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Interview | Biogas

Der wahre Wert von Geflügelmist

Der Warenwert von Hühnertrockenkot (HTK) ist in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen – ob als Dünger oder Einsatzstoff für Biogasanlagen. Wir sprechen mit Felix Colsman, dem CEO der DAH Gruppe, über nachhaltige Landwirtschaft, die Energiewende und den doppelten Wert von Geflügelmist.

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Felix Colsman, CEO der DAH Gruppe.
Felix Colsman, CEO der DAH Gruppe.DAH Gruppe
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DGS: Herr Colsman, welche Rolle spielt Biogas aus der Landwirtschaft als Energieträger für die Energiewende?

Felix Colsman: Wir halten Biogas für eine sehr wichtige Komponente für die Energiewende. Denn es besitzt eine sehr große Bedeutung für die Dekarbonisierung (Verzicht auf fossile Brennstoffe). Das liegt an seiner Vielseitigkeit. Zum einen laufen die Anlagen unabhängig von Sonne und Wind. Außerdem kann man Biogas zu Biomethan aufbereiten und damit zum Beispiel den Schwerlastverkehr dekarbonisieren, Gasersatz für Anwendungen der Strom- und Wärmeerzeugung liefern oder es zur Anwendung von Methanmolekülen als Rohstoff in der Industrie verwenden. Allerdings werden wir damit nicht unseren gesamten heimischen Bedarf an Strom und Wärme erzeugen können. Die Grundlast muss durch Sonnen- und Windenergie abgedeckt werden.

Mit der landwirtschaftlichen Biogasproduktion kommt leider auch oft die Teller-Trog-Diskussion oder der Begriff „Vermaisung“ auf, warum?

Grundsätzlich geht es um ein sinnvolles Miteinander und nicht darum, Lebensmittel für die Energieproduktion zu nutzen. Wenn wir genau hinschauen, wurden schon früher mit Pferdegespann und Ochsenfuhrwerk über 40 Prozent der Ackerfläche zur Energiegewinnung genutzt. Diese wurde allein zum Anbau des Futters für die Zugtiere benötigt. Heute gehen nur noch ca. 15 Prozent der Ackerfläche in die Energiegewinnung ein, 60 Prozent werden für Futtermittel genutzt und auf etwa 25 Prozent werden Lebensmittel für die menschliche Ernährung angebaut.

Warum ist das so? Das hat einfache Gründe: Um wirklich nachhaltig Ackerbau zu betreiben, ist eine vielgliedrige Fruchtfolge nötig. Eine gesunde, nachhaltige Fruchtfolge beinhaltet viele Kulturen, die gut energetisch nutzbar sind, die aber vom Menschen nicht gegessen werden können. Beispiele hierfür sind Gras, Mais oder Luzerne. Dazu kommt, dass z. B. Getreide, das nicht die Grenzwerte für die menschliche Ernährung einhält – sogenannte Schadpartien – nicht weggeworfen werden muss. Klar ist: Qualitätsweizen fährt niemand in die Biogasanlage, denn das rechnet sich nicht. Eine vielgliedrige Fruchtfolge schließt Monokulturen aus, egal ob Mais oder Weizen.

Wir sollten endlich verstehen, dass die Maispflanze der beste Kohlendioxid-Minderer ist und viel zur Lösung des Klimaproblems beitragen kann. Sie hat die höchste Photosyntheseleistung, wandelt also am meisten CO2 in Sauerstoff um und hat für die Energie-gewinnung den höchsten Hektarertrag. Zudem kommt sie auch gut mit wenig Wasser bzw. höheren Temperaturen klar. Es geht um folgendes Zusammenspiel: In einer nachhaltigen Fruchtfolge mit Mais und Winterzwischenfrüchten und den in unseren Breitengraden üblichen Druschfrüchten kommen wir zu einem sinnvollen Stoffkreislauf. Mit der Rückführung der Gärreste aus der Biogasanlage wird Humus im Acker aufgebaut.

Der Betrieb einer Biogasanlage und die Fruchtfolge müssen demzufolge als Einheit gedacht werden. Welche Rolle spielt hierbei die Regionalität?

Man muss die Biogasproduktion als geschlossenen Stoffkreislauf sehen. In der Biogasanlage selbst funktioniert ein Gemisch aus Wirtschaftsdünger und Mais am besten, um effizient Energie zu erzeugen. Mit dem Zusammenspiel in einer Region werden aber auch die Transportwege minimiert. Daher streben wir Kooperationen von nachhaltig wirtschaftenden Landwirten in einer Region an, und beziehen jeweils den Anteil Mais aus deren Fruchtfolge.

Die Begriffe Region/regional werden mit sehr unterschiedlichen Bezugsräumen genutzt. Wo ist bei Ihnen die Grenze?

Für uns bedeutet eine regionale Belieferung der Biogasanlagen aus dem Ackerbau möglichst ein Umkreis von 15 bis 20 km. Für Geflügelmist, der eine deutlich höhere Energiedichte besitzt, darf der Radius auch größer ausfallen.

Wie viel Bioenergie produziert die DAH Gruppe und wie groß ist das Potenzial Ihrer Firma, grüne Energie zu erzeugen?

