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Agrarpolitik

„Arbeitsrecht ist kein wirksames Mittel gegen Corona“

Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft e. V. (ZDG), äußert sich zu politischen Überlegungen, Werkverträge für die fleischverarbeitende Industrie zu verbieten.

Veröffentlicht am
ZDG
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In der aktuellen politischen Debatte um Werkverträge und Gemeinschaftsunterkünfte in der Fleischwirtschaft anlässlich von Corona-Infektionen in Schlachtereien hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil für das „Corona-Kabinett“ am Montag, dem 18. Mai 2020, konkrete gesetzgeberische Maßnahmen angekündigt. Im Raum steht ein Verbot von Werkverträgen nur für eine Branche, nämlich die fleischverarbeitende Industrie.

Hierzu meldet sich Friedrich-Otto Ripke zu Wort, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft e. V. (ZDG): „Mit dem sachfremden und politisch fahrlässigen Vorstoß zu einem Verbot von Werkverträgen allein in der Fleischbranche ignoriert die Politik die Fakten und stigmatisiert unsere Branche. Wenn der Eindruck erweckt werden soll, über arbeitsrechtliche Hebel lasse sich effektive Infektionsprävention betreiben, dann erfüllt die Corona-Krise eine bloße Alibi-Funktion im ideologisch motivierten Kampf gegen eine missliebige Branche. Gegen schwarze Schafe gezielt und entschlossen vorzugehen, wäre angemessen. Grob zu pauschalieren, trifft die breite Mehrheit unserer korrekt arbeitenden Unternehmen völlig unberechtigt! Die heute veröffentlichten Corona-Testergebnisse aus fleischverarbeitenden Unternehmen sind weitestgehend negativ. Glücklicherweise, sollten alle dankbar feststellen, denn diese Unternehmen tragen jeden Tag zur Ernährungssicherung unserer Bevölkerung bei. Gegen stigmatisierende Politik, die am Ende sogar in Kabinettsvorlagen münden soll, setzen wir uns mit aller Entschiedenheit zur Wehr. Eine derartige Diskriminierung würde mit größter Wahrscheinlichkeit auch gegen geltendes Verfassungsrecht verstoßen. Beinahe noch schlimmer ist, dass die Politik sich mit uns nicht mal an einen Runden Tisch gesetzt und über zukünftige Entwicklungen gesprochen hat. Gerne bringen wir der Politik nach wie vor unsere gelebte Verantwortung bei der Ausgestaltung von Werkverträgen und beim Infektionsschutz näher. Im europäischen Vergleich stehen wir sehr gut dar und sagen trotzdem, wir können immer noch besser werden!“

Arbeitnehmer schützen – Versorgung aufrechterhalten

In der Corona-Krise kommt den Unternehmen der deutschen Schlachtgeflügelwirtschaft eine besondere Verantwortung zu – in zweierlei Hinsicht. Während des anhaltenden Virusgeschehens ist der besondere Schutz der in den Schlachtereien beschäftigten Mitarbeiter von höchster Bedeutung. Zugleich geht es darum, die Produktion in den Schlachtereien dauerhaft aufrechtzuerhalten und so die Grundversorgung der deutschen Bevölkerung mit heimischem Geflügelfleisch zu sichern. „Wir nehmen das Thema überaus ernst und haben schon zu Beginn der Corona-Krise eine Vielzahl zusätzlicher Vorsorge- und Hygienemaßnahmen umgesetzt. Ein effektiver Schutz der Mitarbeiter und die Sicherung der Versorgung mit Geflügelfleisch haben für uns höchste Priorität“, sagt ZDG-Präsident Ripke. Zum Schutz der Arbeitnehmer hat die Geflügelwirtschaft bereits vor Wochen die ohnehin dauerhaft hohen Hygienestandards in den Schlachtereien nochmals verschärft, konkret durch Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiter, Schaffung getrennter Pausenräume, Etablierung eines sektoralen Zwei-Schichten-Systems mit voneinander unabhängigen Mitarbeiterstäben und vermehrte Bereitstellung von Schutzkleidung und Desinfektionsmittel.

„Die gelebte Verantwortung für unsere Mitarbeiter ist für uns eine Selbstverständlichkeit – völlig unabhängig davon, ob es sich um Festangestellte oder Werkvertragsnehmer handelt“, stellt Ripke klar. Bezüglich der Infragestellung des Modells der Werkverträge mahnt Ripke zu einer sachlichen Diskussion: „Das wichtige Thema Infektionsprävention darf nicht missbraucht werden, um die Fleischerzeugung in Deutschland grundsätzlich in Frage zu stellen.“

„Keine Stigmatisierung der Fleischerzeugung“

Im Sinne einer Infektionsprävention steht die deutsche Geflügelwirtschaft behördlich angeordneten flächendeckenden Corona-Tests aufgeschlossen gegenüber. „Diese müssen dann aber ausnahmslos für alle Wirtschaftszweige gelten, konkret auch für den Montagebereich der industriellen Fertigung“, fordert ZDG-Präsident Ripke. „Gemeinschaftsunterkünfte sind in vielen Wirtschaftsbereichen Standard und keine Besonderheit der Fleischerzeugung. Eine Stigmatisierung durch flächendeckende Tests und naturgemäß entsprechend gehäufte Positivbefunde ist dringend zu vermeiden.“

In ihren Schlachtereien beschäftigt die deutsche Geflügelwirtschaft ganz überwiegend festangestellte Mitarbeiter. Insbesondere während der absatzstarken Zeit der Grillsaison kommt bei gesteigerten Erzeugungskapazitäten ein gewisser Anteil an Werkvertragsbeschäftigten hinzu, die zum Teil in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind, wenngleich dieser Anteil in der Geflügelwirtschaft im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen eher gering ist. 

Zusätzliche Wohneinheiten, Fahrdienst mit Abstand

 „Selbstverständlich nehmen unsere Unternehmen ihre Verantwortung auch mit Blick auf angemessene soziale und hygienische Standards bei der Unterbringung der Werkvertragsnehmer wahr“, betont der Verbandspräsident. Für die Unterbringung der Mitarbeiter setzt die niedersächsische Wohnstätten-Verordnung Standards, wonach maximal zwei Personen in einem Zimmer leben dürfen; häufig sind dies Ehepartner. Seit Beginn der Corona-Krise haben die Unternehmen zudem teils zusätzliche Wohneinheiten und ergänzende Fahrkapazitäten für die Werkvertragsbeschäftigten geschaffen – mit ausreichend Abstand und Mundschutzpflicht.

Auch zusätzlichen Regelungen gegenüber ist die deutsche Geflügelwirtschaft aufgeschlossen, so im Sinne des aktuellen Papiers des nordrhein-westfälischen Arbeitsministeriums mit Empfehlungen für die Unterbringung der Arbeitskräfte in Gemeinschaftsunterkünften. Klar sein muss laut Ripke allen Beteiligten aber auch: „Auf das private Verhalten unserer Mitarbeiter haben wir keinen Einfluss. Hier findet die Verantwortung des Unternehmers ihre formellen Grenzen.“