
TA-Luft: Verlässliche Perspektiven gefordert
Wie der Umbau der Geflügelhaltung hin zu mehr Tierwohl im Landkreis Cloppenburg und seinen angrenzenden Landkreisen erfolgreich gelingen kann, diskutierten rund 250 Teilnehmer – in Präsenz und Online – im Rahmen der „Informationstagung zur Umsetzung der TA-Luft“ in Lastrup.
von DGS Redaktion Quelle NGW, AEF erschienen am 11.09.2024Zu der Veranstaltung eingeladen hatten der Landesverband der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft (NGW) und das Agrar- und Ernährungsforum Nord-West (AEF).
In seiner Begrüßung stellte Friedrich-Otto Ripke, Vorsitzender des NGW und ehemaliger Staatssekretär im Nds. Landwirtschaftsministerium, die hohe Bedeutung der Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA-Luft) und die damit einhergehenden Möglichkeiten zur Emissionsminderung heraus.
Bundesweit einheitliche Auslegung der TA Luft fehlt
Die im Jahr 2021 in Kraft getretene neue TA-Luft schreibt für bestehende Ställe ab einer bestimmten Größenordnung zur Senkung der Emissionen, insbesondere von Ammoniak und Staub, die Nachrüstung einer Abluftreinigung bis zum 30. November 2026 vor. Dennoch, so Ripke, fehle es an einer bundesweit einheitlichen Auslegung dieses Regelwerkes und somit auch an verlässlichen Gestaltungsperspektiven für geflügelhaltende Betriebe.
Schon heute sei Deutschland im Bereich der Geflügelhaltung kein Selbstversorger mehr und daher auf Importgeflügelfleisch aus dem Ausland angewiesen, das zu wesentlich geringeren Standards produziert werde. Zahlreiche Betriebe seien bereit, auf höhere Haltungsstufen umzustellen, so wie es LEH und Verbraucher fordern, jedoch seien ihnen von behördlicher Seite die Hände gebunden.
„Die deutschen Geflügelhalter kommen ihrer wichtigen Aufgabe als Ernährungssicherer nach und brauchen daher endlich politische Klarheit und Verlässlichkeit. Sie benötigen zwingend Anreize für ihre betriebliche Weiterentwicklung“. So appellierte Ripke an die Politik, Umsetzung jetzt, unter besten Voraussetzungen mit umstellungswilligen Tierhaltern“, sonst werde sich der Strukturwandel nochmals mehr beschleunigen und Billigimporte aus dem Ausland befördert.

Ausnahmen gelten nur bei Unverhältnismäßigkeit
Doris Düsing, Leiterin des Bauamtes im Landkreis Cloppenburg, stellte in ihrem Vortrag die Nachrüstpflicht für große Betriebe ab 40.000 Geflügelhaltungsplätzen – für Masthähnchen- und Jung- und Legehennen – (sog. große BImSch-Anlagen gemäß Bundes-Immissionsschutzgesetz), für kleinere Ställe ab 30.000 Geflügelplätzen sowie Legehennenställe ab 15.000 Stallplätzen vor. Im Landkreis Cloppenburg seien davon im Geflügelbereich 141 große BImSch-Anlagen sowie 25 kleinere BImSch-Anlagen betroffen. Ausnahmen gelten nach den Bestimmungen der TA-Luft nur, wenn die Nachrüstung einer Abluftreinigungsanlage (ARA) nicht verhältnismäßig oder technisch nicht möglich sei.
Dies bedeute für die Genehmigungsbehörden, dass für jeden davon betroffenen Geflügelstall eine diesbezügliche Einzelfallprüfung durchgeführt werden muss. Diese auch für Bestandsanlagen gestiegenen Anforderungen seien jedoch nicht ohne die Berücksichtigung von Aspekten der Verhältnismäßigkeit zu sehen. Im Einzelfall könne das bedeuten, dass die Nachrüstung von Abluftreinigungsanlagen nicht gefordert werden kann. Andererseits stellt sich für manche Betriebe auch die Frage, einen zwangsbelüfteten Stall vor dem Hintergrund zukünftiger Vermarktungschancen zu einem Tierwohlstall umzubauen. Die TA-Luft lasse diesen Weg unter entsprechenden Voraussetzungen durchaus zu, so Düsing.
Definition zu Tierwohlställen fehlt
Dieter Oltmann, Geschäftsführer des NGW, skizzierte in seinem Vortrag die Herausforderungen für die Praxis und veranschaulichte diese anhand entsprechender Entscheidungskaskaden für große und kleine BImSch-Anlagen. So werde eine grundlegende Reduzierung von Tierzahlen zur Emissionsminderung nur bei qualitätsgesicherten Tierwohlprogrammen anerkannt. Jedoch habe sich das Umweltbundesamt (UBA) bis dato nicht zur Definition von Tierwohlställen für Geflügel geäußert. Vor dem Hintergrund zukünftiger Entwicklungen im Handel zu mehr Tierwohlprodukten sei hier dringend eine Klärung notwendig.
Auch bemängelte Oltmann eine seitens der Bundespolitik fehlende Folgenabschätzung. Was die Verbesserung der Stallluft anbelange, so sei als einzige Maßnahme im Geflügelbereich in der Rechtsauslegung der TA-Luft eine Abluftreinigungsanlage (ARA) im Geflügelbereich anerkannt. Neue emissionsmindernde Maßnahmen müssen von der DLG anerkannt werden oder beim KTBL etabliert sein.
Auch der im Januar von der DLG-zertifizierte Einstreuzusatz als Maßnahme zur Erreichung der Ammoniakemissionsreduktionsziele werde seitens der Genehmigungsbehörden anerkannt. Grundsätzlich, so Oltmann, sei die Prüfung der technischen Umsetzbarkeit und der Verhältnismäßigkeit für den Einbau einer Abluftreinigungsanlage ein wesentlicher Bestandteil der Prüfungen in den Landkreisen.
KTBL-Leitfaden zur Umsetzung der TA Luft nutzen
Stephan Bicker, vom Planungsbüro Optima, informierte über die Einordnung der Verhältnismäßigkeitsprüfung in das Verfahren der TA-Luft. So bestimme die Verhältnismäßigkeit die Zulässigkeit der jeweiligen Maßnahme und betreffe im Bereich der Geflügelhaltung Betriebe ab 15.000 Legehennenplätzen, 30.000 Masthühnerplätzen sowie 30.000 Junghennenplätzen. Er stellte zudem die rechtlichen Aspekte für die Altanlagensanierung und die Übersicht der zu prüfenden Bereiche vor, inklusive Praxisbeispiele. Er verwies darüber hinaus auf den KTBL-Leitfaden zur Umsetzung der Anforderungen an die TA-Luft.
Am Ende der Diskussion fordern die Teilnehmer von der Bundespolitik ein, dass eine Tierwohlprivilegierung bei Baugenehmigungen, wie sie bei Schweineställen durch das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz gegeben ist, umgehend auch für Geflügel geschaffen werden muss. Über die Initiative Tierwohl (ITW) bzw. „haltungsform.de“ wäre das sinnvoll und möglich. Der NGW sicherte seinen Mitgliedern zum Abschluss weiterführende Informationen zur Umsetzung der TA-Luft zu.