Ermutigende Signale, keine Lösungen
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner haben am Montag rund 40 landwirtschaftliche Verbände zu einem dreistündigen Gespräch im Kanzleramt getroffen, um sich über die aktuelle Lage der Landwirtschaft auszutauschen.
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Die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Agrarbranche und Wertschätzung ihrer Arbeit standen dabei im Mittelpunkt. Auch die Frage, wie die gesellschaftlichen Ansprüche besser verknüpft werden können mit der landwirtschaftlichen Praxis im Stall und auf dem Feld. Beide Politikerinnen betonten, dass die Bundesregierung die Verantwortung wahrnehme, den politischen Rahmen entsprechend zu gestalten, sie unterstrichen aber auch, dass nicht alle externen Rahmenbedingungen – europäische Vorgaben, Gerichtsurteile – an alle Wünsche angepasst werden könnten.
Allein Gespräche reichen nicht aus
Auflagenflut und nationale Alleingänge beeinträchtigen massiv die Wettbewerbsfähigkeit und Investitionsbereitschaft der Landwirte. Verunsicherung statt Planungssicherheit führt zum verstärkten Höfesterben und zum nicht gewollten Strukturwandel. Das hat Friedrich-Otto Ripke, Vorsitzender des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V. (ZDG), Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Agrargipfel am 2. Dezember 2019 klar gemacht. Er hatte dabei Gelegenheit, die wichtigen Forderungen der ZDG-Resolution in einem längeren Wortbeitrag auf höchster politischer Ebene zu platzieren.
Sein persönlicher Eindruck: "Die Kanzlerin hat gut zugehört, durchaus kenntnisreich moderiert – sie will eine Landwirtschaft mit Zukunft! Und mit uns hat sie die beste Landwirtschaft und Nutztierhaltung der Welt! Damit das so bleibt, muss sich aber die Politik ändern: Allein Gespräche reichen nicht aus. Die zugesagte Unterstützung der Regierung muss in Taten münden, damit wir den realen Weg in eine gesicherte Zukunft der deutschen Geflügelhaltung und Nutztierhaltung gehen können."
Guter Auftakt für Dialoprozess
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, sieht den Landwirtschaftsgipfel im Bundeskanzleramt als Beginn einer Reihe von Gesprächen über die Zukunft der Landwirtschaft. „Es ist ein guter Auftakt für einen notwendigen Dialog, den wir jetzt intensivieren und fortsetzen müssen.“ Konkret bedeute das, dass das Aktionsprogramm Insektenschutz neu diskutiert werden und der kooperative Naturschutz klaren Vorrang vor pauschalen Verboten erhalten müsse. „Bei der Düngeverordnung wissen wir, dass da nicht mehr viel Handlungsspielraum ist. Wichtig ist jedoch eine stärkere Binnendifferenzierung bei den Messstellen und eine Evaluierung der Maßnahmen“, so Rukwied. Weiter werde ein breiter Dialogprozess zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft auf den Weg gebracht. Hier sein direkter Wortlaut.
Bundesministerin Julia Klöckner: „Wir wollen, dass Landwirtschaft in Deutschland eine gute Zukunft hat. Damit die vielen hoch motivierten jungen Menschen in den Landwirtschaftsschulen oder Agrar-Universitäten sich auch noch in zwanzig oder fünfzig Jahren für die Arbeit auf dem Feld und im Stall begeistern können. Wir sollten uns ehrlich über notwendige Veränderungen austauschen. Gleichzeitig müssen wir aber auch darüber diskutieren, wie die Gesellschaft die Leistungen der Landwirtschaft besser honorieren kann. Damit Landwirtschaft und Gesellschaft respektvoll und wertschätzend miteinander umgehen. Die Bundesregierung wird die Branche bei den anstehenden Veränderungen unterstützen. Der in der vergangenen Woche verabschiedete Rekordhaushalt ist dafür ein deutliches Zeichen.“ Hier ihr direkter Wortlaut.
Folgende Gesprächsergebnisse wurden festgehalten:
- Einrichtung einer ‚Zukunftskommission Landwirtschaft‘, die unter Einbindung von Praktikern, Wissenschaftlern und gesellschaftlichen Akteuren, praxistaugliche Wege für eine produktive und ressourcenschonende Landwirtschaft aufzeigen wird. Der Deutsche Bauernverband und das Aktionsbündnis „Land schafft Verbindung“ sollen in Gespräche mit den vielen unterschiedlichen Interessenvertretungen derkonventionellen und ökologischen Landwirtschaft um ein Verhandlungsmandat für die gesamte landwirtschaftliche Branche werben.
- Im Herbst 2020 wird es ein weiteres Treffen der heutigen Runde im Bundeskanzleramt geben, um bis dahin erreichte Ergebnisse und Fortschritte sowie weiteren Handlungsbedarf zu besprechen.
- Es wird ein Treffen der Bundeskanzlerin und Bundesministerin Julia Klöckner mit dem Handel im Bundeskanzleramt geben: Lebensmittel zu Tiefstpreisen haben Auswirkungen auf die Bauernfamilien und die Wertschätzung. Wenn etwa Fleisch zu Centpreisen und als Lockangebot beworben werde, sind viele nicht mehr bereit, mehr zu bezahlen. Mehr Tierwohl aber kostet auch mehr Geld.
- Start eines nationalen Dialogforums zur Landwirtschaft durch das Bundesministerium sowie einer Informationskampagne zur besseren gegenseitigen Wertschätzung. In landesweit stattfindenden Veranstaltungen soll ein Beitrag zur Aufklärung und für Verständnis über die wichtige Arbeit der Landwirte geleistet werden. Die Veranstaltungen werden mit der Grünen Woche im Januar beginnen und an verschiedenen Orten in Deutschland stattfinden.
- Zum Umbau der Tierhaltung muss die Finanzierungsfrage beantwortet werden. Dazu erarbeitet eine Kommission unter Leitung des früheren Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums Vorschläge. Die Ergebnisse werden in der ersten Jahreshälfte 2020 vorgestellt.
- Das BMEL wird noch dieses Jahr eine Ackerbaustrategie vorlegen, die Lösungswege für bestehende Zielkonflikte zwischen Ertragssicherung und Umwelt- und Klimaschutz aufzeigt.
- Landwirtschaftsministerium und Umweltministerium werden gemeinsam zu einem Runden Tisch „Landwirtschaft und Insektenschutz“ einladen – die Bauernschaft wird bei den weiteren Schritten wirkungsvoll beteiligt.
- Eins-zu-eins-Umsetzung der UTP-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken, Stärkung der landwirtschaftliche Erzeuger und Lieferanten gegenüber dem Handel.
- Auf funktionierende Umweltprogramme soll aufgebaut werden. Kooperationsmodelle wie in den Niederlanden oder die Ausweitung der nachhaltigen FRANZ-Projekte werden geprüft. Ebenso Konzepte, die dieBranche vorlegt, um Insekten- und Biodiversitätsschutz und Landbewirtschaftung weiter zu verzahnen.
- Rechtliche Hindernisse für mehr Tierwohl werden angegangen (Baugesetzbuch, TA Luft).
- Die Ratifizierung des Mercosur-Abkommens durch alle Mitgliedstaaten der EU soll wesentlich davon abhängen, dass alle Parteien sich im Geiste des Abkommens verhalten. Die verbindlichen Regeln zu Arbeit, Umwelt und Klima müssen erkennbar eingehalten werden.
- Zugehen auf die Kultusministerkonferenz – Schulbücher und Lehrmaterialien sollten die Realität der Landwirtschaft abbilden.