Stallbau und Klimaschutz: Geht das zusammen?
Vorgaben zu Stallbau und Klimaschutz werden immer komplexer. Einen Überblick über aktuelle Herausforderungen gab die 16. Informationsveranstaltung des IBE Ingenieurbüros Dr.-Ing. Wilfried Eckhof GmbH.
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Landwirtschaft sei nicht das Problem, sondern Teil der Lösung in Sachen Klimaschutz. Das sagte Steffen Pingen vom Deutschen Bauernverband e.V. Mit seinem Vortrag gab er den Auftakt zur 16. Informationsveranstaltung „Umweltverträglich Wirtschaften“ am 27. April 2023 in Berlin-Schönefeld.Verkannt werde oft, so begründete er, dass durch landwirtschaftliche Tätigkeiten auch Treibhausemissionen vermieden werden. Mit Nutzung erneuerbarer Energien, nachwachsender Rohstoffe und Biogasanlagen ließen sich immerhin gut 79 Mio. t CO2-Äquivalent einsparen. Das gleiche sich mit den durch die Landwirtschaft verursachten Treibhausemissionen annähernd aus, sagte der Leiter des Fachbereichs für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit weiter.
Die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel sei zentrales Thema. „Die Landwirtschaft musste sich schon immer an wechselnde Klimabedingungen anpassen“, betonte Pingen. Die Frage sei jetzt nur, ob sie das Tempo mithalten kann, mit dem der Klimawandel voranschreitet.
Rückgang von Emissionen aufgrund Abbau der Tierhaltung
Ein Herunterfahren der Produktion sei aber nicht die Lösung. „Wenn Deutschland weniger produziert, wird es in anderen Ländern umso mehr getan“, stellte Steffen Pingen klar und verwies darauf, dass Landwirtschaft in anderen Ländern nicht mit der gleichen hohen Klimaeffizienz wie in Deutschland bzw. in der EU betrieben wird.
So habe der Rückgang der Treibhausemissionen in Deutschland nicht in erster Linie etwas mit Klimaeffizienz zu tun, sondern sei eher auf den Abbau der Tierhaltung zurückzuführen, erklärte Pingen. Das sei aber nicht die Form der Reduktion von Treibhausgasen wie sie sich der Bauernverband vorstellt. Die Politik müsse hinsichtlich ihrer immer strenger werdenden Vorgaben die Folgen, die das mit sich bringt, im Blick haben, und die Verlagerungseffekte in ihre Überlegungen einbeziehen. Eine Verdrängung der Produktion oder gar eine Stilllegung seien nicht verantwortbar, mahnte Pingen.
„Die Landwirtschaft musste sich schon immer an wechselndes Klima anpassen.“
Steffen Pingen
Ein wichtiger Baustein für die angestrebte Transformation der Landwirtschaft ist eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren. Diese seien inzwischen aber so komplex und langwierig, dass sie Deutschland als Standort für landwirtschaftliche Betriebe bzw. für Investitionsentscheidungen unattraktiv machen, erklärte Dr. Peter Kersandt im Anschluss an den Vortrag von Prof. Dr. Thomas Herzfeld zum Thema „Kann die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) die Erwartungen erfüllen?“
Deshalb habe sich die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag u.a. zum Ziel gesetzt, die Dauer von Genehmigungsverfahren zu halbieren, führte der Fachanwalt für Verwaltungsrecht weiter aus. Doch Maßnahmen wie jetzt im neuen Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und in der Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV) wären gar nicht notwendig, konstatierte er.
Behörden müssen gesetzliche Fristen einhalten
Genehmigungsverfahren könnten bereits aufgrund der bestehenden Verfahrensregelungen beschleunigt werden. Dazu hätten die Genehmigungsbehörden lediglich davon Gebrauch machen müssen. Damit meinte Kersandt, dass die Behörden nur die gesetzlichen Fristen konsequent einhalten und in jeder Phase des Verfahrens ihre gesetzliche Beratungs- und Koordinierungsfunktion wahrnehmen müssten. Aber auch derjenige, der einen Stallneu- oder Umbau plant, könne zur Beschleunigung beitragen, indem er alle Antragsunterlagen vollständig und prüffähig bei der Genehmigungsbehörde einreicht.
