
Alternativen zum Kükentöten: In-ovo-Sexing oder Bruderhahn?
Welche aktuellen Entwicklungen gibt es bei der Geschlechtsbestimmung im Brutei? Und wer macht das Rennen in der Ökobranche: der Bruderhahn oder die Früherkennung des Geschlechts im Brutei?
von Susanne Gnauk, DGS erschienen am 01.07.2025Der Ausstieg aus dem Kükentöten wird EU-weit, vermutlich mit langen Übergangsfristen, kommen, prophezeit Prof. Dr. Rudolf Preisinger von der EW Group. Die Frage ist nur, wann. „Die EU forciert eine flächendeckende Lösung. Aber wie diese aussehen soll, bleibt noch offen“, sagte er auf einer Legehennen-Fachtagung des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen (LLH) im Februar dieses Jahres. Laut dem Unternehmen Agri Advanced Technologies (AAT), von dem die nicht invasive Cheggy-Technologie stammt, werden aktuell etwa 20 % der Legehennen in Europa in ovo gesext – Tendenz steigend. Umfragen in Ländern aus allen Teilen der Welt würden eine deutliche Präferenz von Konsumenten für Eier, die ohne das Töten männlicher Eintagsküken produziert werden, zeigen.
Alle derzeit praxisreifen Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Brutei kommen aus Deutschland bzw. den Niederlanden (Fa. Respeggt mit Circuit, In Ovo mit Ella, Fa. AAT mit Cheggy, und Orbem mit dem Genus Focus-Verfahren). Aktuelle Herausforderungen gibt es laut Preisinger noch bei allen Techniken.
Als noch nicht praxisreife, aber vielversprechende Neuentwicklungen nannte der Experte die Technik der Fa. Omegga aus München, die mit KI und Licht arbeite und in einer deutschen Brüterei „Gut Averfeld“ getestet werden soll. Die Hochschule Westfalen-Lippe forscht zusammen mit AAT an einem neuen Messansatz, der „zeitaufgelösten laserinduzierten Fluoreszenz“.
Die „an sich perfekte Lösung zur Geschlechtsbestimmung im Brutei“ hat für Preisinger die israelischen Firma NextHen, die mithilfe des Einbaus eines Letalgens transgene Elterntiere erzeugt. Unter Zuhilfenahme von blauem Licht wird hier kein männliches Küken geboren. Der Haken an der Sache: Wegen der von der Firma verwendeten Gentechnik werde sich diese Methode wohl kaum durchsetzen.
Die aktuellen Kosten für die Geschlechtsbestimmung schätzte der Fachmann im Februar auf etwa 1,70 bis 3,50 Euro pro Brutei. Die Preise dürften sinken, wenn sich das Verbot EU-weit durchsetzt. Die weitere Verbreitung des In-ovo-Sexings hängt seiner Ansicht nach von mehreren Faktoren ab, wie zum Beispiel der Forderung nach Verfahren ohne Schalenmanipulation (Unversehrtheit der Schale) und nach genauen Verfahren für jede genetische Herkunft, den Fehlerraten, die die Praxis akzeptiert, und welche Verfahren die Bioverbände akzeptieren werden.
„Qualitativ hochwertige spektroskopische Daten und smarte Kl bestimmen hier die Zukunft“, ist sich Preisinger sicher. Die Herausforderung liege darin, verschiedene Parameter zu kombinieren, um daraus das Geschlecht abzuleiten.
Laut Prof. Rudolf Preisinger gibt es diese verfügbaren, praxisrelevanten Methoden zur Geschlechtsbestimmung im Ei auf dem Markt (Stand 12. Februar 2025):
Flüssigkeitsbasierte Verfahren mit Probenentnahme:
- Maschine Circuit der Fa. Respeggt: DNA-Analyse, 1.700 Hennenküken pro Stunde, 1 % Fehlerrate.
- Maschine Ella der Fa. In Ovo: Test über Massenspektrometer, 2.000 Hennenküken pro Stunde, 2 bis 3 % Fehlerrate.
Nicht invasive, optische Verfahren ohne Probenentnahme:
- Maschine Cheggy der Fa. AAT: Hyperspectral-Methode. 9.500 Hennenküken pro Stunde, 2 bis 3 % Fehlerrate.
- Genus Focus der Fa. Orbem: Magnetresonanztomografie, 900 Hennenküken pro Stunde pro Modul, es können aber bis zu acht Module kombiniert werden (Frage des Platzbedarfs).
