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Jung- und Legehennen

Entscheidung über Leben und Tod

Wie sind die rechtlichen Vorgaben zum Nottöten? Wann und wie können Hennen in einem Genesungsabteil untergebracht werden? In der praktischen Umsetzung ist das oft gar nicht so einfach. Unsere drei Autorinnen beleuchten diese Fragen näher und geben Hilfestellungen für die Praxis.

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   Bei dieser Henne liegt die Entscheidung für eine Nottötung scheinbar auf der Hand. Das Tier ist stark abgemagert und nicht mehr in der Lage, Futter und Wasser aufzunehmen. In jedem Fall sollte beim weiteren Umgang mit diesem Tier mit Bedacht vorgegangen werden. Um dieses Foto aufzunehmen, wurde das Tier kurz auf dem  Boden vor dem Stall abgesetzt.
Bei dieser Henne liegt die Entscheidung für eine Nottötung scheinbar auf der Hand. Das Tier ist stark abgemagert und nicht mehr in der Lage, Futter und Wasser aufzunehmen. In jedem Fall sollte beim weiteren Umgang mit diesem Tier mit Bedacht vorgegangen werden. Um dieses Foto aufzunehmen, wurde das Tier kurz auf dem Boden vor dem Stall abgesetzt. Berendsen
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Kurz und bündig

Das Tierschutzgesetz (TSchG) und die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) sind die rechtlichen Grundlagen der Tierhaltung. Sie können die krankheitsbedingte Separierung eines Nutztieres aus der Herde sowie dessen Nottötung erforderlich machen.
Die Nottötung ist aber ein durchaus heikles Thema. Nicht jeder Tierbetreuer sieht sich emotional dazu in der Lage, ein ihm anvertrautes Tier zu töten oder möchte diese Entscheidung nicht allein treffen. Deshalb muss jeder Betrieb mindestens ein Separierungsabteil vorhalten, in das die kranken Hennen vorerst bzw. bis zu ihrer Genesung umgestallt werden können.


Nach dem Tierschutzgesetz (TSchG) hat jeder Tierhalter sowie -betreuer dafür zu sorgen, dass jedes Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend ernährt, gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht ist. Schmerzen, Leiden und Schäden dürfen einem Tier nicht ohne vernünftigen Grund zugefügt werden. Im Fall von kranken oder verletzten Nutztieren wird der Umgang in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) noch weiter konkretisiert. So sind, „soweit erforderlich, unverzüglich Maßnahmen für die Behandlung“ zu treffen. Zudem hat eine „Absonderung in geeignete Haltungseinrichtungen mit trockener und weicher Einstreu oder Unterlage“, ggf. auch „die Tötung kranker oder verletzter Tiere“, zu erfolgen. Sofern erforderlich, ist ein Tierarzt hinzuzuziehen.

Rechtliche Grundlagen

Muss ein Tier notgetötet werden, bildet hierzu die rechtliche Basis das Tierschutzgesetz (TSchG), die Verordnung (EG) 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung sowie die Tierschutz-Schlachtverordnung (TierSchlV). Grundsätzlich darf nach dem Tierschutzrecht ein Tier nur getötet werden, wenn ein vernünftiger Grund vorliegt. Rein wirtschaftliche Gründe scheiden hierbei aus. Vernünftige Gründe wären beispielsweise:

  • 1. Das Tier leidet über längere Zeit an erheblichen, nicht behebbaren Schmerzen.
  • 2. Das Tier leidet an einer schweren Krankheit ohne Aussicht auf Heilung.
  • 3. Von einem erkrankten Tier geht eine anders nicht behebbare Ansteckungsgefahr für den Tierbestand aus.

Nottöten: Notwendige Kenntnisse

Insbesondere müssen die Personen, die Tiere nottöten, tierschutzrelevante Kenntnisse und praktische Fertigkeiten zum Umgang mit dem Tier vor der Betäubung sowie zu den zulässigen Betäubungs- und Tötungsverfahren haben. Die praktischen Fertigkeiten sind sicherzustellen, z.  B. indem der Halter die von ihm zur Betreuung und Nottötung beauftragten Personen in die entsprechenden tierschutzrelevanten Kenntnisse und Fertigkeiten einweist und anleitet. Generell wäre die regelmäßige Teilnahme des Tierhalters an Fortbildungsveranstaltungen zum aktuellen rechtlichen Stand zulässiger Betäubungs- und Tötungsmethoden, zu der fachgerechten Durchführung sowie der Entscheidung, wann eine Tötung erforderlich ist, wünschenswert. Auch sollten möglichst alle Personen, die Nottötungen durchführen, an solchen Kursen teilnehmen.

