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Geflügelfleisch im Fokus

Wer mehr Tierwohl will, muss es bezahlen

Geflügel Made in Germany – dieses Thema wurde in einer Podiumsdiskussion am 4. November 2025 in Berlin aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet.

von Anke Redantz erschienen am 05.11.2025
Geflügelfleisch erfreut sich steigender Beliebtheit. Über die Voraussetzungen zur Produktion und die Hintergründe dieses Trends diskutierten am 4. November 2025 in Berlin Gäste aus Praxis, Politik und Wissenschaft. © Yvonne Nemitz
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Den Anfang der Podiumsdiskussion zum Thema „Geflügel Made in Germany“ am 4. November in Berlin, zu dem der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) und das Fachmedium Top agrar eingeladen hatten, machten zwei aktive Geflügelhalter: Sabine Asum, Putenhalterin aus Bayern, und Philipp Beckhove, Hähnchenmäster aus Nordrhein-Westfalen. Beide führen Familienbetriebe und haben neben der Geflügelhaltung weitere Betriebszweige, um eine möglichst breite Basis zu schaffen. Asum betont den Spaß und die Freude an ihrer Arbeit – besonders in Zusammenarbeit mit ihrem Team und der Familie.

Geflügelhalter: Engagement für Tiere, Druck von außen

Dennoch kritisiert sie immer neue Forderungen hinsichtlich der Rahmenbedingungen. Und sie beklagt, dass der Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen ausbleibt und sie sich vielmehr Vorwürfen ausgesetzt sehe. Dieser Druck stehe ihrem dauerhaften und permanenten Einsatz und ihrer Verantwortung für die Tiere und ihrem Stolz auf ihren Beitrag zur Ernährungssicherung, gegenüber. Die fehlende Dialogbereitschaft zeigte sich auch während dieser Veranstaltung, als Aktivisten mit Spruchbannern die Bühne betraten, jedoch nicht auf Gesprächseinladungen durch die Moderatoren eingingen.

Beckhove sieht die Hähnchenmast in Deutschland gut aufgestellt, wenngleich auch er die hohen Anforderungen im europaweiten Vergleich sieht, mit denen die deutsche Geflügelhaltung etwa hinsichtlich geringerer Besatzdichten oder des Beschäftigungsmaterials konfrontiert ist. Die Geflügelwirtschaft in Deutschland biete aber auch Chancen und sei etwa bezüglich des vor- und nachgelagerten Bereiches gut aufgestellt. Ein besonders wichtiger Aspekt ist für ihn die Ausbildung junger Menschen.

Einig sind sich alle Redner hinsichtlich eines Appells an Verbraucher: Wer mehr Tierwohl will, muss es bezahlen.

Politik: Guter Weg mit Luft nach oben

Im Eröffnungsstatement hob ZDG-Geschäftsführer Wolfgang Schleicher hervor, dass die deutsche Geflügelwirtschaft bereit steht, Verantwortung zu übernehmen – Verantwortung für Lebensmittelsicherheit, Nachhaltigkeit und eine wirtschaftlich tragfähige Tierhaltung. Denn Geflügel ist heute die effizienteste Form der tierischen Eiweißproduktion. Er fordert politische Unterstützung, etwa bei der Herkunftskennzeichnung sowie Vereinfachungen im Bau- und Immissionsschutzrecht ein.

Silvia Breher, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Heimat, sieht die Bundesregierung auf einem guten Weg, was den Bürokratieabbau und die Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft betrifft. Die Forderung nach einem Bürokratieabbau klinge zwar einfach, bedürfe aber vieler kleiner Stellschrauben. Trotz der bereits erfolgten Umsetzungen bleibe auf ihrer To-do-Liste noch einiges zu tun.

Wunder dauern etwas länger, merkt ZDG-Präsident Hans-Peter Goldnick mit einem Augenzwinkern an. Nach seiner Einschätzung befinde sich die Arbeit der Bundesregierung auf einen guten Weg – allerdings noch mit Luft nach oben. Positiv hebt er den hervorragenden Dialog hervor und den Eindruck, für die Belange der Geflügelwirtschaft Gehör zu finden. Er fordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, um auch in Zukunft die Nachfrage bedienen zu können, etwa, indem das Bau- und Immissionsrecht praktikabel gestaltet wird. Der hohe Kostendruck, der auf der Geflügelwirtschaft laste, könnte dazu führen, dass die Produktion ins Ausland abwandere.

Derzeit werden rund 90 % über die Haltungsform 2 abgedeckt. Goldnick erinnert daran, dass sich diese Stufe bereits auf einem hohen Level befinde und über den gesetzlichen Standards liege. Bedarf an Geflügelfleisch aus den Haltungsformen 3 und 4 bestehe dennoch. Der ZDG-Präsident fordert, auf den Markt zu hören – denn die Abstimmung über das, was Verbraucher wünschen, finde täglich an den Kassen der Supermärkte statt. Was letztlich zählt, ist nach seinen Worten die Freiheit des Verbrauchers.

