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Interview mit Dr. Klaas Dietze, FLI

Zoonosen und Klimawandel: Gefahr im Stall?

Zwischen Tier und Mensch übertragbare Infektionskrankheiten, so genannte Zoonosen, haben in den letzten Jahren weltweit an Bedeutung gewonnen. Im Interview erklärt Dr. Klaas Dietze vom Friedrich-Loeffler-Institut, wie der Klimawandel dazu beiträgt.

von Bundesinformationszentrum Landwirtschaft erschienen am 11.02.2025
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Influenzaviren stehen weltweit als Zoonoseviren im Blickpunkt der Forschung.
Influenzaviren stehen weltweit als Zoonoseviren im Blickpunkt der Forschung. © Muhtadi/shutterstock.com
Zur Person
Dr. Klaas Dietze
Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), Institut für Internationale Tierseuchen
Seit Corona kennen viele den Begriff Zoonose. Doch was bedeutet Zoonose genau? Dr. Klaas Dietze: Wir kennen viele Krankheitserreger, die zwischen unterschiedlichen Wirbeltierarten übertragen werden können. Unter Zoonosen verstehen wir die, bei der eines der Wirbeltiere der Mensch ist. Wir Menschen sehen das oft etwas egoistisch, dass wir uns anstecken könnten, aber der Weg geht auch andersherum, auch wir können Tiere anstecken. Ein Beispiel ist SARS-CoV-2. Das Coronavirus, das Anfang 2020 die COVID-19 Pandemie verursacht hat, infiziert auch Katzen, die sich beim Menschen angesteckt haben.  Genau wissen wir ja immer noch nicht, woher das Virus kommt, aber wir gehen davon aus, dass es aus dem Tierreich stammt und in Asien auf den Menschen übergesprungen ist. Später wurden auch Nerzfarmen durch Kontakt mit Menschen infiziert. Die Übertragungswege bei Zoonosen sind äußerst vielfältig, direkt vom infizierten Tier auf den Menschen oder umgekehrt, aber auch indirekt durch Vektoren wie Stechmücken, die Erreger von A nach B tragen. Wir Menschen halten gerne Tiere, essen sie oder nutzen ihre Eier und Milch. Doch all diese Produkte können mit Krankheitserregern behaftet sein. Tuberkulose-Erreger in der Rohmilch sind ein Beispiel dafür. In Deutschland ist dies selten, da die Rindertuberkulose erfolgreich staatlich bekämpft wird und wir wenig Rohmilch konsumieren. Aber in anderen Ländern sieht das ganz anders aus. Hat der Klimawandel tatsächlich einen Einfluss auf die Zunahme von Zoonosen? Dietze: Diese Frage lässt sich nicht leicht beantworten. Wenn man das global betrachtet, ergibt sich ein anderes Bild als hierzulande. Der Klimawandel stört die Gleichgewichte in den Ökosystemen. Veränderungen gab es immer, doch die Intensität der Extremwetterereignisse nimmt zu. Starkregen, Dürre, große Hitze und Kälteeinbrüche häufen sich. In Deutschland ändern sich also die Verhältnisse. Wärmere Winter schaffen für bestimmte Erreger und Vektoren ein günstiges Klima. Anders als früher überwintern die Vektoren nun erfolgreich. Wir haben in der EU einen sehr hohen Tiergesundheitsstatus, deshalb ist das Auftreten von neuen Erregern und Vektoren eine Gefahr, der wir uns gemeinschaftlich stellen müssen. Nach vielen Jahrzehnten erfolgreicher europäischer Tierseuchenbekämpfung haben wir einst weit verbreitete Krankheiten aus unseren Schweinebeständen nahezu verbannt. Die Brucellose oder die Trichinellose beispielsweise spielen kaum noch eine Rolle. Wir stehen vor neuen Herausforderungen durch neue Erreger, während andere Länder bereits länger mit diesen Problemen kämpfen. Möglicherweise profitieren sie sogar davon, dass ihre Erreger nun auch bei uns eine Rolle spielen. Dadurch erhalten die Krankheiten mehr Aufmerksamkeit und es wird intensiver an deren Bekämpfung geforscht. Die Erreger und Vektoren verschieben und verteilen sich anders durch den Klimawandel. Einige Regionen werden trockener, wodurch bestimmte Vektoren dort nicht mehr überleben können, während sie bei uns plötzlich auftreten. Vektoren sind wichtig, denn wenn der geeignete Vektor einmal vorhanden ist, kann der Erreger folgen. Ohne Vektor ist dies nicht möglich. Auch die Globalisierung dürfen wir in der Gleichung nicht außen vor lassen. Sie bringt Menschen, Tiere, deren Produkte und das breite Spektrum an Erregern näher zusammen. Sie merken, es gibt keine einfache Antwort auf diese komplexe Situation, aber wir müssen uns der Gefahr bewusst sein.
