Organische Säuren: Zwischen Mythos und bewährtem Nutzen
Organische Säuren stärken die Tiergesundheit und verbessern die Futterverwertung in der Geflügelhaltung. Doch wie effektiv sind sie wirklich und wie sieht ein gezielter Einsatz in der Praxis aus?
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Das Thema organische Säuren begleitet die Geflügelhaltung nicht erst seit gestern. Dennoch ranken sich bis heute Mythen und Halbwahrheiten um ihren Einsatz – teils hartnäckig, teils gefährlich. Dabei ist ihr Nutzen in der modernen Nutztierhaltung wissenschaftlich belegt und lässt sich auch im praktischen Stallalltag nachweisen. Vorausgesetzt, sie werden gezielt und fachkundig eingesetzt. Die Wirkung reicht von der Stabilisierung des Magen-Darm-Trakts über die Eindämmung pathogener Keime bis hin zur verbesserten Futterverwertung.
Die Chemie der organischen Säuren
Organische Säuren sind Carbonsäuren, also Moleküle mit mindestens einer Carboxylgruppe (–COOH). In wässriger Lösung geben sie Protonen ab und senken dadurch den pH-Wert. Genau hier liegt ihr Nutzen: Durch die gezielte Ansäuerung des Trinkwassers oder die Ergänzung des Futters lassen sich biologische Prozesse positiv beeinflussen.
Der pKs-Wert einer Säure gibt Auskunft über ihre Stärke. Während starke Säuren bevorzugt im Magen wirken – etwa durch Verbesserung der Eiweißverdauung und Hemmung unerwünschter Keime – entfalten schwächere Säuren ihre Wirkung eher im Darm, wo sie das Mikrobiom stabilisieren und die Resorption unterstützen.
Der Schlüssel liegt in der Kombination: Mischungen aus unterschiedlichen Säuren (z. B. Ameisen-, Propion-, Zitronen- oder Milchsäure) decken ein breites Wirkungsspektrum ab – sowohl im sauren Milieu des Magens als auch im neutraleren Darmtrakt.
Puffer, pH-Wert und Praxis
Ein häufig unterschätzter Punkt ist die richtige Pufferung der Säurelösung. Ungepuffert kann der pH-Wert zu stark absinken – mit negativen Folgen für Wasserqualität, Materialverträglichkeit und Tiergesundheit. Durch geeignete Pufferstoffe lässt sich der Zielbereich von pH 3,5 bis 4,0 stabil einhalten. In diesem Bereich wird das Wachstum von Hefen, Schimmel und pathogenen Keimen zuverlässig gehemmt – insbesondere auch in Tränkeleitungen.
Doch Achtung: Die optimale Dosierung hängt von der Pufferkapazität des lokalen Wassers ab: Sie sollte stets individuell vor Ort getestet werden. Faustformeln wie „1 Liter auf 1000 Liter Wasser“ sind nicht nur ungenau, sondern unter Umständen sogar riskant.
Zusatzstoffe mit Zusatznutzen
Hochwertige Säuregemische enthalten oft mehr als „nur“ Säuren. Ätherische Öle zeigen antimikrobielle Wirkungen und können gegen Kokzidien unterstützen. MCFAs (mittelkettige Fettsäuren) stärken das Immunsystem, während Monoglyceride antimikrobiell wirken und das Gleichgewicht im Darm fördern.
Der gezielte Einsatz solcher Mischpräparate wirkt sich nachweislich positiv auf die Tiergesundheit, Futterverwertung und Leistung aus – wie das Beispiel von Legehennenhalter Udo Baumeister eindrucksvoll zeigt:
Udo Baumeister betreibt in Breckerfeld drei Legehennenställe mit je 40.000 Tieren. Sein Ziel: gesunde Tiere, hohe Leistung und eine niedrige Sterblichkeitsrate – und das möglichst wirtschaftlich. Dabei setzt er seit einiger Zeit konsequent auf organische Säuren und moderne säurebeständige Dosiertechnik in den Tränkelinien.
Die Ergebnisse sprechen für sich: Seine Hennen erreichen eine Legeleistung von bis zu 98?%, die Eischalenqualität bleibt konstant hoch, der Anteil an Brucheiern liegt unter 0,2?%. Dank präventiver Maßnahmen im Bereich Trinkwasserhygiene und Säureeinsatz bleiben die Tiere im Schnitt 95 Wochen im Bestand – ein wirtschaftlicher Vorteil in Zeiten steigender Tier- und Futterkosten.
Und was ist nun mit den Mythen?
Einige Mythen halten sich hartnäckig:
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Kupfer als Wunderwaffe? Kupfer wird – wie Säure – häufig zur Förderung der Darmgesundheit eingesetzt, muss jedoch zunächst in organischer Säure gelöst werden, um über das Trinkwasser aufgenommen zu werden. Früher als wirksames Additiv geschätzt, ist seine Verwendung heute stark reglementiert. Die beworbene „Wirkung“ beruht häufig eher auf der bläulichen Farbe in der Lösung als auf echter Effizienz.
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Benzoesäure für bessere Verdauung? Tatsächlich dient sie hauptsächlich der Konservierung. In Kombination mit anderen Komponenten kann sie sogar schädlich sein und ist daher mit Vorsicht zu genießen.
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Säure reinigt die Leitungen? Leider nein. Viele hochwertige Säuremischungen enthalten ätherische Öle und langkettige organische Säuren, die nur schlecht wasserlöslich sind. Diese Bestandteile neigen dazu, sich an den Innenwänden der Leitungen abzusetzen und können dort sogar Biofilmbildung fördern – statt sie zu verhindern. Ohne begleitende Reinigung bleibt der Biofilm oder wird sogar noch gefördert.
Säuregaben mit Verstand
Organische Säuren sind wertvolle Werkzeuge für die Gesunderhaltung von Geflügel, aber keine Alleskönner. Der dauerhafte, unspezifische Einsatz ist weder wirtschaftlich noch tiergerecht. Werden Säuren jedoch zielgerichtet, herdenspezifisch und professionell eingesetzt, tragen sie entscheidend bei zur:
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Stabilisierung des Darmmikrobioms
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Verbesserung der Eiweißverdauung
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Reduktion pathogener Keime
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Steigerung der Futterverwertung
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Förderung des Immunsystems