Wissenschaft fordert staatliches Handeln
Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, hat am 21. August 2020 ein Gutachten des unabhängigen Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik, Ernährung, und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) entgegengenommen. Die Überlegungen des Beirates adressieren unterschiedliche Zuständigkeiten und damit auch Zielkonflikte – auf europäischer-, bundes- und kommunaler Ebene.
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Das von den Wissenschaftlern des WBAE überreichte Gutachten hat gleich mehrere große Komponenten im Blick: die Gesundheit, das Tierwohl, die Umwelt und soziale Komponenten. Und die Kritik des Forschungsteams ist nicht wenig.
Politische Strategie in Sachen Tierwohl vermisst
In der Wertschöpfungskette für Lebensmittel treten nach Einschätzung der WBAE-Wissenschaftler vermeidbare negative ökologische Effekte auf, insbesondere hinsichtlich Biodiversität, Stickstoffüberschüssen und Treibhausgasemissionen. In Sachen Tierwohl attestieren sie der deutschen Tierhaltung zwar „einige Einzelschritte“ hin zu mehr Tierschutz, vermissen jedoch eine politisch legitimierte Strategie, die größere Fortschritte ermögliche.
Beklagt werden eine zu starke Verlagerung der Verantwortung auf das Individuum und die Vernachlässigung verfügbarer Unterstützungsinstrumente für eine nachhaltigere Ernährung. In puncto Gesundheit monieren die Autoren des Gutachtens eine deutliche Korrelation zwischen Armut und ernährungsbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Unter sozialen Gesichtspunkten werden mögliche Defizite im Bereich der Saison- und Leiharbeit sowie in der Schlachtindustrie bemängelt.
Tierwohllabel bundesweit einführen
Nach Überzeugung des Wissenschaftlichen Beirats sei ein Rückgang des hohen Konsums tierischer Produkte in wohlhabenden Ländern zwingend. Er plädiert deshalb für die Abschaffung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für tierische Erzeugnisse und die Einführung einer „Nachhaltigkeitssteuer“, die zur Finanzierung der Transformation der Tierhaltung genutzt werden könnte. Nicht zuletzt zur Verbesserung der Haltungsbedingungen spricht sich der WBAE für ein mehrstufiges staatliches Tierschutzlabel mit tendenziell steigenden Anforderungen aus, das in eine nationale Nutztierstrategie eingebunden werden sollte.