
Tradition wahren, modernste Technik nutzen
Der Hof von Philipp Beckhove wird bereits in neunter Generation bewirtschaftet. Modernste, KI-gestützte Kameratechnik in der Hühnermast begeistert dabei nicht nur die Azubis, sondern sorgt auch für mehr Tierwohl. Kreislaufwirtschaft ist für den Landwirt selbstverständlich.
von Susanne Gnauk, Redaktion DGS erschienen am 04.11.2025Tradition hält Hähnchenmäster Philipp Beckhove nicht von modernster Steuerungstechnik in seinem Betrieb ab: Urkundlich erwähnt wurde der Hof im münsterländischen Senden erstmals 1336 (!), das älteste noch bestehende Gebäude stammt von 1767. Der Hof wird seit 1713 ununterbrochen nun schon in neunter Generation bewirtschaftet. Vom klassischen Gemischtbetrieb wurde der Betrieb von seinem Vater in den 1980er-Jahren zur spezialisierten Schweinemast umgebaut. Beckhove, der sich für die Branche auch als Vorsitzender des Bundesverbandes bäuerlicher Hähnchenerzeuger (BVH) engagiert, übernahm den Hof 1996.


Schweinemast wird heute immer noch an verschiedenen Pachtstandorten mit eigener Getreideproduktion und in Haltungsstufe 2 betrieben, aus Mangel an Fläche konnte dieser Betriebszweig aber nicht weiter ausgebaut werden. Um das betriebliche Risiko zu streuen, investierte der Landwirt in einen weiteren Betriebszweig – die Hähnchenmast. 2007 wurde der erste Stall für 39.900 Masthühner gebaut und zeitnah drei weitere Ställe.
KI im Stall: Überwachung zugunsten von mehr Tierwohl
Vor dreieinhalb Jahren wurde ein Masthühnerstall mit einem KI-gesteuerten Kamerasystem ausgestattet. Insgesamt 48 Kameras sind über einen Server mit dem Internet verbunden. Das System läuft seitdem störungsfrei ohne Verschleiß. Das „Machine Learning“-gestützte Frühwarnsystem auf Grundlage von 2D-Kameradaten beobachtet rund um die Uhr kontinuierlich die Tierverteilung und das Tierverhalten im gesamten Stall. Per KI-Datenanalyse wird das Bild- und Videomaterial ausgewertet. Aus diesen Auswertungen und den Stalldaten werden konkrete Handlungsempfehlungen geben.
„Wir haben so 24/7 eine permanente Überwachung im Stall und die Möglichkeit, noch mehr Tierwohl zu schaffen. Die 48 Kameras analysieren den gesamten Stall und erfassen auch Bewegungsmuster der Hähnchen. Daraus versucht die KI, Empfehlungen zu entwickeln, die jeden Tag genutzt werden, um die Umwelt für die Tiere optimal zu gestalten: Klima, Fütterung, Luftführung, Heizung, Lichtmanagement“, erklärt Beckhove. „Es ist ein gegenseitiges Lernen – auch wir versuchen, unser Wissen der KI zu übermitteln.“
Pro Tag bekommen die Mitarbeiter einen Bericht aufs Handy. Jeden Morgen werden die Daten in einer gemeinsamen Besprechung ausgewertet und diskutiert. Anhand der Bewegungsmuster ist beispielsweise auch erkennbar, in welchen Stallteilen die Temperatur herunter- oder hochgeregelt werden muss.
Arbeitserleichterungen und gesündere Tiere
Beckhove zählt einige Arbeitserleichterungen durch das KI-System auf:
- Optimale Klimasteuerung, da sie noch schneller und direkter am Tier stattfindet. Lüftungseinstellungen konnten optimiert werden.
 - Tote Tiere werden erkannt.
 - Mittlerweile ist auch eine Gewichtsermittlung möglich.
 - Die Uniformität der Herde ist damit gut steuerbar.
 