Alternativen zum Kükentöten aus Sicht einer Brüterei
Einblicke aus Sicht einer Brüterei zu Alternativen zum Kükentöten gewährte Malte Wolter von der ab ovo Geflügelvermehrung GmbH Ahlen auf der LLH-Tagung. Die familiengeführte Brüterei begleitet den Weg vom Brutei bis zum Landwirt auf verschiedenen Brutstandorten, unter anderem auch in den Niederlanden und in Belgien für den französischen und afrikanischen Markt.
Am Sitz des Unternehmens im niederländischen Ochten in der Nähe von Arnhem verwende man bisher die Technologie „Ella“ der niederländischen Fa. In Ovo, bei der die Eier nach Herausnahme aus dem Vorbrüter am elften Tag beprobt werden.
Am Standort in den Niederlanden komme ab Herbst 2025 die Technologie zur Geschlechtsbestimmung der Firma Respeggt zum Einsatz, MRT-Technik war hier aufgrund der Kühltechnik nicht integrierbar. Als erste Biobrüterei in Deutschland setzt man künftig in Ahlen ebenfalls auf die Geschlechtsbestimmung im Brutei durch die Firma Respeggt. Die Einführung der Technologie ist hier für August 2025 geplant.
Neben der schnellen Erkennung bei der Respeggt-Maschine nennt Wolter als weiteren Vorteil der Technik, dass baulich keine Zwischenlagerung von Bruteiern nötig sei. Nachteilig seien die teuren Verbrauchsmaterialien und die baulich teure Anpassung sowie die Notwendigkeit eines zu integrierenden Labors für die Tests der entnommenen Allantoisflüssigkeit.
„Am entscheidendsten ist aber der Lernprozess“, hob der Brütereiinhaber hervor. „Man muss sich mit der Technik gut auseinandersetzen.“ Überdies müsse man deutlich mehr Elterntiere halten, was zulasten der Ressourceneffizienz gehe. Und man brauche mehr Personal zur Maschinensteuerung. Die Maschinen zur Geschlechtsbestimmung könnten gekauft, geleast oder über einen Mix aus beiden Zahlvarianten bezogen werden.
Dann sei da noch das Thema der Hähne, die bei jedem Sexingverfahren anfallen. „Mitunter haben wir bis zu acht Prozent Aussortierung je nach Brutcharge“, erklärte Wolter. „Das Brutei, das wir erzeugen, hat ein gutes Image, wir brauchen dafür aber gute Aufzüchter“, betonte Wolter. „Wir dürfen dem Verbraucher auch nicht mehr heile Welt präsentieren!“
In der Diskussion befragt, welches Verfahren der Früherkennung für ihn am überzeugendsten sei, antwortete Wolter: „Ziel ist immer noch die Früherkennung am Tag null. Wir müssen mehrere Techniken testen und uns nicht auf eine oder zwei versteifen. Deswegen arbeiten wir auch mit Technologien von zwei Herstellern.“

Ökohaltung: Bruderhahn oder Früherkennung im Ei?
Und wie ist der Stand in der Ökolegehennenhaltung? Michael Däuber, Geflügelkoordinator bei Bioland e. V., berichtete auf der LLH-Tagung über die Warenbörse für Ökojunghennen (organicxlivestock.de). Diese sei wichtig für Verbandsbioeiererzeuger, um Ausnahmegenehmigungen zu bekommen. Im Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) arbeiten die Verbände an einer Gleichwertigkeitsliste. Gleiche Leistung der Tiere soll in der Datenbank auch als gleichwertig manifestiert werden.
Däuber betont, dass es keine Zusatzbestimmung in der EU zur Bruderhahnaufzucht gibt. So sei es möglich, dass im EU-Ökobereich Legehennen Eier legen, deren Brüder als Eintagsküken im Ausland getötet wurden. Die großen deutschen Ökoverbände wie Bioland, Naturland, Demeter und Biokreis fordern die Biobruderhahnaufzucht.
Ob daneben künftig auch die Früherkennung im Brutei vermehrt akzeptiert wird, das wird aktuell in der Biobranche diskutiert. Der Bioland-Vertreter fordert hier ein gemeinsames Vorgehen aller Bioverbände ein. Eine Entscheidung soll voraussichtlich noch in diesem Jahr fallen.