Grundsätzlich dürfen Legehennen nur unter vorheriger Betäubung und nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden. In der Praxis hat sich bei Legehennen der Kopfschlag zur Betäubung mit anschließendem Genickbruch als rechtlich zulässiges Verfahren bewährt. Hierbei werden Rückenmark und Halsschlagadern durchtrennt. Ob der Tod des Tieres eingetreten ist, muss sorgfältig überprüft werden, z. B. indem der Augenreflex kontrolliert wird.

Entnahme aus der Herde

Welche Tiere sollten aus der Herde genommen werden?

  • Schwache, untergewichtige Tiere, die weder Futter noch Wasser aufnehmen;
  • Tiere mit blutenden oder größeren Verletzungen;
  • Tiere mit Kloakenvorfall;
  • Tiere mit starkem Ausfluss bzw. Durchfall;
  • Tiere, die sich nicht mehr normal fortbewegen (laufen, fliegen) können.

In § 2 des Tierschutzgesetzes heißt es, „dass Schmerzen, Leiden und Schäden“ zu vermeiden sind. Das Herausnehmen von Tieren ist demnach dann nötig, wenn hierdurch (weitere) Schmerzen, Leiden oder Schäden am einzelnen Tier vermieden werden können, und ist damit praktizierter Tierschutz.

Geschwächte Tiere werden häufig von gesunden, ranghohen Tieren vertrieben und können sich oft nur noch schwer in der Herde durchsetzen. Sie trauen sich dann meist nicht mehr an die Futter- und Wasservorrichtungen, womit eine Versorgung innerhalb der Herde nicht mehr hinreichend gewährleistet ist. Tiere mit Kloakenvorfall oder blutenden Verletzungen sind gefährdet, da sie häufig von anderen Hennen bepickt werden, was Schmerzen verursacht und nicht selten tödlich endet. Außerdem können sich die Verletzungen entzünden und Infektionen verursachen. Dies führt wiederum zu einer weiteren Schwächung. Auch kann sich im Fall von Kannibalismus das Geschehen weiter ausbreiten, da immer mehr Hennen lernen, andere blutige Tiere zu bepicken. Im Falle von Infektionen (v.  a. Kloakenausfluss und Durchfall) schützt man aber auch die Herde vor einer Verbreitung der Erreger.

Verletzte oder schwache Tiere finden

Kontrollgänge durch alle Bereiche des Stalles und des Auslaufs müssen mindestens zweimal am Tag stattfinden. Hierbei sollte besonders darauf geachtet werden, ob es Tiere gibt, die der oben angeführten Beschreibung entsprechen. Viele geschwächte oder bepickte Tiere verstecken sich in dunkleren Ecken oder in den Nestern. Andere suchen tagsüber die höheren Sitzstangen auf, da dieser Bereich dann durch die ranghohen Hennen weniger frequentiert ist. Fitte Tiere verlassen die Sitzstangen, um zu den Versorgungseinrichtungen oder in den Auslauf zu gelangen. Demnach sollte bei den täglichen Kontrollgängen besonderes Augenmerk auf den Bereichen liegen, wo sich die schwächeren Tiere aufhalten.

Um entscheiden zu können, ob eine Henne aus der Herde genommen, in ein Genesungsabteil gebracht oder notgetötet werden muss, muss sie zunächst gefangen und begutachtet werden. Bei Tieren, die sich nicht gut fortbewegen können oder zu schwach sind, ist das Einfangen in der Regel kein Problem. Bei Tieren, die von anderen Hennen bepickt werden, ist es oft nicht einfach, da sie nicht nur vor pickenden Artgenossen, sondern meistens auch vor dem Menschen flüchten. Ob das Einfangen gut gelingt, ist davon abhängig, wie gut die Herde insgesamt an den Menschen gewöhnt ist. Flüchten die Tiere vor dem Menschen, ist das Fangen und Beurteilen von Tieren ohnehin schwierig. Das trifft vor allem bei weißen Herkünften zu, die schon ab der Aufzucht viel mehr Kontakt zum Menschen benötigen, um nicht ängstlich zu reagieren. Aber auch die Übersichtlichkeit, die Zugriffsmöglichkeiten (Anlagenbreite) sowie die Gruppengröße und die Höhe der oberen Etage der Volierenanlage sind entscheidende Faktoren, die das Fangen von Tieren erschweren.

