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Hessen

Geflügelkolloquium: Noch viele Fragen offen

Beim Hessischen Geflügelkolloquium im Dezember 2023 wurde einmal mehr deutlich: Wir wissen schon vieles über unsere Legehennen und ihre Ansprüche an die Haltungsumwelt – aber bei weitem noch nicht alles.

von Kathrin Iske, DGS Redaktion erschienen am 28.03.2024
Die Referenten Dr. Peter Hiller, Jule Schättler, Dr. Christiane Keppler, Dr. Lisa Jung, Frauke Deerberg, Philipp Hofmann und Moderatorin Inga Garrelfs. © privat
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„Unsere Haushühner stammen vom Bankivahuhn ab, dessen Lebensraum sich im Dschungel nahe dem Äquator befindet. Deshalb sollte die Frage, die wir als Legehennenhalter uns immer stellen sollten, immer lauten: Wie gelingt es uns, das Haltungssystem so zu strukturieren, dass sich die Tiere darin so wohl wie möglich fühlen?“ So leitete Dr. Christiane Keppler vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) die Veranstaltung ein.

Hörvermögen von Legehennen bisher unerforscht

Sie lenkte den Blick auf bisher ungeklärte Fragestellungen, beispielsweise bezogen auf die Sinneswahrnehmung der Tiere: „Es gibt bisher keine Untersuchungen zum Hörvermögen. Wir wissen also nicht, ob die Geräusche im Stall – u. a. verursacht durch die Futterkette oder die Lüfter – das Wohlbefinden der Hennen beeinflussen. Auch forscht die Hochschule Osnabrück bereits seit einigen Jahren zum idealen Leuchtmittel im Stall, das bisher noch nicht gefunden werden konnte. Zusätzlich wissen wir, dass Hühner arttypisches Verhalten zeigen, indem sie mit ihrem Schnabel in Saftfutter hacken können – bisher bieten wir ihnen das in unseren Ställen aber nicht an.“

Keppler ging auch auf die baulichen Gegebenheiten moderner Legehennenställe ein und gab zu bedenken: „Bei der Tierbeobachtung müssen wir als Tierbetreuer im Hinterkopf behalten, dass die Technik eine gute Unterstützung sein, aber nie den Stallrundgang ersetzen kann. Bei einem neuen Stall ist außerdem wichtig zu bedenken, dass man den erst einmal kennen lernen muss. In bis zu 80% der Fälle funktioniert bei Inbetriebnahme die Lüftung nicht.“ Die Expertin riet, bei der Nachjustierung keine Kosten zu sparen: „Die Luftströme richtig zu lenken, ist eine große Herausforderung und hat Auswirkungen auf das Tierwohl.“

Diskussionsgrundlage für die Zukunft

Die optimale Luftführung ist auch Bestandteil des Gesamtbetrieblichen Haltungskonzeptes (GBHK) Legehenne, das von einer Länderarbeitsgruppe erarbeitet wird. Aus den Eckdaten für das GBHK Legehenne soll schließlich gemeinsam mit dem Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) eine Broschüre erstellt werden. Diese wiederum ist als Diskussionsgrundlage zu verstehen, um die Legehennenhaltung in Deutschland zukunftsfähig zu machen. So erklärten es Jule Schättler und Dr. Christiane Keppler.

„Ziel ist es, die Stichworte tierfreundlich, nachhaltig, umweltgerecht, wettbewerbsfähig, zukunftsorientiert und verbraucherorientiert in Einklang zu bringen“, brachten die Wissenschaftlerinnen die Aufgabe der Länderarbeitsgruppe auf den Punkt. Ausführlich gingen sie u.a. auf die attraktive Gestaltung eines Auslaufs ein, sofern er Teil der Haltungsumwelt der Tiere ist.

Den Auslauf in den Kreislauf einbinden

„Seit den 1990er Jahren ist man sich des Problems der Nährstoffeinträge in den Boden durch die Tierhaltung bewusst, vor allem der punktförmigen Stickstoff (N)-Einträge. Wie intensiv die ausfallen, hängt immer von der Auslaufakzeptanz ab, also davon, wie gleichmäßig meine Legehennen den Auslauf nutzen“, leitete Frauke Deerberg von der Uni Kassel ihren Vortrag ein. Sie stellte das Projekt KLUFT vor: In dessen Rahmen sollte ein Substrat für den stallnahen Bereich gefunden werden, das Stickstoff aufnimmt. Anschließend sollte es aus dem stallnahen Bereich entnommen und im Sinne der Kreislaufwirtschaft wiederverwendet werden können.

