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Podiumsdiskussion zur NRW-Landtagswahl 2022

Politiker dürfen nicht zu "Import-Beschleunigern" werden

Auf einer Podiumsdiskussion mit den agrarpolitischen Sprechern der vier Landtagsfraktionen CDU, SPD Bündnis90/ Die Grünen und FDP am 1. September 2022 wurde deutlich, dass die agrarwirtschaftliche Region Niedersachsen begleitet werden müsse – und dies nicht nur über das Ordnungsrecht.

Veröffentlicht am
V. l.: Karin Logemann, SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Dr. Marco Mohrmann, CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Prof. Dr. Verena Pietzner, Präsidentin der Universität Vechta, Sven Guericke, Vorsitzender des Agrar- und Ernährungsforums Oldenburger Münsterland, Matthias Schulze Steinmann, Chefredakteur der top agrar, Staatssekretär a. D. Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft u. Vorsitzender des NGW-Landesverbandes, Dr. Tanja Meyer, Bündnis 90/Die Grünen - Fraktionsvorsitzende im Kreistag Vechta und Landtagskandidatin, Dieter Oltmann, Geschäftsführer der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft e.V. (NGW), Kammerdirektor a. D. Hans-Joachim Harms, LWK Niedersachsen, Hermann Grupe, FDP- Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Dr. Barbara Grabkowsky, Leitung Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachse.
V. l.: Karin Logemann, SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Dr. Marco Mohrmann, CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Prof. Dr. Verena Pietzner, Präsidentin der Universität Vechta, Sven Guericke, Vorsitzender des Agrar- und Ernährungsforums Oldenburger Münsterland, Matthias Schulze Steinmann, Chefredakteur der top agrar, Staatssekretär a. D. Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft u. Vorsitzender des NGW-Landesverbandes, Dr. Tanja Meyer, Bündnis 90/Die Grünen - Fraktionsvorsitzende im Kreistag Vechta und Landtagskandidatin, Dieter Oltmann, Geschäftsführer der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft e.V. (NGW), Kammerdirektor a. D. Hans-Joachim Harms, LWK Niedersachsen, Hermann Grupe, FDP- Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Dr. Barbara Grabkowsky, Leitung Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachse.Universität Vechta
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So gelte es, einen Mittelweg zwischen Anreizen und Gesetzen zu finden, die nicht nur in Niedersachsen, sondern auch im Bund oder in der EU für die Branche aktuell auf der Agenda stehen. Ebenfalls kontrovers wurde über Selbstversorgungsgrade bei landwirtschaftlichen Rohstoffen, Abhängigkeiten vom Ausland, Verlust von Betrieben und Arbeitsplätzen diskutiert.

Endlich Borchert-Empfehlungen umsetzen

Vor rund 120 Gästen machte Friedrich-Otto Ripke in seinem Impulsvortrag deutlich, dass die Politik die Transformation wolle, sie aber am grünen (Politiker-)Tisch selbst nicht in die Praxis umsetzen könne. Dazu gehörte eine langfristig staatlich gesicherte Finanzierung der Mehrkosten genauso wie eine breit wirksame und der Leistungsfähigkeit der heimischen Tierhaltung entsprechende verbindliche Haltungs- und Herkunftskennzeichnung – nicht nur für den Lebensmitteleinzelhandel.

"Die Borchert-Empfehlungen weisen hier seit zwei Jahren einen klaren Weg. Die Politik scheint aber zu Entscheidungen nicht bereit zu sein und verzögert immer weiter", hob Ripke hervor. Jeden Tag sterben Höfe und es werden immer mehr, erläuterte er weiter. "Die Selbstversorgungsgrade liegen bei vielen tierischen Lebensmittel längst unter 100 % und sinken schnell weiter. Politiker tragen hier eine große Verantwortung für die Zukunft – auch für die Versorgungssicherheit unserer Verbraucher. Politiker dürfen nicht zum Import-Beschleuniger für minderwertigere Lebensmittel aus dem Ausland werden. Nicht weitere nationale Auflagen sind gefragt, sondern Hilfe und Unterstützung für unsere niedersächsische Land- und Ernährungswirtschaft. Daran müssen wir sie messen!", machte Friedrich-Otto Ripke klar.

