
Bundesverwaltungsgericht: Teilerfog für Umweltschützer
Im Rechtsstreit um die immissionsschutzrechtliche Genehmigung einer Schweinemast- und Biogasanlage hat das Bundesverwaltungsgericht sowohl die Revision des Betreibers als auch die vom klagenden BUND Sachsen-Anhalt zurückgewiesen.
von Agra Europe erschienen am 19.09.2025In einem jahrelangen Rechtsstreit um die Genehmigung einer Schweinemast- und Biogasanlage in Sachsen-Anhalt hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) nun Fakten geschaffen. Die Rechtmäßigkeit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beurteile sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses, entschied das oberste Verwaltungsgericht in der vergangenen Woche in Leipzig. Wenn die dafür maßgebenden Tatsachen aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse nach der Genehmigungserteilung zu Lasten des Betreffenden anders bewertet würden, sei dies „eine nachträgliche Änderung der Sachlage, die die Rechtmäßigkeit der erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht berührt“, stellte das BVerwG klar.
Hintergrund war eine Klage vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Sachsen-Anhalt. Die Umweltvereinigung wollte die mit Bescheid vom 10. August 2009 erteilte Genehmigung für eine Schweinemast- und Biogasanlage mit über 20.000 Tieren im Landkreis Wittenberg aufgrund der aus Sicht des BUND zu hohen anlagebedingten Stickstoffemissionen gerichtlich anfechten. Während des Rechtsstreits war derweil die besagte Anlage errichtet worden und 2015 in Betrieb gegangen.
Neue Fakten für Umweltprüfung erst nach Genehmigungserteilung
In einem Gerichtsverfahren über drei Instanzen musste zunächst die Zulässigkeit der Klage des BUND geklärt werden. Nachdem sich die Rechtslage aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) änderte, hat das BVerwG im Jahr 2016 die Klage für zulässig befunden. Daraufhin befasste sich zunächst das Verwaltungsgericht in Halle und anschließend auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Magdeburg mit dem Fall. Beide haben den Genehmigungsbescheid für „rechtswidrig und nicht vollziehbar“ erklärt, die Genehmigung aber nicht aufgehoben. Basis für diese Entscheidungen waren Fehler in der durchgeführten Verträglichkeitsprüfung im Rahmen der europäischen Fauna-Flora-Habitat-(FFH)-Richtlinie und in der ihr zugrunde liegenden Immissionsprognose in Bezug auf die Beurteilung der Schädlichkeit der von der Anlage ausgehenden Stickstoffemissionen. Auch die Prüfung der Einhaltung der Vorschriften des Biotopschutzes hat laut dem Gericht Fehler aufgewiesen. Diese traten jedoch erst durch neue fachliche Erkenntnisse auf, die nach der Genehmigungserteilung gewonnen worden waren.
Sowohl der Kläger als auch der Anlagenbetreiber haben sich daraufhin an das BVerwG gewandt. Der Betreiber wollte mit einer Revision das Urteil des OVG und der BUND in einer Anschlussrevision die Genehmigung der Anlage endgültig aufgehoben sehen. Beide Anliegen wies das BVerwG nun zurück. Damit ist das vorinstanzliche Urteil des OVG gültig.
Kein Stopp der Anlage, aber Prüfung der ursprünglichen Genehmigung möglich
Das Bundesverwaltungsgericht hat also weder die vorinstanzlichen Urteile noch die Genehmigung aufgehoben. Denn es sei nicht ausgeschlossen, dass die Fehler in einem „ergänzenden behördlichen Verfahren“ behoben werden könnten, heißt es zur Begründung aus Leipzig.
Die Umweltschützer haben demnach keinen Stopp des Betriebs erwirkt. Dennoch haben sie einen Teilerfolg erzielt, da die Genehmigung nach wie vor rechtswidrig ist. Der Anlagenbetreiber muss sich nun einem Verfahren durch die zuständige Genehmigungsbehörde stellen, da die neuen Erkenntnisse Anlass für eine Überprüfung der ursprünglichen Genehmigung geben. Denn die Behörde kann, wie das BVerwG betonte, nach den Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes nachträgliche Anordnungen oder andere Maßnahmen bis hin zum Widerruf der Genehmigung aussprechen und „auf diese Weise den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung tragen“. Der BUND Sachsen-Anhalt hat direkt im Anschluss an die Verhandlung das zuständige Landesverwaltungsamt aufgefordert, den Weiterbetrieb der Anlage zu unterbinden.