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Forschung & Wissenschaft | Pflanzenschutz

Wie eine Nadel in Millionen von Heuhaufen

Ende September hat das Umweltinstitut München zusammen mit dem Bündnis für enkeltaugliche Landwirtschaft eine Studie zu Verwehungen von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland vorgestellt. Peter Müller, Deutschland-Chef von Bayer Crop Science, hat sich die Studie etwas genauer angeschaut - und Erstaunliches gefunden.

Veröffentlicht am
Sergey Lavrentev/Shutterstock.com
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In der Studie zu Verwehungen von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland, einem Gemeinschaftswerk des Umweltinstitutes München und des Bündnisses für enkeltaugliche Landwirtschaft, sei von „schockierenden“, „besorgniserregenden“ oder „erschreckenden“ Zuständen die Rede.

Auf die Frage, welche Mengen denn überhaupt gefunden wurden, reagierten alle Beteiligten ausweichend. Peter Müller, Deutschland-Chef von Bayer Crop Science, hat sich die Studie daher etwas genauer angeschaut, Erstaunliches gefunden und nachfolgenden offenen Brief an das Umweltinstitut geschrieben:

 

Sehr geehrter Herr Bär,

„All Ding' sind Gift und nichts ohn' Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“ Seit der Schweizer Wissenschaftler und Mediziner Theophrastus Bombast von Hohenheim, besser bekannt als Paracelsus, diesen legendären Satz sagte, sind fast 500 Jahre vergangen. Zeit genug, um aus dieser Erkenntnis Alltagswissen werden zu lassen. Doch während die etwa gleich alte Erkenntnis von Kopernikus, dass die Erde sich um die Sonne dreht, in der breiten Öffentlichkeit seit langem angekommen ist, ist die von Paracelsus noch immer nicht verinnerlicht.

Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass Organisationen, die in Umwelt- und vor allem Klimafragen gerne und regelmäßig auf die Wissenschaft verweisen, diese in geradezu grotesker Weise ignorieren, wenn Ergebnisse nicht den eigenen Vorstellungen und Zielen entsprechen.

Der Nachweis allein besagt gar nichts

Schauen wir uns die Fakten an: Gefunden hat das von Ihnen beauftragte Institut TIEM Integrierte Umweltüberwachung Spuren von 138 Wirkstoffen, die weltweit in der Landwirtschaft eingesetzt werden oder wurden. Nahezu ein Drittel dieser Substanzen waren zum Messzeitpunkt in Deutschland nicht mehr oder sogar noch nie zugelassen. Das spricht dafür, dass hier Einträge gemessen wurden, die aus dem Ausland, das heißt aus weiter entfernten Regionen, stammen.

Wenn Organisationen wie Ihre an die Öffentlichkeit gehen, um zu verkünden, sie hätten „Pestizid-Cocktails bis in die hintersten Winkel Deutschlands“ gefunden, was „schockierend“ sei, dann fragt sich jeder: Ja, in welchen Mengen und Konzentrationen denn?

Nur wer diese Frage beantwortet, kann Aussagen darüber treffen, ob die gefundenen Stoffe auch nur annähernd Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier haben könnten. Der Nachweis allein besagt gar nichts, schließlich können moderne Analysemethoden heutzutage Konzentrationen nachweisen, die einem halben Zuckerwürfel im Bodensee oder einem einzelnen Roggenkorn in einem 20.000 km langen Güterzug voller Getreide entsprechen. Auf diese Weise finden Wissenschaftler heute selbst in der Arktis und Antarktis Spuren von Pflanzenschutzmitteln, Reifenabrieb, Mikroplastik und vielen anderen Substanzen.

Keine Mengenangaben im Bericht zu finden

In Ihrem Bericht ist jedoch von Mengen bzw. Konzentrationen kaum etwas zu finden. Selbst auf mehrfache Nachfrage während Ihrer Pressekonferenz bekamen Journalisten keine konkrete Antwort. Warum nicht? Denn ein Verbot der zur Diskussion stehenden Pestizide sollte ja eigentlich nur fordern, wer auch konkrete Aussagen über Auswirkungen auf Mensch und Umwelt treffen kann, oder?

Ein Blick auf die Mengenangaben in Ihrem Bericht liefert eine schnelle Erklärung: Ihre Proben sind von so geringer Konzentration, dass Sie sich offenbar entschieden haben, das Thema nicht anzusprechen. Im Sinne von Paracelsus habe ich mir allerdings erlaubt, einen etwas genaueren Blick auf die Mengen zu werfen, die Sie in Ihren Passivsammlern gefunden haben – nur exemplarisch, für eine Reihe von Stoffen, die Sie am meisten kritisieren. In einem Satz zusammengefasst lautet das Ergebnis:

Die Mengen, die ein erwachsener Mensch jeden Tag sein ganzes Leben lang ohne Gefahr für seine Gesundheit zu sich nehmen könnte, liegen um das 100-, 1.000- oder gar 10.000-fache über den Konzentrationen, die das von Ihnen beauftragte Unternehmen während der gesamten mehrmonatigen Sammeldauer gefunden hat.

Chemische Pflanzenschutzmittel sind giftig...

Um Missverständnisse zu vermeiden: Chemische Pflanzenschutzmittel sind bei entsprechender Dosierung selbstverständlich giftig und haben potentiell Auswirkungen auf Umwelt und Biodiversität. Ohne sie würde allerdings auch ein großer Teil der globalen Ernten durch Krankheiten und Schädlinge vernichtet. Bayer unterstützt die Bestrebungen von Politik, Landwirtschaft und Organisationen wie Ihrer, sowohl die absolute Menge an Pflanzenschutzmitteln als auch ihre generellen Umweltauswirkungen deutlich zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, wird in die Erforschung neuer Produkte, neuer Züchtungsmethoden und die Digitalisierung der Landwirtschaft investiert.

Eine kontinuierlich wachsende Weltbevölkerung auf möglichst nachhaltige Weise ernähren zu können, stellt eine gigantische Herausforderung dar. Bewältigen werden wir sie nur, wenn alle Beteiligten bereit sind, sachlich, konstruktiv und auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse über den besten Weg in die Zukunft zu debattieren.

...aber Angst schüren spaltet die Gesellschaft

Wer minimalste Spuren von Pflanzenschutzmitteln, die um ein Vielfaches unter den gesetzlichen Grenzwerten liegen, als „schockierend“ bezeichnet und „sofortige Verbote“ fordert, macht den Menschen Angst, spaltet die Gesellschaft und diskreditiert Landwirte ebenso wie die in der Agrarbranche tätigen Wissenschaftler.Wer beklagt, dass durch Verwehungen von Pestiziden „ganze Ernten verloren gehen“, zugleich aber verschweigt, dass ohne diese Produkte bis zu 40 Prozent der weltweiten Ernten vernichtet würden, disqualifiziert sich komplett für den eigentlich so wichtigen Austausch über die wirklichen Probleme von Landwirtschaft und Ernährung.

Wir bei Bayer sind jedenfalls der festen Überzeugung, dass sinnvolle Lösungen für die Zukunft nicht durch Gegeneinander, sondern durch Miteinander, nicht durch Polemik und Polarisierung, sondern durch einen faktenbasierten Dialog entstehen.

Freundliche Grüße, Ihr Peter Müller

 

Den ausführlichen Brief von Peter Müller können Sie online einsehen.