Nottöten oder genesen lassen?

Ist das Tier gefangen, muss entschieden werden, ob es in der Herde bleiben kann, ein „vernünftiger Grund“ zum Töten vorliegt oder das Tier ins Krankenabteil gebracht und nach einer angemessenen Genesungszeit wieder in die Gruppe zurückgesetzt werden kann. Hierbei sind die auf Seite 39 aufgeführten Gründe (1. bis 3.) zu prüfen. Auch wenn der Tierbetreuer ein verletztes oder krankes Tier von Schmerzen, Leiden und Schäden zu erlösen hat, kann es in der Praxis nicht immer „sobald als möglich“ notgetötet werden. Nicht jeder Tierbetreuer will und kann dies allein entscheiden bzw. ist in der Lage, das Tier zu töten. Oftmals möchte sich der Tierbetreuer mit dem Tierhalter oder dem Verantwortlichen für den Stall abstimmen oder tierärztlichen Rat einholen, um zu entscheiden, ob die geplante Nottötung tierschutzfachlich gerechtfertigt ist.

Die meisten Menschen fühlen mit anderen Lebewesen in Not oder Krankheit mit. Gerade diese Menschen sind oft sehr gute Tierbetreuer und in der Lage, kleine Veränderungen und Probleme in der Herde wahrzunehmen. Wenn es aber um die Entscheidung geht, ein leidendes Tier notzutöten, das keine Aussicht auf Genesung hat, kann es vorkommen, dass der Tierbetreuer sich emotional nicht dazu in der Lage sieht, das Betäuben und Töten durchzuführen. Ist die Hemmschwelle für eine Nottötung sehr hoch, können dabei auch leichter Fehler passieren (z. B. ein zu schwach ausgeführter Betäubungsschlag). In diesen Fällen muss das leidende oder im Sterben liegende Tier sofort aus der Herde entnommen werden. Hierfür muss ein ruhiger, eingestreuter Bereich vorhanden sein, wo die Tiere möglichst kurz, bis zum Eintreffen einer sachkundigen Person oder des Tierarztes, verwahrt werden können (Abb. 3 und 4). Ist das nicht möglich, kann es dazu führen, dass solche Tiere vom Betreuer im Bestand belassen werden, um das Nottöten zu umgehen.

Genesung im separaten Stallabteil

Wenn Genesungsaussichten bestehen, muss das Tier unverzüglich in ein Genesungsabteil gebracht werden. Dieses sollte vor allem für geschwächte und für solche Tiere vorgehalten werden, die blutige Verletzungen haben (Rangordnungsauseinandersetzungen oder Kannibalismus). Auch Hennen, die eine Umgebung ohne sozialen Stress durch Artgenossen benötigen, weil z. B. eine Beinverletzung ausheilen muss, sind in ein Genesungsabteil zu verbringen. Nach Bedarf sind bei den Tieren im Genesungsabteil Maßnahmen wie z. B. die direkte Gabe von Wasser und ggf. Futter sowie die Wundversorgung mit abdeckenden, wundheilungsfördernden Sprays (z. B. Zinksprays) nötig.

Bei Planung, Bau und Gestaltung eines Genesungsabteils sind einige grundlegende Dinge zu beachten. So sind für eine tiergerechte Unterbringung neben der Sicherstellung der Versorgung mit Futter und Wasser ein eingestreuter Bereich zum Picken und Scharren, ein Nest zur Eiablage sowie Sitzstangen zum erhöhten Ruhen anzubieten (gemäß TierSchNutztV).