Allerdings, so betonte der Fachanwalt, müsse der Antragsteller dabei auf frühzeitige Abstimmung mit den Behörden und die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Vollständigkeitsprüfung vertrauen können. Die neuesten Gesetzesnovellen seien Schritte in die richtige Richtung, sagte Peter Kersandt. Jedoch seien weiterführende Beschleunigungsinstrumente, insbesondere für das Genehmigungsverfahren und das verwaltungsgerichtliche Verfahren notwendig. Insbesondere, wenn die Gerichte weiter so langsam arbeiten, führe all die gute Vorarbeit ins Leere, sagte er abschließend.
Welche wirtschaftlichen Folgen die aktuellen umweltrechtlichen Vorgaben nach sich ziehen, beleuchtete Dr. Florian Matter vom Moorgut Kartzfehn anhand der Putenhaltungsanlage Alt Zauche. Er stellte die Frage, ob die Minderung von Ammoniak wirklich jeden Aufwand wert ist. Ihm vorangegangen waren Vorträge zu Stallbauvarianten für mehr Tierwohl, Maßnahmen zur Emissionsminderung in der Schweinehaltung, aktuellen Emissionswerten aus dem Projekt EmiDaT und Geruchsuntersuchungen in Schweine- und Geflügelställen.
Umweltschutz absurd: Abluftreinigung
Anschaulich beschrieb Matter Bau und Betrieb der Abluftreinigungsanlage auf dem Betrieb in Alt Zauche, den das Moorgut Kartzfehn gepachtet hat. Dazu gab er vorab einen kurzen Einblick in die Historie des Spreewälder Standorts. Hier hatte der Eigentümer in der Vergangenheit den Antrag auf Genehmigung einer Putenmastanlage gestellt, die dann auch erteilt wurde. Jedoch erforderten die standortspezifischen, naturschutzbedingten Gegebenheiten den Bau einer Abluftreinigungsanlage zur Minderung von Ammoniakemissionen (NH3).
Kurz darauf gab es Gespräche zur Pacht des Standorts, da das Moorgut Kartzfehn als größter, unabhängiger Putenvermehrer in Europa Bedarf hatte, die Elterntierhaltung weiter auszubauen, berichtete Matter. Dazu musste die Genehmigung auf die Elterntierhaltung ausgeweitet werden. Diese konnte mittels Anzeige einer unwesentlichen Änderung erwirkt werden. Leider, so bedauerte Matter, sei nicht geprüft worden, ob die Variante der Elterntierhaltung auch ohne die Errichtung einer Abluftreinigungsanlage genehmigungsfähig gewesen wäre. So müssen, laut Genehmigungsbescheid, bis heute pro Jahr am Standort im Spreewald 70 % der Ammoniakemissionen reduziert werden.
Hohe Kosten, wenig Nutzen für die Umwelt?
Insgesamt sechs Abluftreinigungsanlagen mussten schlussendlich auf dem Gelände in Alt Zauche errichtet werden. Allein für den Bau habe Kartzfehn eine siebenstellige Summe investiert. Doch damit sei es nicht getan, fuhr Matter fort. Die Anlagen müssen auch betrieben, gewartet und gereinigt werden. Das verursache nicht nur weitere, nicht unerhebliche, laufende Kosten, sondern auch erhebliche Umweltauswirkungen.
Alles in allem, so fasste Matter zusammen, steht der Reduzierung von Ammoniak – das kein Treibhauspotenzial hat?–?ein enormer Verbrauch von Trinkwasser, Strom und Diesel gegenüber, deren Erzeugung wiederum erhebliche Treibhausemissionen verursacht.
Über Sinn und Unsinn solcher Anlagen wurde im Anschluss an Matters Vortrag ausführlich diskutiert. Die Frage, was man sich damit in Sachen Umweltschutz und Nachhaltigkeit erkaufe, blieb offen.
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