugliche Überarbeitung des staatlichen Tierhaltungskennzeichens, um wichtige Themen wie das Downgrading und einen einheitlichen Vollzug anzugehen. Zum anderen könnten mit der Verschiebung des Inkrafttretens der zwei neuen Öko-Regelungen erfolgreiche Programme in den Ländern zunächst weiterlaufen. Für die agrarpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Franziska Kersten, und den zuständigen Berichterstatter Jens Behrens ist eine verlässliche und klare Tierhaltungskennzeichnung die Basis dafür, „dass Verbraucherinnen und Verbraucher bewusst auswählen und sich für mehr Tierwohl entscheiden können.“ Mit den Beschlüssen mache die Koalition noch einmal deutlich, dass die Kennzeichnung komme und weiterentwickelt werde. „Alle Tierhalterinnen und Tierhalter wissen, dass sie sich mit ihren Haltungsformen entsprechend einordnen werden – zukünftig auch für weitere Nutztierarten“, stellen Kersten und Behrens fest. Die Gastronomie werde sich ebenfalls schon darauf einstellen können, dass die Kennzeichnung niedrigschwellig und unbürokratisch auch diesen Bereich umfassen wird.
„Eine staatliche Tierhaltungskennzeichnung kann das Vertrauen von Verbraucherinnen und Verbrauchern stärken, wenn sie ehrlich die Lebensrealität der genutzten Tiere abbildet“, erklärte die agrarpolitische Sprecherin der Linken, Ina Latendorf, Sie kritisierte, dass die Koalition die Erweiterung um andere Tierarten, den gesamten Lebenszyklus und die Außerhausverpflegung auf die Mitte der Legislaturperiode hinauszögere. Das erinnere an die „verfehlte Ankündigungspolitik der Ampel.“ „Wirkliches Vertrauen in die Tierhaltung schaffen keine unkonkreten Ankündigungen, sondern die Minimierung von Gesetzesverstößen. Das heißt: schärfere Kontrollen, Videoüberwachung, abschreckende Strafen und ein bundesweites Verbandsklagerecht“, so die frisch gewählte Erste Parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion.
Mit Unverständnis reagierte der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) auf die Verschiebung der verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung. „Verbraucherinnen und Verbraucher sollen wissen können, wie ein Tier gehalten wurde. Die verpflichtende Kennzeichnung ist dafür das richtige Instrument“, betonte der geschäftsführende Vorstand des BÖLW, Peter Röhrig. Bäuerinnen und Bauern, Lebensmittelverbeiter und der Handel hätten sich bereits darauf eingestellt, dass die Kennzeichnung schnell kommt. Sie brauchten verlässliche Vorgaben, um in den Umbau der Tierhaltung investieren zu können.?
Von Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer erwartet der BÖLW, dass er bei der Überarbeitung des Gesetzes sinnlose Bürokratielasten für Bio-Betriebe ausschließt. So dürfe keine zweite Betriebsdateneingabe für Bio-Höfe erforderlich sein, um die Stufe 5 der Kennzeichnung für eine Bio-Tierhaltung verwenden zu dürfen. Aktuell wird eine doppelte Dateneingabe verlangt, obwohl die Biozertifikate der Höfe tagesaktuell online verfügbar seien. Positiv sei die von der Koalition geplante Ausweitung der Kennzeichnung über die gesamte Lebensphase der Tiere, auf weitere Tierarten wie Rinder und Geflügel sowie auf den Bereich der Außer-Haus-Versorgung.
Fatales Signal für Planungssicherheit
Die Sprecherin für Landwirtschaftspolitik der Grünen, Dr. Ophelia Nick, kritisierte die beschlossene Änderung des GAP-Direktzahlungen-Gesetzes: „Wer seine Kühe auf der Weide hält oder in seinem Betrieb Biotopflächen für mehr Artenvielfalt bereitstellt, der bekommt von der neuen Bundesregierung dafür: nichts.“ Nach der Verschiebung der neuen Öko-Regelungen für Weidehaltung und Biotopverbünde lege die Bundesregierung keine Alternativen vor, wie sie die ungenutzten Gelder anderweitig für mehr Tierschutz und Artenvielfalt einsetzen wolle. „Von neuen Anreizen und einer angemessenen Honorierung der Mehrleistungen der Landwirtinnen und Landwirte keine Spur“, so die ehemalige Parlamentarische Staatssekretärin zur Antwort der Bundesregierung auf ihre schriftliche Frage. Alles solle so bleiben wie es war. Dies sei „Stillstand statt Zukunft“.
Der Generalsekretär vom Deutschen Naturschutzring (DNR), Florian Schöne, sieht in den beiden Gesetzen „ein fatales Signal für die Planungssicherheit der landwirtschaftlichen Betriebe, die bereits Verantwortung für Natur-, Klima- und Tierschutz übernehmen.“ Die Verschiebung der beiden Öko-Regelungen ist für Schöne ein Indiz, „dass unter dem Deckmantel von ‚Bürokratieabbau‘ und ‚Wettbewerbsfähigkeit‘ aktuell wichtige Umweltgesetzgebungen untergraben oder verschleppt zu werden drohen“. Anstatt überfällige und bereits beschlossene Maßnahmen zu verschleppen und Umweltregelungen auszubremsen, müsse die Bundesregierung jetzt ins Handeln kommen und den „Betriebszweig Biodiversität“ in der Landwirtschaft zu einer attraktiven Einkommensquelle ausbauen.