Unabhängig von der Bestandsgröße ist es für jeden Geflügelhalter ratsam, mindestens ein Genesungsabteil (oder auch einen Genesungsstall) vorzuhalten – besser wären zwei oder mehr. Wenn im Genesungsstall verletzte auf fittere Tiere treffen, ist die Gefahr hoch, dass die schwächeren Tiere nicht störungsfrei gesunden können. Trotzdem sollten kranke Hühner mit Aussicht auf Genesung niemals allein gehalten werden. Hierbei ist auch darauf zu achten, ob verletzte Tiere von Artgenossen bepickt werden. Ist dies der Fall, muss das pickende oder das verletzte Tier mit Sichtkontakt zu den anderen Tieren separiert werden. Mehrere separate Abteile haben zudem den Vorteil, dass brütige Hennen für vier bis sieben Tage ohne Nest und Eier separat aufgestallt werden können, damit sie die Legeaktivität wieder aufnehmen. Zwar stören die brütigen Hennen die kranken oder verletzten Tiere nicht, aber damit wird sichergestellt, dass keine Eier vorhanden sind, auf die sie sich setzen könnten. Zudem kann der Wiedereintritt des Legens kontrolliert werden.

Nach Möglichkeit sollte sich ein Genesungsabteil im Stall mit Sichtkontakt zu der Herde befinden. In der Regel ist die Integration der Tiere in die Herde dann einfacher. Hierzu kann ein abgetrennter Volierenbereich dienen, wenn z. B. durch Einlage von Pappe ein eingestreuter Bereich gestaltet wird. Legehennen brauchen ein Nest zur Eiablage. Ein Vorteil ist, dass hier das Lichtprogramm wie gewohnt automatisch weitergeführt wird sowie Futter und Wasser vorhanden sind. Darüber hinaus eignen sich, abhängig von den betriebseigenen Strukturen, Abtrennungen im Stall oder Wintergarten, ältere Ställe, Pferdeboxen oder auch Bauwagen zur vorübergehenden Separation von Tieren.

Eine gute Hygiene ist sehr wichtig, ebenso wie eine regelmäßige Reinigung bzw. Austausch der Einstreu, täglich frisches Futter und Wasser, eine staubarme Umgebung und eine für das Tier optimale Umgebungstemperatur ohne Zugluft. Zudem muss die Durchführung von Gesundheitsmaßnahmen in der gesamten Herde wie Impfungen, Entwurmung und Vitamingaben auch im Genesungsabteil möglich sein. Möglichst kurze Wege zwischen dem Genesungsabteil und den Produktionsställen vereinfachen das Verbringen und Integrieren der Tiere.

Wiedereingliederung in die Herde

Bei großen Gruppen (>80 Tiere) ist das Integrieren von wieder genesenen Tieren in die Herde in der Regel kein Problem. Beim Zurücksetzen sollte darauf geachtet werden, dass die Tiere in den Stall gesetzt werden und nicht in den Wintergarten oder den Auslauf. Sie sind oft eher rangniedrig und werden von Artgenossen direkt als solche erkannt. Zur Klärung der Rangordnung werden diese oft gejagt oder erhalten Pickschläge gegen den Kopf. Beim Zurücksetzen in den Stall können rangniedrige Tiere besser ausweichen, und kommen einfacher an Futter und Wasser. Bei kleinen Herden sollte eine Integration unter Aufsicht erfolgen, damit ggf. eingegriffen werden kann, falls es durch Rangordnungsauseinandersetzungen erneut zu Verletzungen kommt.

Fazit: Auf die Herausforderung vorbereitet sein

Der Umgang mit kranken und verletzten Tieren stellt eine besondere Herausforderung für Legehennenhalter und -betreuer dar. Neben der Aufgabe, das kranke oder verletzte Tier erst einmal aus der Herde zu fangen, um es begutachten zu können, muss dann entschieden werden, wie mit diesem Tier weiter verfahren wird. Für die Absonderung überlebensfähiger Hennen ist ein Genesungsabteil vorzuhalten, das den arteigenen Bedürfnissen der Tiere gerecht wird, aber auch hygienische Anforderungen erfüllt. Hier können Hennen bis zur Genesung gehalten und nach Bedarf behandelt werden. Muss ein Tier notgetötet werden, sind tierschutzrelevante Kenntnisse und praktische Fertigkeiten der durchzuführenden Person sicherzustellen. Grundsätzlich dürfen Legehennen nur unter vorheriger Betäubung und nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden.

Regelmäßige Fortbildungen zum Umgang mit kranken und verletzten Tieren mit Entscheidungshilfen einzuleitender Maßnahmen sowie der fachgerechten Durchführung einer Nottötung mit aktuellem rechtlichen Stand zulässiger Betäubungs- und Tötungsmethoden sollten für alle beteiligten Personen angeboten und entsprechend regelmäßig genutzt werden.