
Schlupf im Stall im Ökobetrieb als Alternative zur Antibiotikaminimierung
Eine Praxisstudie in der ökologischen Masthühnerhaltung verglich den Schlupf im Stall mit dem herkömmlichen Brütereischlupf. Untersucht wurden Tiergesundheit, Verhalten und Leistung der Küken. Die Ergebnisse zeigen Vorteile des Stallschlupfes für die Tiergesundheit, während Brüterei-Küken sich aktiverer verhalten.
von Dr. Stephanie Schäfers, Dr. Anna Schwarz Quelle Dr. Stephanie Schäfers erschienen am 20.10.2025Der Einsatz von Antibiotika in der landwirtschaftlichen Tierhaltung steht seit Jahren zunehmend im Fokus der öffentlichen Diskussion. Neben Tierschutzaspekten spielen dabei insbesondere der Umwelt- und Verbraucherschutz sowie die Entstehung von Antibiotikaresistenzen in der Human- und Veterinärmedizin eine entscheidende Rolle. Ein wichtiges Ziel besteht darin, den Einsatz von Antibiotika zu verringern und gleichzeitig die Tiere gesund zu halten.
Landwirte konnten den Antibiotikaverbrauch in der Vergangenheit bei den meisten Nutztierarten deutlich senken. In der Masthühnerhaltung blieb die Zahl der Behandlungen jedoch nahezu unverändert. Um den Einsatz von Antibiotika künftig weiter zu reduzieren, müssen prophylaktische Maßnahmen wie Biosicherheitskonzepte und Impfschemata konsequent umgesetzt werden. Das gilt besonders für biologisch wirtschaftende Betriebe, da sie Antibiotika und andere Medikamente nur sehr eingeschränkt einsetzen dürfen – deutlich restriktiver als konventionell arbeitende Betriebe.
Um praxisgerechte prophylaktische Konzepte zu entwickeln, ist es wichtig, die zentralen Einflussfaktoren auf die Tiergesundheit bei Küken und Masthähnchen genau zu kennen.
Einfluss des Schlupfzeitraums auf die Tiergesundheit von Masthühnern
Der Grundstein für die Gesundheit eines Masthühnerbestandes wird bereits kurz nach dem Schlüpfen gelegt. Gerade dieser Zeitpunkt gehört zu den sensibelsten Phasen im Leben eines Masthuhns. In der Brüterei, in der die Küken üblicherweise schlüpfen, sind sie zahlreichen Stressoren ausgesetzt: Sie werden sortiert, geimpft und anschließend in die Mastbetriebe transportiert. Dabei müssen sie schwankende Umweltbedingungen aushalten, etwa Temperatur-, Lautstärke- und Lichtwechsel.
Zwischen Schlupf und Ankunft im Stall vergehen oft bis zu 60 Stunden. Erst dann erhalten die Tiere Zugang zu Futter und Wasser. Zwar können sich die Küken in den ersten Lebensstunden noch vom Dottersack ernähren, doch führen das Handling, der Transport und der späte Zugang zu Nahrung und Wasser unweigerlich zu Stress. Dieser Stress schwächt das Immunsystem und beeinträchtigt dadurch die Tiergesundheit.
Der Schlupf im Stall als Maßnahme zur Stressvermeidung
Um diese potenziellen Stressoren zu vermeiden, bietet der „Schlupf im Stall“ (On-Farm Hatching) eine wirkungsvolle Alternative. Dieses Verfahren gewinnt bei Masthähnchenhaltern zunehmend an Bedeutung. Dabei werden die Bruteier in der Regel bereits am 18. Bebrütungstag in den Stall gebracht, wo die Küken direkt im Mastbetrieb schlüpfen.
Vor dem Schlupf legen die Betriebe die Bruteier entweder in spezielle Halterungen im Stall oder platzieren sie direkt auf ein Spänebett auf dem Stallboden, in dem die Küken anschließend schlüpfen. Mit diesem Verfahren entfallen die zuvor beschriebenen Nachteile des Schlupfes in der Brüterei vollständig. Die Tiere sind weder Handling noch Transport ausgesetzt. Zudem erhalten sie unmittelbar nach dem Schlupf Zugang zu Futter und Wasser.