„Nun ist klar, dass auch die hier kursierenden Geflügelinfluenza-stämme Kühe über das Euter infizieren können.“ Dr. Klaas Dietze, FLI
Welche Erreger hat man schon jetzt im Blick, die zukünftig zur Bedrohung werden könnten? Dietze: Auf jeden Fall die bereits genannte Influenza. Aktuell zeigt sich in den USA, dass Geflügelinfluenzaviren Kühe über das Euter infizieren können. Früher hieß es immer, Kühe infizieren sich nicht, aber man hat dabei nur an den klassischen Infektionsweg über die Atemwege gedacht, um das zu testen. Auch wir am FLI haben mit dem Isolat aus den USA diese Tests gemacht und festgestellt, dass über die Atemwege keine Infektion erfolgt. Doch als die Infektion ins Euter gesetzt wurde, konnte sich das Virus replizieren. Nun ist klar, dass auch die hier kursierenden Geflügelinfluenzastämme Kühe über das Euter infizieren können. Dieser Weg ist untypisch, es ist kein klassischer Infektionsweg, doch wenn das Virus im Euter ist, wird es sehr aktiv mit hoher Viruslast und überträgt sich beim Melken auf andere Kühe. Darüber hinaus haben wir die so genannte stille Pandemie in Form von resistenten Keimen wie MRSA im Blick. Die Schweinehaltung ist weltweit ein antibiotikaintensives Geschäft, deshalb steht die Bekämpfung der Antibiotikaresistenzen ganz weit oben auf unserer Agenda, global wie national. Weitere Viren stehen derzeit vielleicht nicht unmittelbar vor der Tür, aber die bereits erwähnten Viren wie das Japan Enzephalitis Virus sowie das sich verändernde Spektrum der vorkommenden Vektoren sollten wir schon im Auge behalten. Welche Ansätze gibt es, die Gefahr durch Zoonosen möglichst gering zu halten sowohl von staatlicher Seite als auch seitens der Tierhalter? Dietze: Unsere Behörden verfügen über effektive Früherkennungssysteme für Tierseuchen. Es gibt eine Meldepflicht und regelmäßige Übungen zur Bekämpfung. Auch die Lebensmittelüberwachung in Deutschland funktioniert sehr gut. Wenn ich hier als Verbraucherin oder Verbraucher in ein Geschäft gehe und eine Wurst kaufe, ist das in der Regel unbedenklich. Das ist bei einem Mettbrötchen in Südostasien anders. Aktuell sind wir gut aufgestellt, doch es gibt immer Raum für Verbesserungen. Wir alle sollten unsere Kommunikationswege zwischen Veterinärämtern, weiteren Behörden und der Landwirtschaft optimieren. Kranke tierhaltende Personen, vor allem mit Symptomen einer Atemwegserkrankung, sollten beispielsweise nicht zu ihren Schweinen gehen. Wer in schweinehaltenden Betrieben arbeitet, sollte sich gegen Influenza impfen lassen. Wir müssen humane Influenzaviren aus Schweineställen fernhalten, denn bei Zoonosen gilt es, in beide Richtungen zu denken. Salmonellen werden ja auch teilweise von Menschen in die Betriebe gebracht. Jeder, der ein Tier hält, hat eine Verantwortung, das Bewusstsein ist wichtig. Der Mensch spielt die Schlüsselrolle und muss sein Verhalten anpassen. Auch die neue Tiergesundheitsgesetzgebung der EU betont stark die Eigenverantwortung der Tierhaltenden.

Warum spielen Schweine eine besondere Rolle bei Zoonosen? Was sind Vektoren? Welche Bevölkerungsgruppen sind am stärksten durch Zoonosen betroffen und wie könnte der Schutz aussehen? Das ausführliche Interview finden Sie auf nutztierhaltung.de .

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