
Bundesregierung plant Eingriffe in Lebensmittelmarkt-Strukturen
Nach dem Sondergutachten der Monopolkommission reagiert die Politik auf wachsende Marktungleichgewichte. Davon sind auch die Fleisch- und Geflügelwirtschaft betroffen.
von DGS Redaktion Quelle Gutachten der Monopolkommission erschienen am 21.11.2025Die Bundesregierung bereitet ein neues Lebensmittellieferketten-Gesetz (LLK) vor, das noch 2025 auf den Weg gebracht werden soll. Anlass ist das Sondergutachten der Monopolkommission, das im November 2025 an das Bundeslandwirtschafts- und Bundeswirtschaftsministerium übergeben wurde. Die Kommission warnt darin vor einer zunehmend angespannten Wettbewerbssituation, in der sich Marktmacht in den letzten Jahren immer stärker zugunsten des Lebensmittelhandels und einiger großer Hersteller verschoben habe. Bereits in ihrer Pressemitteilung macht sie deutlich, dass die „Macht des Lebensmitteleinzelhandels zulasten von Landwirtschaft und Verbrauchern erheblich gestiegen“ sei.
Marktmacht verschiebt sich: Auch die steht Geflügelbranche unter Druck
Das Gutachten zeigt, dass die Schere zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen immer weiter auseinandergeht. Während Landwirte mit steigenden Kosten und volatilen Auszahlungspreisen kämpfen, verzeichnen Hersteller und Handel seit über einem Jahrzehnt steigende Gewinnmargen. Besonders deutlich wird dies im Fleisch- und Geflügelbereich: Die Kommission beschreibt die nachgelagerten Verarbeitungsstufen als „wettbewerblich bedenklich konzentriert“ und hebt hervor, dass die vertikale Integration des Einzelhandels, etwa durch eigene Produktionsstätten, die Nachfragemacht weiter verstärkt und Margen zulasten der Erzeuger verschiebt. Die Geflügelwirtschaft steht damit exemplarisch für eine Branche, die zwischen steigenden Kosten, globalen Preisentwicklungen und einer hohen Marktkonzentration in Schlachtung und Verarbeitung zunehmend unter Druck gerät.
Vor allem die großen Handelsgruppen Edeka, Rewe, Schwarz (Lidl/Kaufland) und Aldi spielen eine zentrale Rolle. Zusammen kontrollieren sie rund 85 % des deutschen Lebensmittelmarktes, wie die Monopolkommission in ihrer Pressemitteilung festhält. Da diese Unternehmen ihre Handelsmarkenproduktion stetig ausweiten und zunehmend eigene Produktionskapazitäten betreiben, rücken sie immer näher an die landwirtschaftlichen Erzeuger heran. Dies hat zur Folge, dass Preisverhandlungen asymmetrischer werden und Erzeugerbetriebe kaum Einfluss auf die Preisbildung haben. Diese „Machtverschiebung“ ist einer der Kernpunkte, den das geplante Gesetz adressieren soll.
Was das Gesetz verändern soll
Das Lebensmittellieferketten-Gesetz zielt darauf ab, diese Ungleichgewichte zu korrigieren. Die Bundesregierung möchte dafür insbesondere die Fusionskontrolle verschärfen und sie erstmals konsequent auf gesamte Lieferketten anwenden. Dabei soll nicht mehr nur geprüft werden, wie sich Übernahmen auf unmittelbare Wettbewerber auswirken, sondern auch, welche Folgen sie für vorgelagerte Stufen wie Landwirtschaft und Verarbeiter haben. Die Monopolkommission kritisiert, dass bisherige Prüfverfahren zu isoliert seien und negative Effekte entlang der Wertschöpfungskette zu selten berücksichtigt worden seien. Das LLK soll diese Lücke schließen und sicherstellen, dass sowohl im Handel als auch auf Herstellerebene kein weiterer Konzentrationsanstieg zulasten kleiner und mittlerer Betriebe stattfinden kann.
Parallel dazu plant die Bundesregierung, die bestehenden Regeln gegen unfaire Handelspraktiken (UTP) zu vereinfachen und ihre Durchsetzung zu stärken. Laut Gutachten melden viele Betriebe problematische Vertragskonditionen aus Angst vor Repressalien nicht. Das LLK soll deshalb einen klareren Rechtsrahmen schaffen, der insbesondere Landwirte und Genossenschaften schützt und zivilrechtliche wie behördliche Durchsetzung erleichtert. Vorgesehen ist, dass das Bundeskartellamt eine größere Rolle übernimmt, um Missbrauchsfälle schneller identifizieren und sanktionieren zu können.
Schwerpunkt Geflügelbranche
Für die Geflügelbranche könnte das Gesetz eine spürbare Veränderung bringen. Sie ist in besonderem Maße von der Machtkonzentration in der Schlachtung und dem Preisdruck der Handelsketten betroffen. Durch schärfere Zusammenschlusskontrollen und eine stärkere Regulierung vertikaler Integration könnte sich ihre Verhandlungsposition gegenüber großen Verarbeitern und Handelsunternehmen verbessern. Gleichzeitig müsste sich die Branche jedoch auf mehr Dokumentations- und Transparenzpflichten einstellen, die aus den neuen Kontrollmechanismen resultieren dürften.
Auch für die Verbraucher wäre das LLK relevant. Die Monopolkommission weist darauf hin, dass Lebensmittelpreise in Deutschland in den vergangenen Jahren stärker gestiegen seien als in vielen anderen EU-Ländern, während zugleich die Gewinnmargen des Handels zunahmen. Die Bundesregierung erhofft sich durch das Gesetz mehr Preisfairness und eine ausgewogene Verteilung wirtschaftlicher Vorteile innerhalb der Lieferketten.
Wann genau das Gesetz vorgelegt wird, ist noch offen. Klar ist jedoch, dass es eines der politisch priorisierten Projekte im Agrar- und Ernährungsbereich ist. Für die Geflügelwirtschaft und andere Sektoren der tierischen und pflanzlichen Erzeugung könnte das Lebensmittellieferketten-Gesetz zu einem wichtigen Instrument werden, um strukturelle Ungleichgewichte zu verringern und die Position der Erzeuger innerhalb des Markts zu stärken.









