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MuD-Projekt

Mobile Geflügelschlachtung: Ohne Stress zur Schlachtbank

Das Thema mobile Geflügelschlachtung ist bereits in aller Munde. Doch bringt das Schlachten vor Ort den Hühnern wirklich mehr Tierwohl?

Veröffentlicht am
Thorsten Beimborn betreibt seit 2021 die erste mobile Schlachterei in Nordrhein-Westfalen.
Thorsten Beimborn betreibt seit 2021 die erste mobile Schlachterei in Nordrhein-Westfalen.Thorsten Beimborn
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Agrarwissenschaftler der Fachhochschule Südwestfalen (Soest) wollen jetzt den gesamten Ablauf vom Einfangen im Stall bis zur Schlachtung begleiten und suchen weitere interessierte Geflügelbetriebe. Zwei Praktiker – ein Landwirt und ein Schlachter – berichten von ihren ersten Erfahrungen mit der mobilen Geflügelschlachtung.

Sebastian Gockel, Landwirt aus Soest, hält insgesamt 2.400 Legehennen in drei Mobilställen, die er mitsamt Legehennen im Sommer 2022 übernommen hat. Er hat letzten Oktober 240 Hennen von Thorsten Beimborn, Betreiber eines Geflügelschlachtmobils, schlachten lassen und die Suppenhühner anschließend als Tiefkühlware direkt an seine Endkunden vermarktet. Beide unterstützen das Projekt und teilen uns hier ihre Erfahrungen mit.

Sebastian Gockel ist Legehennenhalter aus Soest. © Privat

Warum haben Sie sich für die mobile Schlachtung entschieden?

Mir war es wichtig, die Tiere möglichst stressfrei zu schlachten. Der Wegfall des Transportes trägt dazu bei. Ich wollte diese neue Möglichkeit der Schlachtung nutzen und ausprobieren. Zudem entfällt die Vorhaltung eines Transportmittels. Ich habe weiterhin die Möglichkeit, auf die Wünsche der Verbraucher einzugehen und kann auch flexible Stückzahlen schlachten lassen und gegebenenfalls auf Vorbestellungen genau reagiert (Planungssicherheit). Hygienemaßnahmen zur Vorbeugung von Krankheitsverschleppungen können eingehalten werden, da sich keine Fahrzeuge auf Schlachthöfen befinden.

Was waren Ihre Erwartungen und wurden diese erfüllt?

Ich habe eine stressfreie Schlachtung und einen sauberen Schlachtkörper erwartet. Beides ist zur vollsten Zufriedenheit erfüllt worden. Auf Hygiene wurde ebenfalls genau geachtet. 

Welche Kosten fallen bei der mobilen Schlachtung und ggf. Vermarktung an?

Die Kosten variieren nach Stückzahlen der geschlachteten Tiere: Bei mir waren es ca. 4 Euro netto je Tier. Mit Kühlung, Verpackung und eigener Arbeit, ist man schnell bei ca. 5  Euro je Legehenne. Das sind sehr hohe Kosten, da Suppenhühner beim Discounter oft für weit unter 3 Euro je kg angeboten werden. 

Worauf muss bei der Lagerung der Schlachtkörper direkt nach der Schlachtung geachtet werden? 

Um die Schlachtkörper möglichst schnell auf unter 4 °C zu kühlen, ist ein Kühlhaus mit Umluft am besten. Dadurch trocknen die Schlachtkörper gut ab. Natürlich müssen auch die Vorschriften der Lebensmittelkontrolle sowie Hygienevorschriften eingehalten werden.

Gibt es einen Punkt, den Sie unterschätzt haben?

Nein, nicht direkt. Für die Schlachtung sollten mindestens zwei Personen eingeplant werden: eine für die zu schlachtenden Tiere, die andere für die Schlachtkörper.

Wie war die Resonanz der Kunden?

Die Resonanz war durchweg sehr positiv. Eigentlich waren alle Verbraucher gerne bereit, den Mehrpreis für die mobile Schlachtung zu bezahlen. Einige Kunden berichteten mir von einer sehr zarten und guten Fleischqualität und dass dies der richtige Weg der Schlachtung sei.

Würden Sie noch mal mobil schlachten lassen?

Ja, werde ich machen! Aber mit mehr Werbung im Voraus und gezielter auf Vorbestellungen setzen.


Thorsten Beimborn ist seit Februar 2021 mit seinem Schlachtmobil für Geflügel in Nordrhein-Westfalen unterwegs. Bei seinen Kunden handelt es sich hauptsächlich um Freiland- und Mobilstallbetreiber, die er in einem Umkreis von 150 km anfährt. Geschlachtet werden: Masthähnchen, Legehennen, Puten, Gänse und Enten.

