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Agrarpolitik

Der Ton wird härter

Zwei Gesetzentwürfe bewegen die Geflügelwirtschaft: Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner will das Kükentöten verbieten, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil den Arbeitsschutz in der Fleischwirtschaft neu regeln. Wie geht es hier weiter? Ein Interview mit Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG).

Veröffentlicht am
ZDG
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DGS: Der Gesetzentwurf von Julia Klöckner zum Verbot des Kükentötens hat die Eierproduktionsbranche von Brütereien bis zum Legehennenhalter erzürnt …

Friedrich-Otto Ripke: Gute Politik muss machbare Vorschriften erlassen, die dem Stand der Technik entsprechen. Das wurde mit dem Gesetzentwurf zum Verbot des Kükentötens missachtet. Wir verweigern den Ausstieg nicht. Das Gesetz kann auch bis Ende 2021das Kükentöten verbieten. Dafür brauchen wir aber alle Brückentechnologien, die Bruderhahnmast und die Geschlechtsbestimmung im Ei. Kein Verfahren kann jedoch aktuell das Geschlecht vor dem neunten Bruttag detektieren. Kritisch sehen wir daher die mit Ende 2023 knapp bemessene Übergangsfrist, innerhalb derer die Beendigung des Brutvorgangs nach dem sechsten Bruttag erlaubt bleibt.

Die Politik darf Fakten nicht außer Acht lassen! Es braucht in Deutschland eine angemessene, praxis­taugliche Gestaltung der Übergangsfrist. Wir haben in der EU einen freien Warenverkehr. Jedes Land kann bei uns Küken anbieten. Wir wollen aber einen realen und ehrlichen Weg ohne Kükenimport. Gerne sind wir bereit, diesen Prozess mitzugestalten. Das werden wir in der Verbändeanhörung unterstreichen.

Und zu dem Vorwurf von Julia Klöckner, die deutsche Geflügelwirtschaft sei untätig geblieben: Das Gegenteil ist der Fall. Seit gut 15 Jahren investieren wir in die Entwicklung von Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei, wir züchten Zweinutzungsrassen und schaffen Mastplätze für Bruderhähne. Allerdings können wir Ställe auch nicht einfach umnutzen. Wir brauchen dafür nach Baurecht eine Genehmigung, die oft viele Monate dauert oder gar nicht erteilt wird.

Wichtig ist, dass der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) mitzieht, sagen die Eierproduzenten ...

Und das schafft kein Gesetz, nur eine Branchenvereinbarung. Dazu haben wir gemeinsam mit dem LEH einen detaillierten Entwurf erarbeitet mit vergleichbarem Ausstiegsszenario wie der Gesetzentwurf. Unsere Vereinbarung zeichnet aber mit klarem Fokus auf kükentötenfreie Lieferketten bis Ende 2023 einen praktikablen Weg auf.

Einige Politiker und NGOs fordern Alternativen wie Zweinutzungshühner oder Bruderhahnaufzucht.

Die immer wieder geforderten Zweinutzungshühner stellen eine sehr spezifische Produktion dar. Das Filet kostet rund 25 Euro pro kg – das ist eine absolute Nische! Über die Hahnenaufzucht und Geschlechtsbestimmung im Ei kommen wir heute bereits auf 10 Mio. weniger getötete Küken. Bis Ende 2023 können wir das Ziel von ca. 32 Mio. nicht getöteten Hahnenküken erreichen.

Wie hat die Geflügelwirtschaft auf den Entwurf des Arbeitsschutzgesetzes für die Schlacht- und Verarbeitungsbranche von Bundesarbeitsminister Heil reagiert?

Klar ist, unsere Branche wird künftig auf Werkverträge verzichten. Wir haben Politik und Gewerkschaften sogar einen Vorschlag eines detaillierten Tarifvertrages gemacht. Wir brauchen aber das Instrument der Arbeitnehmerüberlassung, damit unsere Betriebe flexibel auf saisonale Nachfrage- und Arbeitsspitzen reagieren können.

Überdies hebelt das Verbot von Unternehmenskooperation notwendige und etablierte lebensmittelhygienerechtliche Fakten aus.

Minister Heil ignoriert all das wissentlich und nimmt in Kauf, dass ein ganzer Wirtschaftszweig mit Tausenden Arbeitsplätzen in Deutschland in seiner Existenz gefährdet und dem Import ausländischer Fleischerzeugnisse Tür und Tor geöffnet wird.

Neben der Verletzung marktwirtschaftlicher Prinzipien wurde die Sorgfaltspflicht, die einem deutschen Gesetz zugrunde liegen muss, verletzt. Wir appellieren an die Vernunft und Sachlichkeit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, diese Fehler im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu korrigieren, zumal anerkannte Fachjuristen den jetzigen Entwurf für verfassungswidrig halten.

Am 10. September debattierte der Bundestag erstmals über den Entwurf. Wie geht es weiter und wie optimistisch sind Sie, dass den politischen Forderungen der Branche Gehör geschenkt wird?

Optimistisch bleibe ich bis zuletzt. Wir führen viele Gespräche mit Abgeordneten und klären fachlich auf. Einfach ist es nicht. Mehr Kontrollen, höhere Sanktionen und das Verbot von Werksverträgen – das wird wohl kommen und von uns unterstützt. Am 5. Oktober findet die Anhörung von Experten im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales statt. Unsere Argumente werden dort vorgetragen und hoffentlich berücksichtigt.