Gegen das In-ovo-Sexing spricht für viele aus der Branche die ethische Frage: Darf man Leben beenden, weil es nicht erwünscht ist? Negativ für die Bruderhähne schlägt ihre deutlich schlechtere Futterverwertung im Vergleich zum Masthähnchen zu Buche. Däuber relativiert diesen Futterverbrauch, indem er den Gesamtfutterverbrauch von Junghenne, Legehenne und Bruderhahn summiert. Dann führe der Bruderhahn gerade einmal zu etwa 6 bis 10 % mehr Futtereinsatz pro Legehenne und Jahr. Bruderhahnaufzucht verteuere allerdings auch das Ei um etwa 1 Cent, wenn man aktuell praxisreife Früherkennungsmethoden mit der Bruderhahnaufzucht vergleiche.
Bei Bioland zeigten Stimmungsbilder eher eine Favorisierung der ökologischen Bruderhahnaufzucht. Die Früherkennung im Brutei sei lediglich die zweite Option, und dies nur, wenn die Bruderhahnaufzucht nicht kostengünstig umgesetzt werden könne, erklärt der Bioland-Koordinator für Geflügel. An eine Früherkennung würden auch hohe ethische Anforderungen gestellt: Erkennung vor dem fünften Bebrütungstag und nicht invasive Methoden. Praxisreife Verfahren gibt es dafür noch nicht.
Erfolgreiche Bruderhahnaufzucht und Vermarktung
Bezüglich der Bruderhahnaufzucht betonte Däuber auf der LLH-Tagung: „Es gibt für jeden Kunden die passende Henne und den Bruderhahn dazu.“ Der Biobruderhahnfleischbedarf sei aktuell im Ökobereich höher als das Angebot. Wichtig bleibe, die Kosten für Verarbeitungsfleisch marktüblich zu gestalten.
Weißlegerhähne brauchen nach Auskunft des Biogeflügelexperten etwa zwei Wochen länger zum Erreichen des Mindestgewichts. Braunleger seien leichter zu mästen als Creme- und Weißleger. Cremeleger zeigten etwas niedrigere Legeleistungen als Weißleger, dafür aber bessere Mastleistungen.
„Biobruderhähne lassen sich vermarkten“, das ist die Hauptbotschaft von Peter Schubert vom Geflügelhof Schubert, Igensdorf. Er zieht circa 120.000 Hennen und 120.000 Bruderhähne auf drei Standorten für Ökoverbände auf. Alle Bruderhähne werden sinnvoll vermarktet. Die Geflügelzucht Hockenberger liefert die Elterntiere und Junghennen, daneben werden Tetra-Tiere aus Ungarn bezogen. Aktuell beträgt der Anteil der Zweinutzungshühner 15 bis 20 %. Für die Bruderhahnaufzucht spricht – laut Schubert – die problemlose Aufzucht, das gesunde Tier, kaum medikamentöse Behandlungen, das Ermöglichen eigenständiger Brütereien und Aufzuchtbetriebe, das Schaffen von Absatzwegen für Biogetreide und die zusätzliche Wertschöpfung durch Bruderhahnprodukte. Der Geflügelhof Schubert betreibt unter anderem eine eigene Wurst- und Gockelfleischherstellung.

Der Ausstieg aus dem Kükentöten wird EU-weit kommen, wenn auch mit Übergangsfristen. Noch ist unklar, wie eine europaweite Lösung konkret aussehen soll. Derzeit stammen alle praxisreifen Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Brutei aus Deutschland oder den Niederlanden. Neue vielversprechende Entwicklungen wie von Omegga (KI + Licht) und der Hochschule Westfalen-Lippe/Fa. AAT (laserinduzierte Fluoreszenz) sind noch nicht marktreif. Die Methode der Firma NextHen aus Israel gilt als technisch ideal, wird sich aber wegen des Einsatzes von Gentechnik wohl nicht durchsetzen.
Die zukünftige Akzeptanz von Verfahren der Geschlechtsbestimmung hängt von mehreren Faktoren ab, darunter Forderung nach Unversehrtheit der Eischale, geringe Fehlerraten und die Haltung der Bioverbände. Hochwertige Daten und intelligente KI sollen künftig die Geschlechtsbestimmung verbessern.
In der Ökolegehennenhaltung wird aktuell die Bruderhahnaufzucht favorisiert, trotz höherer Kosten und höheren Futterverbrauchs. In-ovo-Sexing ist in der Biobranche aus ethischen Gründen umstritten, wird aber aktuell diskutiert. Bisher gibt es allerdings auch keine praxisreife Lösung, die den Anforderungen der Ökoverbände entspricht.
Stand Geschlechtsbestimmung im Brutei: Ausführlicher Beitrag zum Vortrag von Prof. Rudolf Preisinger vom 12. Februar 2025 auf www.dgs-magazin.de