Die vorgesehenen Impfungen erfolgen ebenfalls direkt im Mastbetrieb – wie in der Brüterei – meist per Sprayanwendung am ersten oder zweiten Lebenstag.
Wie der Schlupf im Stall unter Praxisbedingungen mit der langsam wachsenden Genetik Hubbard JA 757 funktioniert, untersuchte das von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) geförderte Modell- und Demonstrationsvorhaben Tierschutz „Antibiotikaminimierung in der Masthühnerhaltung durch Schlupf im Stall“.
1Material und Methoden
Auf einem biologisch wirtschaftenden Betrieb in Niedersachsen, zertifiziert nach den Naturland-Richtlinien, mit 24.000 Tierplätzen, verteilt auf zwei Ställe, wurden sieben Mastdurchgänge pro Schlupfform – Schlupf im Stall (SiS) versus Lieferung von Küken aus der Brüterei (Brü) – begleitet.
In fünfwöchigen Abständen wurden abwechselnd 12.000 Bruteier am 18. Bruttag für den Schlupf im Stall oder Eintagsküken aus der Brüterei geliefert und unter denselben Haltungs- und Managementbedingungen – abgesehen von der Schlupfform – aufgezogen und gemästet. Die Eier für den Schlupf im Stall lagen auf Horden mit jeweils 150 Eiern auf einem 6 cm dicken Strohbett in der Stallmitte. Über den Horden brachten die Betriebe sechs Mach-Sens-Sensoren (Mach-Sens BV, 7131 MG Lichtenvoorde, Niederlande) an, um die Eierschalentemperatur während des Schlupfes kontinuierlich zu überwachen.
Die Luftfeuchtigkeit im Stall blieb während des Schlupfes bei etwa 60 % und wurde – ebenso wie die Stalltemperatur – mithilfe handelsüblicher, im Stall installierter Sensoren kontrolliert.
Die Eier bzw. Küken stammten während des gesamten Versuchs von derselben Elterntierherde. Aufgrund der nicht zeitgleichen Einstallung beider Schlupfformen waren die Elterntiere während der Mastdurchgänge unterschiedlich alt.
Ergebnisse
Die Schlupfrate beim Schlupf im Stall fiel mit knapp 99 % in allen Durchgängen hoch aus. Dies stellt ein sehr gutes Ergebnis für den Landwirt dar und zeigt, dass die angewandte Prozedur auch hinsichtlich der Temperatur und der Luftfeuchte im Stall während des Schlupfes erfolgreich war.
Kükenqualität mittels PASGAR-Score
Der PASGAR-Score dient als Parameter zur Beurteilung der Kükenqualität und wird üblicherweise am Schlupftag oder am ersten Lebenstag erhoben. Zur Bewertung prüft man Reflexe sowie den Zustand von Nabel, Beinen, Schnabel und Bauch anhand einer Stichprobe von Küken. Für jeden Parameter werden entweder 0 Punkte oder 1 Punkt vergeben. Damit liegt die maximal erreichbare Punktzahl bei 10, die minimale bei 5 Punkten.
Zwischen den beiden Schlupfformen zeigte sich in dieser Praxisstudie kein Unterschied im PASGAR-Score: Im Mittel erreichten in der Brüterei geschlüpfte Küken 9,89 Punkte, während im Stall geschlüpfte Tiere 9,84 Punkte erzielten (siehe Abbildung 1).
Allerdings war die Spannweite der Scores bei im Stall geschlüpften Küken größer als bei den in der Brüterei geschlüpften. Im Vergleich dazu fielen die Werte der Brüterei-Küken insgesamt einheitlicher aus.

Gewichtsentwicklung
Die Tiergewichte wurden am ersten und am siebten Lebenstag (jeweils 100 Tiere pro Durchgang) sowie am Schlachthof nach 56 bis 60 Masttagen erfasst.
Die im Stall geschlüpften Küken wogen am ersten Lebenstag im Mittel 48 g und damit mehr als die Küken aus der Brüterei, die durchschnittlich 44 g erreichten. Zum Zeitpunkt der Schlachtung lagen die im Stall geschlüpften Tiere mit durchschnittlich 2.670 g über den in der Brüterei geschlüpften, die im Mittel 2.520 g auf die Waage brachten.