Wir produzieren sowohl Gas als auch Strom in unterschiedlichen Anlagen. Insgesamt erzeugen wir so viel Energie wie eine halbe Million Menschen benötigen. Also könnenwir eine Stadt in der Größenordnung von Bremen oder Leipzig komplett versorgen. In Zahlen ausgedrückt sind das über 500 GWh Biomethan und ca. 250 GWh Strom, die wir direkt in die Netze einspeisen. Technisch können die Anlagen aber sehr viel mehr, hier haben wir noch zusätzliches Potenzial von 10 bis 15 Prozent. Doch es gibt viele regulatorische Beschränkungen, die beispielsweise im EEG und den Betriebsgenehmigungen festgeschrieben sind. Deshalb dürfen wir die Anlagen nicht voll auslasten. Die im Oktober vorgelegten Vorschläge der Politik sind dafür unzureichend.

Biogasanlage © DAH Gruppe

Hier schließt sich unweigerlich die Frage an, warum? Wir benötigen in der derzeitigen Situation doch jede Energie?

Wir würden gern mehr produzieren, benötigen jedoch unbedingt Rechtssicherheit und die Flexibilisierung der täglichen Einsatzstoffe, die wir in den Biogasanlagen vergären dürfen. Wir stehen in den Startlöchern!

Können Sie denn ohne Weiteres auch das Ausgangsmaterial besorgen?

Ja, können wir. Daher habe ich eben von der Flexibilisierung der Inputstoffe gesprochen. Wir müssen zum Beispiel mehr Geflügelwirtschaftsdünger einsetzen dürfen. Denn hier gibt es noch viel ungenutztes Potenzial auf den Betrieben, das wir gerne zur Energiegewinnung nutzen würden.

Ist das ein Angebot an die Geflügelhalter, dass Sie gern den Wirtschaftsdünger der Geflügelhalter aufkaufen würden?

Ja, das Angebot steht allen Landwirten offen, nicht nur den Geflügelhaltern. Wir nehmen natürlich sehr gern HTK und Schadpartien an, sollte es z. B. bei Körnermais ein Trocknungsproblem geben.

Gibt es keine Probleme mit den Schadpartien bzw. mit Wirtschaftsdünger, in dem die Nutztiere eventuell Antibiotika ausgeschieden haben?

Ganz klar: Antibiotika sind tödlich für jede Biogasanlage. Ist der Wirtschaftsdünger nicht frei davon, sterben die Bakterien in den Fermentern ab und der Gärprozess kommt zum Erliegen. Andere Keime können über die Lagerung unschädlich gemacht werden. Wir untersuchen gerade, ob eine länge Lagerung oder eine Hygienisierung bei über 50 °C Abhilfe schaffen. Wichtig ist, dass die Tierhaltung nicht die Biogasanlage nfiziert, und umgekehrt, die Biogasanlage über die auf den Acker ausgebrachten Gärreste nicht den Stall. Daher sind uns feste und verlässliche Lieferbeziehungen sehr wichtig.

Müssen die Betriebe selbst den HTK für Sie vorhalten bzw. lagern?

Die meisten Geflügelbetriebe sind darauf angewiesen, dass zum Stichtag mit der Ausstallung auch der Mist abgeholt wird. Das können wir durch unsere eigene Logistik garantieren. Sollte der Landwirt über eigene Lagerkapazitäten verfügen, kann er diese natürlich auch nutzen.

HTK als Dünger direkt aufs Feld oder besser das Gärsubstrat verwerten?

Der Düngewert aus Stickstoff (N), Phosphor (P) und Kalium (K) wird in der Biogasanlage nicht verändert und bleibt im Gärrest komplett erhalten. Nur Kohlenstoffverbindungen wie Stärke werden zu Methan umgewandelt. Der Ligninanteil bleibt aber wie im Verdauungstrakt des Wiederkäuers bestehen. Nach der Energiegewinnung wird der Gärrest in flüssige und feste Phasen getrennt und kann so gezielt auf dem Acker als Dünger eingesetzt werden. Die festen Gärreste fördern dabei den Humusaufbau und die flüssigen können in Beständen oder als Unterfußdüngung eingesetzt werden.

Das klingt alles sehr vernünftig und so, als ob man damit rentabel wirtschaften könnte. Wo ist der Haken?

Den gibt es nicht, denn Geflügelwirtschaftsdünger hat einen Dünge- und einen Energiewert. Die doppelte Monetarisierung des Wirtschaftsdüngers gelingt erst seit der Umsetzung der EU-Richtlinie RED II und den damit verbundenen Genehmigungen für uns. Jetzt können wir dem Geflügelwirt den Energiewert und den Düngewert seines Geflügelmists bezahlen. Wenn der Landwirt Gärreste zurücknehmen möchte, wird der Düngewert entsprechend verrechnet unter Berücksichtigung der entstehenden Transportkosten. Sollte die Biogasanlage zu weit entfernt liegen, kann es günstiger sein, den Dünger ab Anlage zu verkaufen und den benötigten Dünger für die eigenen Flächen lokal einzukaufen.

Wir können den Geflügelhaltern bis zu 120 Euro die Tonne für HTK bezahlen, weil für uns Energiewert und Düngewert gleichsam wertvoll sind.

Zur Person

Felix Colsman

ist diplomierter Betriebswirt und seit dem 1. Januar 2016 als CEO für die DAH Gruppe tätig. Die DAH Gruppe ist ein integriertes Agrar- und Energieunternehmen, das Gas, Strom und Wärme aus regenerativen Energieträgern erzeugt. Die DAH Gruppe mit Hauptsitz im brandenburgischen Oranienburg bewirtschaftet mehr als 20 000 ha Agrarflächen und betreibt 22 Biogasanlagen in einem Umkreis von rund 200 km um Berlin. Die Agrarflächen werden von mehr als 30 Landwirtschaftsbetrieben an über zehn Standorten betrieben. Das Familienunternehmen entwickelt überdies großflächige PV-Anlagen und betreibt Ladeinfrastruktur.

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