Rechtssicherer Rahmen für Agrarbetriebe gefordert

Sven Guericke, Vorstandsvorsitzender des Agrar- und Ernährungsforums Oldenburger Münsterland, mahnte im Namen der Branche eine nachhaltige, politische und langfristig gesicherte Lösung des Zielkonflikts zwischen Klimaschutz, Immissionsschutz und Tierwohl an. Er forderte die Vertreter der Parteien auf, dass die Niedersächsische Landesregierung den Druck im Bund erhöhen müsse, um einen rechtssicheren Rahmen für die Tierhaltung in Deutschland zu schaffen. Sein Fazit: „Landwirte verharren im Status Quo oder resignieren komplett und geben ihre Betriebe endgültig auf; darunter auch zahlreiche Familienbetriebe. Sie sind leider die Verlierer der derzeitigen agrarpolitischen Debatte“.

Finanzierung von Tierwohl bleibt umstritten

Die Diskussion wurde durch Fragen und Anmerkungen aus dem Plenum lebhaft unterstützt und es wurde noch einmal deutlich gemacht, „dass es in der Branche und insbesondere in der Tierhaltung brenne“ und schnelle und vernünftige Entscheidungen gefordert seien. Bei der Finanzierung waren sich die Vertreter der Parteien wieder nicht mehr einig. Über Steuern und Abgaben gebe es im Borchert-Plan schon Bewertungen, was an Ideen und Möglichkeiten umsetzbar sei und was nicht. Worüber jedoch Einigung herrschte: Geld müsse bei den Landwirten ankommen. 

Am Ende der Podiumsdiskussion, die durch Fragen und Anmerkungen aus dem Plenum lebhaft unterstützt wurde, stand als Lösungsansatz die Idee eines Gesellschaftsvertrags. Dieser könnte beinhalten, dass die Gesellschaft für das zahlt, was sie an "mehr" von den Landwirten verlangt, wie beispielsweise größere tierartgerechte Ställe. Die "eine Lösung" zeichnete sich bei keiner der Parteien ab. Dennoch – in der Branche und insbesondere in der Tierhaltung brennt es. Hier sind schnelle und vernünftige Entscheidungen gefordert.

Zur Veranstaltung

Wege in eine zukunftsfähige Agrar- und Ernährungswirtschaft in Niedersachsen

Der Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachsen (trafo:agrar) hat in Kooperation mit dem Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland und dem Niedersächsischen Geflügelwirtschaftsverband am 1. September 2022 zu einer Podiumsdiskussion mit den agrarpolitischen Sprecherinnen und Sprechern der vier Landtagsfraktionen in die Universität Vechta eingeladen. 

Als Gastgeberin ging die Präsidentin der Universität Vechta, Frau Prof. Dr. Verena Pietzner auf die zahlreichen, aktuellen Herausforderungen der für Niedersachsen so wichtigen Branche ein. Barbara Grabkowsky, Leiterin des Verbunds trafo:agrar, stllte anschließend die Ergebnisse des Projekts „Transformationsszenarien der Agrar- und Ernährungswirtschaft in Nordwest-Niedersachsen“ (TRAIN) vor. Die Ergebnisse zeigten klar, dass die bedeutendste Branche der Region am Scheideweg stehe – der Verlust regionaler Landwirtschaftsbetriebe sei bereits Realität. Dieser disruptiven Entwicklung gelte es schnellstmöglich mit der Entwicklung von innovativen Perspektiven zu begegnen, um bislang international erfolgreiche Produktionscluster zukunftssicher zu machen.

Die Lösung läge in einer interdisziplinären Agrarentwicklungsstrategie für Niedersachsen, strategischer Landesraumordnung, konsequenten Investitionen in digitale Infrastruktur für ländliche Räume, nachhaltigkeitsorientierten Innovationen und Bildung. Eine rasche Implementierung könne über Praxisverbundprojekte erreicht werden, wie sie die trafo:agrar schon erfolgreich umsetze – dafür werde ein niedrigschwelliger Zugang zu Fördermitteln benötigt. Die Potenziale gelte es so schnell wie möglich über eine neue Kooperationsebene zwischen Verwaltung, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik – moderiert durch die neutrale Position der Wissenschaft – strategisch zu heben.

 

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