Dabei ist zu beachten, dass die im Stall geschlüpften Tiere im Durchschnitt nach 58 Tagen geschlachtet wurden, während die Schlachtung der Brüterei-Küken nach 57 Tagen erfolgte.
Mortalität
Zur Beurteilung der Mortalität (%) bei im Stall und in der Brüterei geschlüpften Küken wurden die Werte nach sieben Lebenstagen sowie am Ende der Mast berechnet (siehe Tabelle 1).
Die 7-Tages-Verluste lagen bei im Stall geschlüpften Küken mit durchschnittlich 0,9 % geringfügig höher als bei den in der Brüterei geschlüpften Küken (0,6 %). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Schlupfrate im Stall sehr hoch war.
In der Gesamtmortalität zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den beiden Schlupfformen. Die Mittelwerte betrugen 1,9 % bei in der Brüterei geschlüpften Küken und 1,6 % beim Schlupf im Stall.

Tierverhalten
Um mögliche Einflüsse des Schlupfverfahrens auf das Verhalten der Tiere zu untersuchen, wurden zwei Verfahren zur Verhaltensbeurteilung eingesetzt: der Human Approach Test (HAT) und der Novel Object Test (NOT). Beide stammen aus dem Welfare Quality® Assessment Protocol for Poultry.
Die Tests dienen der Erfassung der Reaktionen der Tiere auf neue belebte und unbelebte Umweltreize. Dazu wird an Tag 1 und an Tag 7 gemessen, wie viele Tiere sich innerhalb einer festgelegten Zeitspanne dem Menschen oder dem Objekt nähern, und wie lange sie benötigen, um bestimmte Distanzen – 1 m, 25 cm oder Berührung des Menschen bzw. Objekts – zu unterschreiten.
Die Ergebnisse der Tests sind in den Tabellen 2 und 3 dargestellt. Insgesamt zeigte sich, dass sich mehr in der Brüterei geschlüpfte Küken dem Menschen und dem Objekt näherten als im Stall geschlüpfte. Nur bei den in der Brüterei geschlüpften Küken am ersten Lebenstag wurde überhaupt eine Berührung des Menschen beobachtet. Bei den im Stall geschlüpften Küken trat weder an Tag 1 noch an Tag 7 eine Berührung des Menschen auf.
Die in der Brüterei geschlüpften Tiere berührten das Objekt an beiden Testtagen jeweils schneller als die im Stall geschlüpften Küken.

Einsatz von Medikamenten
Im Laufe der insgesamt 14 Durchgänge sind weder bei in der Brüterei geschlüpften Küken noch bei den Küken, die im Stall geschlüpft sind, Krankheiten aufgetreten, die einer antibiotischen oder sonstigen Behandlung bedurften.

Fazit
Anhand der Praxisstudie ist festzuhalten, dass der Schlupf im Stall eine in der Praxis für Betriebe der Haltungsstufe 4 gut durchführbare Alternative zum Schlupf in der Brüterei ist. Weder wurden die Leistungen der Tiere negativ beeinflusst noch wurde der Einsatz von Medikamenten notwendig. Die Ergebnisse der Schlupfrate, des PASGAR-Scores und der Mortalitäten zeigen, dass auch die Qualität der Küken zwischen den beiden Schlupfformen vergleichbar ist.
In der Praxisstudie wurden Masthühner aus zwei Schlupfformen – Schlupf im Stall und Schlupf in der Brüterei – unter vergleichbaren Haltungsbedingungen untersucht. Die Kükenqualität unterschied sich laut PASGAR-Score nicht signifikant zwischen beiden Gruppen. Im Stall geschlüpfte Küken wiesen jedoch am ersten Lebenstag ein höheres Körpergewicht auf und erreichten auch am Ende der Mast etwas höhere Schlachtgewichte. Die Mortalität blieb insgesamt niedrig und zeigte keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Schlupfformen. In den Verhaltenstests (Human Approach Test und Novel Object Test) reagierten Brüterei-Küken neugieriger und näherten sich Mensch und Objekt häufiger. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass der Schlupf im Stall tiergesundheitliche Vorteile bieten kann, während Verhaltensunterschiede zugunsten der Brüterei-Küken bestehen.