Thorsten Beimborn ist Betreiber eines Schlachtmobils für Geflügel. © Privat

Bei Ihrem Schlachtmobil handelt es sich um einen registrierten Geflügelschlachtbetrieb. Können Sie die rechtlichen Aspekte etwas näher erläutern?

Man unterscheidet einen registrierten und einen EU-zugelassenen Geflügelschlachtbetrieb. Der wichtigste Unterschied: Bei der EU-zugelassenen Schlachtung sind die Anwesenheit eines Veterinärs während der Schlachtung und eine Schlachtkörper-beschau vorgeschrieben, was von den Veterinärbehörden in Rechnung gestellt wird. Dieser Punkt macht die EU-zugelassene Schlachtung in einem Schlachtmobil aktuell finanziell uninteressant. Die registrierte Schlachtung läuft im Grunde als „Hausschlachtung“. Der Geflügelbesitzer mietet von uns das Schlachtmobil und kauft parallel unsere Dienstleistung als Schlachter ein. Man muss sich mit seinem Schlachtmobil leider fest für eine Variante entscheiden: Entweder registriert oder EU-zugelassen. Ich kann nicht mit einem EU-zugelassenen Schlachtmobil an einigen Tagen registriert und an den anderen Tagen EU-zugelassen schlachten.

Worum muss sich der Landwirt kümmern? Was muss vor Ort auf dem Betrieb vorhanden sein? 

Der Landwirt muss die Tiere direkt ans Schlachtmobil bringen und die Schlachtkörper zügig abnehmen, die Schlachtabfälle und Federn entsorgen und einen Trinkwasser- und Stromanschluss bereitstellen. Entsprechende Kabel und einen lebensmittel-echten Schlauch bringen wir mit. Das Schlachtmobil inklusive Zugfahrzeug muss auf einer ebenen, befestigten und sauberen Fläche stehen.

Gibt es eventuell Schwierigkeiten beim mobilen Schlachten?

In den letzten Monaten hat sich ein Punkt als starkes Hindernis herausgestellt: Viele Legehennenhalter möchten einen Teil ihrer Suppenhühner durch externe Dienstleister zu Hühnersuppe, Frikassee o. Ä. weiterverarbeiten lassen. Jede Weiterverarbeitung setzt aktuell eine Schlachtung mit EU-Zulassung voraus. Ein weiterer Punkt ist fehlendes Personal. Wir suchen aktuell Mitarbeiter als Aushilfe/in Teilzeit, auch eine Teilhaberschaft/Partnerschaft ist möglich.

Wie ist das Tierwohl zu bewerten? 

Die mobile Schlachtung ist ganz klar eine deutliche Verbesserung des Tierwohls. In den meisten Fällen stehen wir unmittelbar neben dem Stall, weniger Tiertransport geht nicht. Damit verbunden ist ein behutsames, kontrolliertes und transparentes Handling der Tiere – und dies ist auch ganz klar eine Steigerung der Schlachtkörper- und Fleischqualität durch eine deutliche Reduzierung von Brüchen, Hämatomen und Einblutungen. Insbesondere bei Masthühnern und Puten, die im Nachgang zerlegt werden, berichten unsere Kunden sehr positiv von einer spürbaren Verbesserung der Fleischqualität – bedingt durch weniger Stress im Zuge des Schlachtablaufes und eine deutliche Reduzierung verworfener Teile. 

Der Geflügelbesitzer mietet das Schlachtmobil und kauft parallel die Schlachterdienstleistung ein. © Sandra Kronenberg

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Geflügelbetriebe gesucht – machen Sie mit!

Für das MuD-Projekt (Modell- und Demonstrationsvorhaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung) sucht die Fachhochschule Südwestfalen weitere Betreiber mobiler Geflügelschlachtstätten. Sie bringen Ihre Expertise ein und wir begleiten ausgewählte Schlachttermine, um dabei Daten in anonymisierter Form zu erheben. Wir bieten Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch und Vernetzung mit Berufskollegen und Landwirten. Gemeinsam erarbeiten wir Empfehlungen für die mobile Geflügelschlachtung.

Gesucht werden ebenso Landwirte, die ihr Geflügel bereits mobil schlachten lassen oder sich dies zukünftig vorstellen können, und bereit sind, uns ihre Erfahrungen und Anforderungen mitzuteilen.Interessierte Schlachtmobilbetreiber sowie Landwirte können sich über die FH-Homepage melden oder sich direkt an das Team der Fachhochschule unter der Mail-Adresse: MobileGeflügelschlachtung@fh-swf.de wenden.

Die Förderung erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages, Projektträger ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).


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