
Puten: Bundeseinheitliche Eckwerte gemeinsam entwickelt
Die Putenhaltung in Deutschland hat seit ihren Anfängen 1957 einen bemerkenswerten Wandel erlebt. Heute steht die Putenbranche vor neuen Herausforderungen.
von Kathrin Iske, DGS Redaktion erschienen am 04.10.2024
Damals: Aus Amerika importiert
Die Geburtsstunde der Putenhaltung und -Zucht in Deutschland war das Jahr 1957, in dem die Brüder Hans-Rolf und Dobimar von Kameke – Söhne des Moorgut-Gründers Kartz von Kameke – und der damalige Geschäftsführer des Moorgutes, Mortimer von Kessel, die Pute in Amerika kennenlernten. Im selben Jahr schlüpften die ersten 70 Putenküken aus 100 Bruteiern in Deutschland. Seit diesen Anfängen gilt hierzulande der Grundsatz: Für jedes geschlüpfte Putenküken gibt es einen Vermarkter. Das bedeutet, dass schon vor der Einlage des Bruteies in die Brutmaschine sichergestellt ist, wo dieses Küken aufgezogen, gemästet und schließlich als ausgewachsenes Tier geschlachtet und vermarktet wird.
Ende der 1990er Jahre wurde vom Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium und dem Landesverband Niedersächsische Geflügelwirtschaft (NGW) eine „Putenvereinbarung über Mindestanforderungen in der Putenhaltung“ erarbeitet und im Januar 1999 veröffentlicht. Federführend hierbei waren Hans Stallkamp, damals Vorsitzender des Verbandes Niedersächsische Geflügelwirtschaft (NGW), und Tierärztin Dr. Maria Dayen. Inhaltlich trugen u.a. Dr. Hartmut Meyer vom Moorgut Kartzfehn, Dr. Klaus-Peter Behr und Dr. Klaus-Peter Linn mit ihrer Expertise zur Erarbeitung bei. Das Papier wurde schließlich auf Bundesebene übertragen.
In der Zeit von Anfang 2011 bis März 2013 wurde die einst niedersächsische Vereinbarung grundlegend überarbeitet; das Ergebnis, die „Bundeseinheitlichen Eckwerte für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Mastputen“, unterzeichneten Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Praxis und Politik. Dazu gehörten u.a. der damalige Vorsitzende des Verbandes Deutscher Putenerzeuger (VDP), Thomas Storck, heutiger Eigentümer des Moorgut Kartzfehn, sowie die weiteren Vorstandsmitglieder des VDP.
Heute: EU-Verordnung in Vorbereitung
Für großen Unmut innerhalb der Putenbranche sorgten die Pläne von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, der kurz vor Weihnachten 2022 eine grundlegende Überarbeitung der bundeseinheitlichen Eckwerte ankündigte – vor allem hinsichtlich der Besatzdichte, die auf 40 kg/m2 bei Putenhähnen und 35 kg/m2 bei den Putenhennen abgesenkt werden sollte. Die deutsche Putenwirtschaft wehrte sich heftig dagegen, denn dieser Schritt hätte das Aus für die Putenhaltung in Deutschland bedeutet: Der VDP verfasste Stellungnahmen, eine Berechnung und Folgenabschätzung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen belegte die drastische Verteuerung des Putenfleischs auf Verbraucherebene und bei verschiedenen Gelegenheiten – wie der Agrarministerkonferenz in Kiel – suchten Vertreter der deutschen Putenwirtschaft das Gespräch mit Minister Özdemir.
All das zeigte Erfolg: Bisher wurden seitens der Bundesregierung keine weiteren Schritte unternommen, um die Eckwerte besonders hinsichtlich der niedrigeren Besatzdichte anzupassen. Allerdings tut sich etwas auf EU-Ebene: Im Sommer empfing das Moorgut Kartzfehn eine Delegation der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (DG SANTE) der EU-Kommission im Auftrag der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). In Begleitung von Beratern des Moorgutes besichtigte die Delegation alle Partner der Wertschöpfungskette – neben Deutschland auch in Frankreich und Italien. Aus den gewonnenen Erkenntnissen soll sich eine Empfehlung ergeben, welche die Vorstufe für eine künftige Verordnung für die Putenhaltung auf EU-Ebene darstellt.