Der Landwirt erklärt das System auf der App in seinem Handy. Maximum-, Minimum-Temperatur und aktuelle Temperatur im Stall, Außentemperatur, Futtermengen, Gewichte – alle wichtigen Daten hat sich der Hähnchenmäster übersichtlich auf eine Seite der App gezogen.
1Auch die Krankheitsfrüherkennung wird durch das System unterstützt. „Wir haben seit zwei Jahren so gut wie keine Antibiotika mehr eingesetzt“, erklärt Beckhove.
Die Kosten des KI-Systems beziffert der Landwirt für seinen Betrieb auf 15.000 Euro für einen Stall plus 400 bis 600 Euro Euro pro Durchgang.
Beckhove hat einen weiteren Vorteil festgestellt: Die Mitarbeiter denken mehr mit und die Azubis können sich gut mit der Stallüberwachung per App identifizieren. So lobt beispielsweise Azubi Jan Wichmann auf der von Landwirten finanzierten Hofgeschichten-Website magdochjeder.de in einem Video über den Betrieb Beckhove die moderne Technik.
„Das Auge des Herrn mästet das Vieh - das wird weiterhin gültig sein. Aber KI wird uns immer besser unterstützen, um optimale Bedingungen für die Tiere zu schaffen.“ Philipp Beckhove
Auch wenn sich die KI immer weiterentwickeln werde, ist sich der Geflügelhalter sicher: „Das Sprichwort: Das Auge des Herrn mästet das Vieh – das wird weiterhin gültig sein. Der Landwirt lässt sich dadurch nicht vollständig ersetzen. Aber KI wird uns immer besser unterstützen, um optimale Bedingungen für die Tiere zu schaffen. Sie verleiht dem Landwirt sozusagen Superkräfte.“
2Ausbildung: „Landwirtschaft braucht Nachwuchs“
„Landwirtschaft braucht Nachwuchs“, sagt Beckhove, weswegen er auch Azubis auf seinem Betrieb ausbildet. „Klar, man muss immer wieder neue Azubis neu anlernen und das ist mit Mehrarbeit verbunden“, ordnet der Landwirt ein. „Aber das schützt auch ein bisschen vor Betriebsblindheit. Die Azubis stellen überdies Fragen und so hinterfragt man sich selbst. Sie kommen auch mit Erfahrungen aus anderen Betrieben hierher.“ Für den Betrieb seien die Azubis jedenfalls eine Bereicherung und alle sehr engagiert bei der Sache. Vielleicht liegt das auch an der guten Einbindung der Azubis in den Betriebsablauf, den Bedingungen, die sie hier vorfinden, und den vielfältigen Betriebszweigen. Die Vielseitigkeit – mal draußen zu sein, mal in den Ställen zu arbeiten – kommt bei den Azubis gut an.
Mit Hähnchen grünen Strom erzeugen
Als Landwirt mit Traditionsbewusstsein ist Beckhove eine nachhaltige Wirtschaftsweise wichtig – auch für kommende Generationen. Das hat er auf dem ersten Deutschen Geflügel Forum Anfang April in Berlin betont. „Ich habe den Hof nicht geerbt, sondern von meinen Kindern geliehen.“ Nach diesem bekannten bäuerlichen Motto wirtschafte er wie die vorherigen Generationen auch. Zur sozialen Säule gehören für Beckhove das Angebot von mehr Tierwohl (Stallstrukturierung, mehr Platz gemäß den ITW-Anforderungen, Datenmonitoring, Trinkwasser- und Klimachecks), regelmäßige Mitarbeiterschulungen und Öffentlichkeitsarbeit.
Genauso wichtig ist für ihn die ökonomische Säule: „Hier versuchen wir mit gesunden Tieren eine optimale Futterverwertung und hohe Leistungen zu erzielen“, erklärte er auf dem Forum. Dabei helfe die computergesteuerte Klimaführung und die KI-gestützte Überwachung der Tiere. „So stellen wir sicher, dass unsere Tiere eine optimale Haltungsumwelt erhalten und optimal versorgt sind.“
Zur ökologischen Säule zählt der Landwirt die auf den Stalldächern installierten PV-Anlagen, die Strom erzeugen. Der Mist aus den Hähnchenställen gelangt überdies in die Biogasanlage und wird hier zu Strom und Wärme veredelt. Die Gärreste aus der Biogasanlage lassen sich super als Volldünger für die eigenen Felder nutzen. So müsse man nur wenig energieintensiv hergestellten Mineraldünger zukaufen. Der Kreislauf wird geschlossen und der CO2-Fußabdruck deutlich reduziert.
„Wenn wir an diesem Standort keine Hähnchen halten würden, würde hier kein grüner Strom erzeugt werden.“ Philipp Beckhove
Beckhove rechnete den Zuhörern des Geflügel Forums vor: „Wir benötigen 150.000 kWh Strom pro Jahr, um die Hähnchenmast zu bewirtschaften, plus 1 Mio. kWh Wärmebedarf. Die Tiere brauchen anfangs sehr viel Wärme. Wir erzeugen an diesem Standort fast 1 Mio. kWh PV-Strom, zusätzlich über den Mist ca. 600.000 kWh Strom in der Biogasanlage, über die Abwärme entstehen noch einmal ca. 600.000 kWh Strom pro Jahr. Wir haben einen Energieüberschuss von etwa 1 Mio. kWh, der ins Netz eingespeist wird. Wenn wir an diesem Standort keine Hähnchen halten würden, würde hier kein grüner Strom erzeugt werden“, unterstreicht der Hähnchenmäster. „Auch Tierhaltung kann also Teil der Energiewende sein. Unsere Entscheidungen folgen dem Prinzip: Wirtschaften mit Rücksicht auf Tiere, Umwelt und Mensch.“
- Standort: Senden, Münsterland (Nordrhein-Westfalen)
 
- Ackerbau, Schweine- und Hähnchenmast, Forstwirtschaft und Erzeugung erneuerbarer Energien
 
- 160.000 Masthühnerplätze, 7.000 Mastschweineplätze
 
- Vier feste Mitarbeiter, drei Auszubildende (davon ein Mitarbeiter plus ein Azubi für die Betreuung der Hähnchenmast), eine Aushilfe für das Büro
 
- Video über den Betrieb auf magdochjeder.de
 