Pellets sind eine gute Idee

Der Einsatz verschiedener mineralischer Substrate stellte sich als wenig zielführend heraus: „Alle von uns getesteten Materialien – dazu gehörten Gleis- und Basaltschotter, Flusskies und Sand – hätten als kontaminierter Bauschutt entweder kostenintensiv gereinigt oder als Sondermüll entsorgt werden müssen.“ Die organischen Substrate schnitten im Test außerdem besser ab, was ihre N-Speicherkapazität anbelangte, „besonders die Strohmehl-, Holz- und Dinkelspelzpellets zeigten sich vielversprechend. Hier muss aber ein regelmäßiger Austausch stattfinden, wenn ein zuverlässiger Nährstoffentzug gewährleistet sein soll“, gab Deerberg zu bedenken. Die ökonomische Seite dieser Idee wird derzeit noch berechnet.

Ein weiterer positiver Effekt der Substratausbringung im stallnahen Bereich ist zudem, dass die Kosten für eine Trinkwasseraufbereitung bei einer Speicherung der Nährstoffe im Substrat aufgefangen werden.

Brustbein: Besser ohne Brüche

Den Einfluss der Haltungsumwelt auf die Knochengesundheit des Brustbeins stellte Dr. Lisa Jung von der Universität Kassel vor: „Frakturen am Brustbein, das haben wir inzwischen herausgefunden, können spontan und ohne äußere Einflüsse entstehen. Die Prävalenz, also die Anzahl der zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Herde betroffenen Tiere, liegt durchschnittlich bei 50 bis 60%. Weniger als 20% sind eine absolute Seltenheit.“

Weitere Untersuchungen ergaben, dass die Prävalenz für Brustbeinschäden an der Schlachtkette sogar noch deutlich höher ist. Das legt den Verdacht nahe, dass auch das Fangen am Betrieb zur Verschlimmerung der Schäden beiträgt. Jung erklärte: „Für die Schlachtbetriebe sind die gebrochenen oder deformierten Brustbeine irrelevant, vor allem bei den Hennen, deren Schlachtkörper weiterverarbeitet werden. Viel schlimmer sind in diesem Zusammenhang eventuelle Rippenbrüche.“

Wie hängen Brustbein und Rippen zusammen?

Nun soll eine Untersuchung Aufschluss geben, inwieweit Brustbein- und Rippenbrüche zusammenhängen. Jung war sich sicher: „Es ist nicht zu schaffen, dass wir mal eben die Zahl der Brustbeinschäden auf Null reduzieren können. Selbst bei den Hähnen, die wir im Rahmen einiger Studien untersucht haben, waren die Brustbeine beschädigt. Hier ist also noch viel Forschungsbedarf. Ich widme mich diesem Thema jetzt seit acht Jahren, und bisher habe ich nicht die eine Ursache für dieses Krankheitsbild finden können.“

Kollision mit Voliere als Hauptursache in Frage gestellt

Die Wissenschaftlerin ging auch auf die Hypothese ein, dass die Brustbeinbrüche wahrscheinlich von Kollisionen der Tiere mit den Volieren beim Anflug darauf kommen könnten. „Ich habe Ihnen heute mal ein paar Brustbeinknochen mitgebracht und lade Sie herzlich dazu ein, sie mit aller Kraft gegen die Tischkante zu schlagen. Sie werden feststellen, dass es ziemlich viel Kraft und mehrere Anläufe braucht, um einen Bruch herbeizuführen. Und am lebenden Huhn ist dieser Knochen zusätzlich noch durch Haut und Gewebe geschützt – Zweifel daran, ob die Kollisionen mit der Voliere wirklich eine der Hauptursachen für Brustbeinbrüche sind, sind also angebracht“, fasste Jung zusammen.

Prävention ist möglich

Als geeignete Präventionsmaßnahmen nannte sie abschließend eine gute Ausleuchtung des Stalles, breite Aufstiegsrampen und Flure sowie rutschfeste Sitzstangen. Hinsichtlich der Fütterung empfahl Jung, immer auf ausreichend Magensteinchen in der Ration zu achten, ebenso wie auf hochverdauliche Futtermittel und eine zu jedem Zeitpunkt bestmögliche Calciumversorgung der Hennen.

Input von den Nachbarn

Weiterer Teil des 3. Hessischen Geflügelkolloquiums war die Vorstellung der Haltungskonzepte „Kipster und Rondeel“ aus den Niederlanden, Laufhof bzw. Schlechtwetterauslauf aus der Schweiz und Agri-PV-Anlagen im Geflügelauslauf mit Lösungsansätzen aus Österreich. U.a. das Konzept der Agri-PV im Auslauf wurde in der Podiumsdiskussion noch einmal aufgegriffen: „Hier entscheidet momentan das jeweilige Regierungspräsidium, die untere Naturschutz- sowie Umweltbehörde hat sehr wahrscheinlich auch noch mitzureden. Ziel sollte natürlich sein, in diesen Fragen eine Harmonisierung zu erreichen, die möglichst für alle Bundesländer gilt“, erklärte Keppler.

In ihrem Schlusswort kam die Geflügelberaterin zu einem wichtigen Fazit: „Wir dürfen nicht aufhören, über den Tellerrand hinauszuschauen und auch hinauszudenken. Dabei müssen wir stets das Tier im Blick behalten und neue Ideen zulassen.“

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