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Forschung & Wissenschaft

Gefährlicher Ernährungstrend

Die Ernährungsfachgesellschaft Society of Nutrition and Food Science (SNFS) mit Sitz an der Uni Hohenheim betont, dass Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten entgegen des Scheins nicht zunehmen. Wer aber Lebensmittel mit wertvollen Nährstoffen ohne medizinischen Grund einfach weglasse, verzichte auch auf deren gesundheitlichen Nutzen, warnen die Mitglieder der SNFS.

Veröffentlicht am
Syda Productions_colourbox.de
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Muffins ohne Gluten, Joghurt ohne Laktose – „Frei von“-Lebensmittel gelten bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern heute als besonders gesund. Immer mehr Menschen scheinen von Nahrungsmittelunverträglichkeiten und -allergien betroffen zu sein, von Glutensensitivität über Laktose- oder Fruktoseintoleranz bis zu Allergien gegen Milcheiweiß, Fisch oder Nüsse.Doch der Schein trügt: „Die Supermarkt-Regale sind zwar mittlerweile voll mit teuren Spezial-Lebensmitteln, die darauf eingehen, doch Nahrungsmittelunverträglichkeiten haben in den letzten Jahren nicht zugenommen“, stellt Prof. Dr. Jan Frank fest. Er ist Ernährungswissenschaftler an der Universität Hohenheim und Vorsitzender der SNFS.

„Frei von“ bedeutet oft Verzicht auf wertvolle Inhaltsstoffe

„Immer mehr Menschen glauben, dass sie bestimmte Nahrungsmittel nicht mehr vertragen. Doch diese Vermutung kann wissenschaftlich nicht bestätigt werden“, bekräftigt auch Dr. Claudia Laupert-Deick, die in Bonn die Praxis für Ernährungstherapie und Beratung leitet.Doch für Menschen ohne nachgewiesene Allergie oder Intoleranz haben „Frei von“-Produkte in den meisten Fällen nicht nur keinen Mehrwert – im Gegenteil: Zum Beispiel reduziert man gleichzeitig mit dem Gluten, dem Klebereiweiß im Getreidekorn, oft auch den Vollkornanteil am Essen. Doch „Lebensmittel wie Vollkorn- und Milchprodukte haben einen hohen gesundheitlichen Nutzen und werden nur von wenigen Deutschen nicht gut vertragen“, hebt Dr. Laupert-Deick hervor.

Nur etwa 2-5 Prozent der Bevölkerung in Deutschland hat eine nachgewiesene Allergie gegen bestimmte Nahrungsmittel oder -inhaltsstoffe, wie zum Beispiel Zöliakie, also Glutenunverträglichkeit. Hier gelte es, sorgfältig zu unterscheiden. Die Expertin betont: „Es erfordert ein differenziertes Vorgehen, Lebensmittelunverträglichkeiten zu diagnostizieren und diese gesundheitsförderlich zu behandeln.“

Sinnvolle Diät setzt sorgfältige Diagnose voraus

Auch Prof. Dr. Jörg Kleine-Tebbe vom Allergie- und Asthmazentrum Westend in Berlin empfiehlt, erst einmal genauer hinzuschauen und verschiedene Dinge nicht zu verwechseln. „Nahrungsmittelallergien bezeichnen immunologisch vermittelte Unverträglichkeitsreaktionen gegen Nahrungsmittel“, erläutert er. Doch dabei müsse man zwischen primären und sekundären Nahrungsmittelallergien unterscheiden.

„Primäre Nahrungsmittelallergien treten eher im Säuglings- und Kleinkindalter gegenüber stabilen Proteinen in Grundnahrungsmitteln auf. Probleme bereiten dann Kuhmilch, Hühnerei, Weizen, Erdnüsse, Baumnüsse oder Fisch“, so der Experte. Doch während sich Reaktionen auf die ersten drei Lebensmittel häufig nach wenigen Jahren zurückbilden, können Reaktionen auf die letzten drei lebenslang bestehen bleiben.

Anders verhalte es sich mit sekundären Nahrungsmittelallergien, erklärt Prof. Dr. Kleine-Tebbe. „Sie entstehen durch ähnliche Proteine in Pollen, etwa Birkenpollen, und pflanzlichen Nahrungsmitteln wie Kern- und Steinobst, Nüsse, Karotten oder Soja.“ Die Reaktionen seien bei sekundären Nahrungsmittelallergien häufig milder Natur, können aber im Einzelfall auch schwer ausfallen.

„In Europa sind erhebliche Fortschritte bei der Diagnostik und im Umgang mit Nahrungsmittelallergien erzielt worden“, betont Prof. Dr. Kleine-Tebbe. Diese, so seine Empfehlung, sollten Betroffene nutzen. „Leider werden hierzulande untaugliche Methoden bei Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten angeboten, die zur Verwirrung und unberechtigten Diäten bei den Betroffenen beitragen“, warnt er.

Im Zweifelsfall ein Kompromiss: reduzieren, aber nicht komplett weglassen

Es bleibt jedoch das Problem, dass manche Lebensmittel vielen Menschen ohne echte Stoffwechselstörung Beschwerden verursachen. Auch für sie hat Prof. Dr. Frank einen Rat: „Wer das Gefühl hat, bestimmte Nahrungsmittel nicht gut zu vertragen, sollte diese reduzieren, aber sie im Sinne einer ausgewogenen, vielfältigen Ernährung nicht komplett weglassen.“ Mit diesem Kompromiss könne man gefahrlos ausprobieren, was einem gut bekommt.