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Marketing

Wie künstliche Intelligenz das Agrarmarketing verändert

Ein Report über Chancen, Grenzen und die Zukunft der Geflügelfleischvermarktung.

von Vivien Kring, DGS Quelle Prof. Dr. Sarah Kühl erschienen am 24.06.2025
KI wird im Alltag immer wichtiger. Denn ohne technische Hilfe, lässt sich die Datenflut kaum noch bewältigen. © AP/Shutterstock
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Als Prof. Dr. Sarah Kühl von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf ans Mikrofon tritt, sind die Teilnehmer im Raum gespannt. In Dinkelsbühl spricht sie auf der Mitgliederversammlung des Verbandes Deutscher Putenerzeuger über ein Thema, das aktueller kaum sein könnte: „Agrarmarketing im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz“. Dabei geht es nicht nur um neue Technologien, sondern auch um eine Branche im Umbruch. Vor allem das Marketing rund ums Geflügelfleisch steht im Fokus. Denn, obwohl Hähnchen und Pute bei vielen Menschen häufig auf dem Teller landen, verändert sich die Art, wie wir über Lebensmittel sprechen – und wie sie beworben werden.

Geflügel gilt als gesund, günstig und schnell zubereitet. Mehr als die Hälfte der Deutschen isst mindestens ein Mal pro Woche Hähnchen oder Pute. Auf den ersten Blick scheint das Produkt leicht zu vermarkten. Doch so einfach ist es nicht. Die Menschen wollen heute mehr als nur guten Geschmack und günstige Preise. Sie wollen wissen, woher das Fleisch kommt, wie die Tiere gelebt haben, und ob sie der Werbung trauen können. Damit steigen die Ansprüche an die Branche – und das Marketing muss mithalten.

Prof. Dr. Sarah Kühl spricht in ihrem Vortrag über Chancen und Herausforderungen des Agrarmarketings im Zeitalter von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz.
Prof. Dr. Sarah Kühl spricht in ihrem Vortrag über Chancen und Herausforderungen des Agrarmarketings im Zeitalter von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz. © Susanne Gnauk

Marketing verändert sich

Früher drehte sich im Marketing alles um das Produkt. Heute geht es um Verhalten, Emotionen und die direkte Ansprache einzelner Zielgruppen. Sarah Kühl beschreibt diesen Wandel: von „Marketing 1.0“ über beziehungsorientierte Ansätze bis hin zum vernetzten, datenbasierten „Marketing 4.0“.

Mit der Digitalisierung haben sich die Kanäle vervielfacht. Unternehmen müssen heute nicht nur mit einem TV-Spot überzeugen, sondern auf Instagram, YouTube und über Supermarkt-Apps gezielt Menschen erreichen – und das möglichst persönlich. Künstliche Intelligenz hilft dabei, die passenden Inhalte für jede Zielgruppe bereitzustellen.

Auch im Geflügelmarketing zeigt sich das Potenzial, denn verschiedene Kundengruppen sprechen auf unterschiedliche Bilder und Inhalte an. Eine KI kann diese Unterschiede erkennen und passende Varianten ausspielen. Das senkt die Kosten und erhöht die Kaufwahrscheinlichkeit.

Was kann künstliche Intelligenz (KI)?

Künstliche Intelligenz durchsucht riesige Datenmengen, erkennt Muster und erstellt automatisch Inhalte, die zur Zielgruppe passen. Ob Rabatte in der App, Werbeanzeigen im Browser oder Rezeptideen auf Social Media – KI sorgt dafür, dass die Botschaften ankommen.

Beispiele dafür sind: Chatbots beantworten Kundenfragen rund um die Uhr. Automatisierte Texte präsentieren neue Produkte oder Aktionsangebote. Und im Hintergrund sorgt die Technologie dafür, dass Werbebotschaften genau dort auftauchen, wo sie wirken – mit deutlich weniger Streuverlusten.

Dank KI sind Unternehmen jederzeit erreichbar. Ein Chatbot kann sofort auf Anfragen reagieren – etwa zur Herkunft des Fleisches oder zur Zubereitung. Doch der technische Fortschritt hat auch Schattenseiten, denn viele Kunden erwarten inzwischen sofortige Antworten. Die Geduld sinkt und somit steigt der Druck auf die Anbieter. Auch der Einzelhandel verändert sich. Viele Supermarktketten bieten in ihren Apps personalisierte Rabatte an. Sie analysieren das Kaufverhalten und locken gezielt mit Angeboten.

