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Schweinemarkt

Alarmstufe Rot

Schnelle Lösungen, um den Rückstau am deutschen Schlachtschweinemarkt aufzulösen - bedingt durch Corona-Pandemie und Afrikanische Schweinepest -, sind nicht in Sicht. Das wurde beim „Branchengespräch Fleisch“ am 9. Oktober deutlich.

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Von den deutschlandweit wieder steigenden Corona-Infektionen bleiben auch die bereits in der Vergangenheit anfälligen Schlachtbetriebe nicht verschont. Im Landkreis Cloppenburg ist aktuell das Vion-Werk in Emstek betroffen, das seine Schlachtungen nach eigenen Angaben um 50?% heruntergefahren hat. Im Emsland musste die zur Tönnies-Gruppe gehörende Weidemark Fleischwaren GmbH & Co. KG in Sögel den Betrieb am vergangenen Wochenende für 22?Tage komplett einstellen, weil der Landkreis dies aufgrund von 112?Corona-Infektionen bei Mitarbeitern angeordnet hatte. Tönnies hält dies wegen zuletzt deutlich rückläufiger Neuinfektionen im Werk für überzogen und hat dagegen Klage eingereicht. 

Weitere Produktionsausfälle verschärfen Situation

Die neuerlichen Produktionsausfälle in Schlachtbetrieben verschärfen die schwierige Vermarktungssituation für die Schweinehalter. Aufgrund der coronabedingt bundesweit begrenzten Verarbeitungskapazitäten, des fehlenden Personals und eines saisonal wachsenden Lebendangebots stauen sich nach Angaben der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) schon jetzt rund 400.000 Schlachtschweine in den Ställen.  

Keine schnellen Lösungen

Schnelle Lösungen, um den Rückstau am deutschen Schlachtschweinemarkt aufzulösen, sind nicht in Sicht. Das wurde beim „Branchengespräch Fleisch“ deutlich, zu dem sich am 9.?Oktober mehr als 60?Teilnehmer aus der gesamten Wertschöpfungskette zu einer Videokonferenz zusammengeschaltet hatten. 

Zwischenzeitlich diskutierte Beihilfen zur Privaten Lagerhaltung (PLH) von Schweinefleisch scheinen vom Tisch. Aus Sicht von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner wäre die PLH keine geeignete Maßnahme, um den durch die Corona-Krise und die Afrikanische Schweinpest (ASP) aus dem Takt geratenen Schlachtschweinemarkt zu entlasten. Die Einlagerung sei immer nur ein zeitlich befristetes Instrument, da die Lagermöglichkeiten begrenzt seien. Hinzu komme, dass sich aktuell noch „schwimmende Ware“ auf dem Rückweg von China befinde, die kurzfristig ebenfalls vom Markt genommen werden müsse. 

Schlachtkapazitäten kurzfristig deutlich erhöhen

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, forderte die politischen Entscheidungsträger in Bund und Ländern indes erneut auf, alle Möglichkeiten zu eröffnen, um die Schlachtkapazitäten kurzfristig deutlich zu erhöhen. „Der Schweinestau in den Ställen kann für viele Betriebe zur Existenzfrage werden“, stellte Rukwied klar. Diese Mischung aus Pandemie und ASP sei eine Gefahr für die deutschen Schweinehalter, so der DBV-Präsident.

Coronabedingte Sperrzeiten bei Schlachthöfen müssten verkürzt werden. Es gebe mittlerweile gute Konzepte aus den bisherigen Corona-Fällen in der Fleischwirtschaft. Ziel müsse sein, bei Beachtung des notwendigen Gesundheitsschutzes für die Mitarbeiter und die Bevölkerung die vorhandenen Schlachtkapazitäten möglichst auszulasten. 

Ampelsystem geplant

Für Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast hat das Branchengespräch gezeigt, dass in ihrem Bundesland mit der vorübergehenden Ausnahmegenehmigung für Sonn- und Feiertagsarbeit ein wichtiges Signal für mehr Flexibilität in den Schlachthöfen gesetzt worden ist. „Klar ist aber auch: Das ist nur ein Baustein“, erklärte Otte-Kinast.

Deshalb unterstütze sie die Bitte aus Teilen der Land- und Ernährungswirtschaft zur Erstellung eines Leitfadens mit einem Ampelsystem zum Umgang bei Ausbrüchen von Covid-19 in Schlachtbetrieben. Sie gehe davon aus, dass die Corona-Pandemie in den nächsten Monaten eher an Dynamik gewinnen wird. Deshalb müssten alle gemeinsam daran arbeiten, die systemrelevante Branche der Land- und Ernährungswirtschaft so gut wie möglich durch die Corona-Krise zu begleiten.

Unterschiedliche Einschätzungen

Durch die coronabedingte Schließung von Schlachthöfen wird der Rückstau in den Ställen offenbar täglich größer. Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser sprach von aktuell 400.000 bis 500.000 zurückgestauten Schlachtschweinen. Hier drohten echte Tierschutzprobleme. Auch unter den strengen Arbeitsschutzbedingungen unter Corona sei die Schlacht­industrie nach eigener Aussage in der Lage, 95% der „alten“ Schlachtkapazitäten zu halten. „Wenn ein Schlachthof coronabedingt ausfällt, gibt es natürlich Rückschläge“, räumte Heinen-Esser ein.

Bis zu einem Folgetreffen in etwa vier Wochen soll durch einen genaueren Abgleich von Tierbeständen und Schlachtkapazitäten herausgefunden werden, woher die Diskrepanz der Einschätzungen zwischen roter und grüner Marktseite rührt.

Schon im Vorfeld des Branchengesprächs hatte der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Franz-Josef Holzenkamp, eine rasche Lösung für die akut drängenden Schwierigkeiten auf dem Schweinemarkt angemahnt.