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Osnabrücker Geflügelsymposium

Deutsche Geflügelbranche ausgebremst: „Wachstum findet außerhalb Europas statt“

Anfang Februar 2024 empfingen Prof. Dr. Robby Andersson, der den Studienschwerpunkt angewandte Geflügelwissenschaften an der Hochschule Osnabrück leitet, und Prof. Dr. Christian Visscher, Direktor des Instituts für Tierernährung der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Praktiker, Wissenschaftler und Firmen der Geflügelbranche in den Räumen der niedersächsischen Hochschule.

Veröffentlicht am
Prof. Rudolf Preisinger von der EW Group warnte auf dem Osnabrücker Geflügelsymposium vor nationalen Insellösungen.
Prof. Rudolf Preisinger von der EW Group warnte auf dem Osnabrücker Geflügelsymposium vor nationalen Insellösungen.Anja Nährig
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Professionell organisiert konnten weit über 300 Teilnehmer Beiträgen zur Aviären Influenza, der TA Luft sowie zu aktuellen politischen Entwicklungen folgen.

Den Aufschlag der Veranstaltung machte ein ehemaliger Student der Hochschule, Friedrich-Otto Ripke, heutiger Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft e. V. Aus seiner Sicht sei die Hochschule Osnabrück ein integraler Bestandteil der Geflügelwissenschaften in Deutschland, „hier wird nicht nur Marketing, sondern praktisches Geflügelwissen gemacht“.

Geflügelbranche fordert mehr Realismus in der Gesetzgebung

Derzeit wichtige Themen, mit denen sich der Dachverband beschäftige, seien u. a. die von der EU angestrebte noch stärkere Antibiotikareduzierung oder Fragen des Tiertransportes bzw. Althennentransportes. Er appellierte für eine realistische Politik, denn es könne nicht sein, dass laut Gesetz dem Geflügel während des Transports Wasser und Futter angeboten werden müsse, die Tiere aber zeitgleich nüchtern am Schlachthof ankommen sollten.

Die Geflügelfleischerzeugung stehe weltweit bereits an erster Stelle, so Ripke, und auch in Europa würde es nicht mehr lange dauern, dass mehr Geflügel- als Schweinefleisch erzeugt werde. Allein Polen produziere jetzt schon fast die doppelte Menge an Hähnchenfleisch im Vergleich zu Deutschland und auch der Importdruck aus den Drittländern, wie der Ukraine und Brasilien, steige. Da die Selbstversorgungsgrade für Geflügel und Eier bereits unter 100 % liegen, setze sich der ZDG dafür ein, dass die heimische Produktion nicht weiter durch nationale Auflagen beschränkt werde. Politisch die Haltungsstufen 4 und 5 zu erzwingen, ginge an der realen Nachfrage vorbei und verschärfe nur die Lage der Landwirte, warnte der Präsident.

Internationaler Wettbewerb gefährde deutsche Insellösung

Anknüpfend an die Worte Ripkes warnte auch Prof. Rudolf Preisinger von der EW Group vor nationalen Insellösungen. Politiker wie NGOs wollten nur einfache Formeln kommunizieren, die aber nicht der komplexen Realität entsprechen. So sollen eine verringerte Besatzdichte, eine Leistungsbegrenzung oder eine neue (robuste) Genetik demnach mehr Tierwohl schaffen. Das stehe jedoch im Gegensatz zum gesellschaftlichen Ziel der Klimaneutralität.

So werde beispielsweise die beste Futterverwertung (Ressourcenverwertung) mit maximaler Leistung erreicht, nicht umgekehrt. Mehr Platz für die Hühner erhöhe die Anzahl Stallungen und auch den Energieaufwand je Tierplatz; regionale Futtermittel besitzen wiederum nicht unbedingt eine bedarfsgerechte Zusammensetzung für die Tiere. Die bedarfsgerechte Fütterung sei aber die Grundlage für die Tiergesundheit und diese wiederum für das Tierwohl.

„Alle Tierhaltungssysteme, die wir zukünftig anstreben, erfordern mehr Arbeitskräfte und Qualifikation“, erklärte Preisinger und verwies dabei auf die sinkende Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Geflügelhalter. Mit einer EU-weiten Regelung zum Verbot des Hahnenkükentötens der Legelinien sei vor 2027 aufgrund der anstehenden Europawahlen kaum zu rechnen. Die Steigerung der globalen Geflügelproduktion erfolge derzeit außerhalb Europas, resümierte Preisinger, wobei sich Lateinamerika und Asien für den Export bereit machten.

Was kommt mit der neuen TA Luft auf die Geflügelhalter zu?

Friedrich Arends, Fachreferent für Immissionsschutz und Abluftreinigung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, berichtete, welche Möglichkeiten für Geflügelbetriebe der Verfahrensart V bestehen, die laut TA Luft geforderte Ammoniakemissionsminderung von mindestens 40 % bis Ende 2028 umzusetzen. Das beträfe alle Geflügelmastbetriebe größer 30.000 bis kleiner 40.000 Tierplätze bzw. Legehennenhaltungen mit mehr als 15.000 bis kleiner 40.000 Tierplätze.

Weit über 300 Teilnehmer, verteilt auf zwei Hörsäle, waren zum Osnabrücker Geflügelsymposium 2024 gekommen. © Hochschule Osnabrück, Jörg Hunold

Weiterhin stellte er eine Entscheidungskaskade vor, wonach große genehmigungspflichtige Tierhaltungsanlagen der Verfahrensart G (über 40.000 Tierplätze) die Nachrüstung einer Abluftreinigung ökonomisch prüfen lassen können. Sollte eine Nachrüstung technisch nicht möglich bzw. wirtschaftlich unverhältnismäßig sein, müssen die Betriebe gleichwertige Minderungsmaßnahmen durchführen.

Neu: Einstreu anerkannt zur Ammoniakemissionsminderung

Für die Masthähnchenhaltung gebe es eine pH-reduzierende Einstreu auf Basis von Strohpellets (ImproBed® der Firma Grillo-Werke AG), die von der DLG auf ihre Eignung hin untersucht wurde. Im Vergleich zu dem in der TA Luft angegebenen Referenzwert von 43,7 g pro Tierplatz und Jahr (Bodenhaltung, 42 Tage Mast) konnte die Ammoniakemission im Durchschnitt auf 7,9 g pro Tierplatz und Jahr erheblich reduziert werden. Der Wert liegt damit auch unter dem geforderten Zielwert beim Einsatz einer geprüften Abluftreinigungsanlage von 13 g pro Tierplatz und Jahr.

Leider könne noch nicht die geforderte Staubminderung von 70 % eingehalten werden (analog zur Abluftreinigung). Daher müsse der Gesetzgeber einordnen, wie dieses qualitätsgesicherte Verfahren bewertet werden könne, und eine Vollzugshilfe für die TA Luft, Tierart Geflügel, schaffen. Um auch den gewerblichen Tierhaltungen den Umbau zu mehr Tierwohl zu ermöglichen, müssten auch UVP-vorprüfungspflichtige Geflügelbetriebe reprivilegiert werden.