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30 Jahre Mauerfall

Von Goldgräberstimmung bis Existenzangst

Drei Akteure aus der Geflügelwirtschaft mit unterschiedlichem Background sprachen mit der DGS darüber, wie sie die Öffnung der innerdeutschen Grenze vor 30 Jahren sowie die nachfolgende Entwicklung erlebt haben. Ein Blick in die vergangenen drei Jahrzehnte und in die Zukunft.

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Wissen Sie noch, wo Sie am 9. November 1989 waren, als das DDR-Regime die Grenzen für alle passierbar machte? Marion Dorn und Friedrich Behrens saßen zu Hause in ihren Wohnzimmern und schauten gebannt in den Fernseher – die eine in Wolde in Mecklenburg, der andere in Fintel, Niedersachsen. Marion Dorn konnte es nicht glauben, was sie sah. Friedrich Behrens und seine Frau wären am liebsten sofort nach Berlin gefahren, „weil da eine wahnsinnige Euphorie aufkam“, wie er in einem Interview mit der DGS berichtet.

Neue Märkte

Bereits im Februar 1990 besuchte der Eiervermarkter die großen Hühnerfarmen in der DDR. „Das war schon eine andere Welt“, blickt Behrens zurück: „Taucha beispielsweise mit vier Blöcken links und rechts und je 800 000 Legehennen oder Wandersleben mit 1,3 Mio. Plätzen.“

Mit der Währungsunion am 1. Juli 1990 übernahm der westdeutsche Einzelhandel die ostdeutschen Handelsketten. „Und wir hatten die Kundenanbindung. Mit Heidegold haben wir in sieben Sattelzügen Eier für die Erstbestückung am 1. Juli 1990 aus ostdeutschen, zum Teil auch westdeutschen Betrieben hingebracht. Kaum waren die Transporter ausgeladen, kam der nächste Auftrag. Das war wie eine Goldgräberstimmung“, erinnert sich Fritz Behrens.

Im August 1990 gründete er mit Heidegold die erste Firma zusammen mit einem Mecklenburger Betrieb, es folgten weitere Firmengründungen. Allerdings habe seine Firma keine ostdeutschen Betriebe übernommen, diese blieben Gesellschafter, betont er. „Wir haben versucht, Strukturen zu erhalten und sie nicht zu zerstören. Wir konnten auch gar nicht ständig überall vor Ort sein.“

Eine Zäsur

Für viele ostdeutsche Betriebe war die Wende eine Zäsur. Von den rund 11 %, die in der DDR in der Landwirtschaft tätig waren, konnten nach der Wiedervereinigung nur noch 1,5 bis 2 % weiterarbeiten, sagte Angela Merkel in einem Interview in der ZEIT. Marion Dorn, in der damaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft Wolde für die Geflügelproduktion und nach der Umwandlung für den gesamten Betrieb zuständig, erinnert sich: „Bei uns arbeiteten rund 200 Leute. Die Ställe waren aus den 1950er-Jahren. Die mussten wir schließen und eine Lösung für die Leute finden. Rückblickend empfinde ich es als schlimm, dass ungefähr 75 % der Leute, die wir in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) gesteckt haben, nie wieder einen Job gefunden haben.“ Heute würden im gesamten Betrieb noch 15 Personen arbeiten.

Plötzlich alles anders

Anna Wilke, gebürtig aus Mecklenburg-Vorpommern, war 1989 sieben Jahre alt und verbindet mit der Wiedervereinigung die beständige Sorge der Erwachsenen, wie es weitergehen soll. „Das hat mir als Kind viel Angst gemacht. Es war nicht wie die Angst vor einem Gewitter, sondern wirkliche Existenzangst. Bei vielen Ostdeutschen spürt man das immer noch – das Gefühl, ab einem bestimmten Zeitpunkt plötzlich nicht mehr gebraucht zu werden. Das finde ich schwierig.“

Lange Wunschliste

Ist die Existenzangst heute kleiner geworden? „Ich habe heute manchmal noch Existenzangst, allerdings mittlerweile für die gesamte Landwirtschaft“, antwortet Ma­rion Dorn. Gefragt nach ihren Wünschen für die Zukunft als Betriebsleiterin und Bürgermeisterin von Wolde kommt ohne Zögern eine lange Wunschliste: „Für meine Gemeinde wünsche ich eine neue Straße. Und ich wünsche mir, dass wir meine Idee mit dem Bürgerzentrum umsetzen können. Für unseren Berufsstand wünsche ich mir, dass man wieder auf uns Landwirte hört und unsere Zukunft gemeinsam mit uns gestaltet. Ich wünsche sehr viel mehr Wissenschaft in allen Entscheidungen! Mein dringender Wunsch ist auch, dass wir als Landwirte wieder geachtet werden, denn wir ernähren die Bevölkerung. Für meinen Betrieb und meine Kollegen habe ich den Wunsch, dass wir noch lange zusammenarbeiten können. Für die Geflügelwirtschaft und die gesamte Landwirtschaft wünsche ich auskömmliche Preise für unsere Produkte als Anerkennung für unsere Arbeit.“

Das ausführliche Interview mit Marion Dorn, Anna Wilke und Friedrich Behrens finden Sie anbei zum Download.

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