Zur staatlichen Tierhaltungskennzeichnung kündigt Breher an, dass diese am 1. März 2026 für Schweine in Kraft trete. Wenn das System funktioniert, sei eine Ausweitung auf andere Tierarten denkbar. Ihre Forderung: Ausländische Ware muss einbezogen werden und es muss die Möglichkeit des Downgradings bestehen.

Da die Nachfrage nach Produkten mit der Haltungsstufe 3 die Produktion übersteigt, fordert die Branche Erleichterungen für den Umbau von Ställen, um diese Nachfrage decken zu können. Wenn Betriebe ihre Ställe so umbauen wollen, dass sie mehr Tierwohl gewähren, dann müssen entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden. Ein Problem dabei sieht Breher im Baugesetzbuch, für das ein anderes Ressort zuständig ist. Ein entsprechender Entwurf wurde in Brehers Ministerium erarbeitet und an das verantwortliche Ressort weitergeleitet. Andere Rahmenbedingungen, insbesondere die TA-Luft, müssen in diesem Zusammenhang gelöst werden.

Geflügelfleisch: (Fast) ein Alleskönner

Über die Hintergründe zur Nachfrage nach Geflügelfleisch diskutierten Hanni Rützler, Ernährungswissenschaftlerin und Foodtrendforscherin aus Österreich, und Dr. Malte Rubach, Ernährungswissenschaftler und Sachbuchautor. Rützler führt aus, dass Geflügel traditionell weniger als Fleisch wahrgenommen werde, was sie unter anderem darauf zurückführt, dass es sich bei Geflügel nicht um Säugetiere handelt. Das Image von Geflügelfleisch gilt als gesund, alltagstauglich und bietet viele Verarbeitungsmöglichkeiten. Und: Geflügelfleisch gilt in allen Kulturkreisen als unproblematisch.

Auch Dr. Rubach bestätigt, das Geflügelfleisch anders wahrgenommen wird als andere Fleischsorten. Geflügel gilt als variabel und gesund und versorgt die Bevölkerung unter anderem mit hochwertigem Protein und Mikronährstoffen. Das Image von Geflügelfleisch ist hierzulande besser als das von Rind. Er wies darauf hin, dass lediglich etwa ein Prozent der Bevölkerung vegan leben würde. Die Wende zu einer nachhaltigen Proteinversorgung nur mit Hülsenfrüchten könne in Deutschland nicht erfolgen.

Absatz: Keine Zeit für Stallbaublockaden

Über den Absatz von Geflügelfleisch sprachen schließlich Daniel Neusser, bei McDonalds für Nachhaltigkeit zuständig, und Dr. Ingo Stryck, Geschäftsführer Marketing bei der PHW-Gruppe. Stryck führt die Stärke des Geflügelfleisches unter anderem auf die weltweit höchsten Standards in der Produktion, die gute Hygiene sowie kurze Transportwege zurück.

Bei McDonalds steigt die Anzahl der Hähnchenfleischprodukte. Täglich werden 68 t Hühnerfleisch verbraucht, wovon rund 36 % aus Deutschland stammen. Auch wenn der Kern des Geschäfts weiterhin auf Rind liegt, gebe es mittlerweile Märkte, auf denen Geflügelfleisch das Rindfleisch ablöst, was Neusser unter anderem auf den Preis zurückführt. Tierwohl spiele in der Diskussion eine Rolle, weshalb McDonalds ein eigenes Chicken-Welfare-Programm eingeführt hat und außerdem Antibiotika-Monitoring betreibt.

Stryck sieht es für die Landwirte ebenfalls als schwierig an, die Forderungen nach Haltungsform 3 und 4 zu erfüllen. Um das Versorgungsniveau insgesamt zu halten, sei es nach seiner Einschätzung notwendig, mehr Ställe zu bauen. Noch sind die Regale im Lebensmitteleinzelhandel nicht leer, aber es bestehe angesichts der langfristigen Perspektiven für Geflügelfleisch keine Zeit mehr, den Stallbau zu blockieren. Zu Spitzenzeiten – etwa in der Grillsaison – sei es bereits jetzt herausfordernd, die Nachfrage zu bedienen. Nach seiner Beobachtung besteht die Entwicklung in Richtung Haltungsform 3. Aber: Wenn die Preise steigen, überlegen Verbraucher zunehmend, zu welchem Produkt sie greifen. In Untersuchungen hat sich gezeigt: die Kriterien der Verbraucher liegen bei Fleischfarbe, Mindesthaltbarkeitsdatum und beim Preis. Auch Stryck prognostiziert: Der Markt wird entscheiden, welche Haltungsform sich durchsetzt.