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Zukunftsdialog Agrar & Ernährung

Gibt es in 20 Jahren keine Massentierhaltung mehr?

Und falls es dazu kommt - was passiert dann mit den Landwirten? Diese Frage stellte Philosoph und Autor Richard David Precht auf dem vierten Zukunftsdialog Agrar & Ernährung Ende Mai 2017 in Berlin.

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Der von der agrarzeitung und der Wochenzeitung Die Zeit veranstaltete Zukunftsdialog stand unter dem Motto „Agrar- und Ernährungswirtschaft im postfaktischen Zeitalter.“ In sieben Gesprächsgruppen wurde über die Agrarpolitik, die gesellschaftlichen Erwartungen an die Landwirtschaft, die Rolle der Ernährung in der Wohlstandsgesellschaft, die Rolle der Medien in der Berichterstattung, die Zukunft des Weizenanbaus sowie das Verhältnis zwischen Mensch und Tier diskutiert.

Konsumentenverhalten aus philosophischer Sicht

Die vierte Gesprächsdebatte beleuchtete das Verhältnis zwischen Mensch und Tier und ging der Frage nach, ob der Konsument tatsächlich entscheiden kann. Der Philosoph und Publizist Richard David Precht verdeutlichte, dass der Konsument zwar keine Massentierhaltung wolle, sich aber an der Theke für das preiswerte Produkt entscheide. Diese Situation zeigt nach Ansicht des Philosophen das Dilemma: „Der Markt regelt nicht die Ethik! Demnach ist auch die Vorstellung vom mündigen Konsumenten ein Fake.“ Denn dieser kaufe nach dem Prinzip der ökonomischen Vernunft ein, die im Wettstreit mit der Moral stehe. Bei Kaufentscheidungen siege meist die ökonomische Vernunft. Dies zeige, dass beides nicht zusammenpasse, verdeutlichte der Philosoph.

Precht geht davon aus, dass es bereits in 20 Jahren keine Massentierhaltung mehr geben werde. Schließlich gebe es erste Versuche der In-vitro- Fleisch­erzeugung. Diese sei zwar noch sehr teuer, es sei aber nur eine Frage der Zeit, bis In-vitro-Fleisch preiswerter erzeugt werden könne als tierisches Fleisch, so die drastische Meinung von Precht. Dadurch werde sich In-vitro-Fleisch am Markt langfristig über den Preis und über die Ethik durchsetzen.

Was wird dann aus den Landwirten?

Und was wird dann aus den Landwirten – vor allem, wenn Deutschland bei diesem Thema bislang nicht mitredet? Diese Frage stellte Precht. Hähnchenmäster Stefan Teepker warf daraufhin die Frage auf, ob Landwirte bei künftigen Bauvorhaben dann eher überlegen sollten, wie sie darin Maschinen für eine künstliche Fleischerzeugung aufstellen könnten anstatt Tiere zu halten. Teepker sah in der künstlichen Fleischerzeugung noch weitere Chancen für die Landwirte: Auch die Grundstoffe für In-vitro-Fleisch müssten schließlich erzeugt werden. Das könne die Landwirtschaft künftig gut übernehmen. Der Emsländer ist überzeugt, dass junge Landwirte diesen Herausforderungen begegnen werden, weil sie eher für Veränderungen bereit seien.

Auf die Frage, was die theologische Position zum Fleischessen sei, distanzierte sich Kai Funkschmidt zur sehr philosophischen Haltung von Precht und stellte sich auch gegen die Position veganer Christen, die generell gegen eine Haltung von Nutztieren sind.  
Auch in Prechts Vorstellungen einer künftigen Landwirtschaft gibt es Tiere – zum einen für die Landschaftspflege. Zum anderen würden Haustiere weiterhin gehalten, es werde Urlaub auf dem Bauernhof mit Tieren geben usw. Er wünsche sich daher neue Geschäftsmodelle, die einen „abnehmenden Grenznutzen der aktuellen Tierhaltung“ vorsehen würden. Die Voraussetzungen dafür solle die Politik durch „Starterpakete“ schaffen, schlug der Philosoph vor.

Stefan Teepker gab zu bedenken, dass in vielen Diskussionen ein Zielkonflikt zwischen Ökonomie, Ökologie sowie der Aufgabe der Landwirtschaft bestehe, weltweit die Ernährung abzu­sichern. Umso wichtiger sei es, dass mehr Landwirte in den Dialog mit der Gesellschaft treten. Und um Entscheidungen treffen zukönnen, müsse man die Wissenschaft einbeziehen und überlegen, was Forschung und Entwicklung Gutes bringen können.