Tierwohl per Sensor – Vertrauen wächst trotzdem nicht automatisch

Nicht nur im Marketing, auch in der Landwirtschaft selbst halten digitale Systeme Einzug. Sensoren erfassen Bewegungen, Temperaturen oder das Fressverhalten der Tiere. Die Hoffnung sind bessere Haltungsbedingungen und mehr Transparenz.

Doch Verbraucher reagieren noch verhalten auf zu viel Technik und sind der Meinung: „Ohne persönliche Kontrolle geht nichts.“ Die Technik mag präzise arbeiten, doch das Vertrauen in maschinelle Tierwohlüberwachung ist begrenzt. Digitale Kontrolle ersetzt für viele nicht den menschlichen Blick.

Probleme ergeben sich auch mit der KI

Kühl spart aber auch die Probleme nicht aus. Sie weist auf rechtliche Anforderungen hin, die bald greifen. Ab 2026 müssen KI-generierte Inhalte gekennzeichnet werden. So sollen Verbraucher besser erkennen, ob die Bilder, Töne und Videos sogenannte Deepfakes sind. Beispielsweise: Es ist ein Produkt in einer Landschaft zu sehen, wobei das Produkt tatsächlich nicht in der Landschaft fotografiert worden ist. Oder es gibt eine Abbildung eines Produkts zusammen mit einer Person, die mit dem Produkt hantiert, obwohl dies nicht stattgefunden hat. Verbraucher sollen zukünftig besser erkennen, welche Inhalte vom Menschen stammen, welche von der Maschine.

Ein weiteres Problem sind verzerrte Daten. Da KI-Modelle durch vorhandene Daten lernen (Bias in – Bias out), müssen diese teilweise in ihrer Korrektheit bestätigt werden. Die Bestätigungen hängen dann auch stark vom „Weltbild“ desjenigen Menschen ab, der die KI bestätigt. Ein weiteres Problem ist, dass Big Data auf der Vergangenheit basiert. Dies macht Aussagen zu neuen Trends, die in der Zukunft liegen, kaum möglich. Auch ethische Fragen stellen sich: Wer trägt die Verantwortung für falsche Empfehlungen? Wer entscheidet, welche Zielgruppen wie angesprochen werden? Darf man bestimmte Meinungen stärker gewichten?

Und: Viele Menschen hinterfragen KI-Inhalte nicht. Was professionell aussieht, wird häufig als richtig akzeptiert. Diese Leichtgläubigkeit birgt Risiken – gerade in einem sensiblen Bereich wie der Lebensmittelerzeugung.

Warum wir KI trotzdem brauchen

Trotz aller Herausforderungen hält Kühl KI für unverzichtbar. Die Menge an verfügbaren Daten wächst rasant. Schon heute ist es für Menschen kaum noch möglich, all diese Informationen auszuwerten. In Zukunft wird das noch schwieriger. Ohne technische Hilfe lässt sich die Datenflut kaum bewältigen.

KI wird also nicht nur ein „Nice-to-have“, sondern ein Werkzeug, das notwendig ist, um in der modernen Kommunikation mithalten zu können – auch im Agrarmarketing.

„Putenmast kann die KI noch nicht!“ Prof. Dr. Sarah Kühl, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

„Putenmast kann die KI noch nicht“, sagt Kühl zum Schluss augenzwinkernd. Die Arbeit im Stall bleibt analog – zumindest vorerst. Aber wenn es darum geht, bürokratische Prozesse zu verschlanken oder Marketingstrategien effizienter zu gestalten, sieht sie viel Potenzial.

Ein Gedanke bleibt hängen: Je künstlicher unsere Welt wird, desto mehr wächst vielleicht die Sehnsucht nach dem Echten. Vielleicht wird Authentizität in Zukunft wieder zu einem echten Verkaufsargument – gerade im Lebensmittelbereich.

Denn wenn alles künstlich wirkt, bekommt das Reale einen neuen Wert.

Ein Beispiel für ein KI-generiertes Bild. Die Aufgabe für die KI war, Werbung für den Konsum von Putenfleisch zielgruppengerecht zu entwerfen.
Ein Beispiel für ein KI-generiertes Bild. Die Aufgabe für die KI war, Werbung für den Konsum von Putenfleisch zielgruppengerecht zu entwerfen. © Prof. Dr. Sarah Kühl