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Gerichtsurteil Kükentöten

Kükentöten übergangsweise noch zulässig

Das wirtschaftliche Interesse an speziell auf eine hohe Legeleistung gezüchteten Hennen ist für sich genommen kein vernünftiger Grund i.S.v. § 1 Satz 2 des Tierschutzgesetzes (TierschG) für das Töten der männlichen Küken aus diesen Zuchtlinien. Da voraussichtlich in Kürze Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei zur Verfügung stehen werden, beruht eine Fortsetzung der bisherigen Praxis bis dahin aber noch auf einem vernünftigen Grund. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig heute entschieden.

Veröffentlicht am
PetraD/colourbox.de
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Nordrhein-Westfalen hatte das Kükentöten bereits 2013 untersagt. Nachdem die Landkreise Paderborn und Gütersloh diese Verfügung umgesetzt hatten, klagten zwei Brütereien. Das Verwaltungsgericht (VG) Minden hob daraufhin die Verfügung auf, das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster wies die Berufung der Landkreise zurück: Die Tötung der männlichen Küken erfolge nicht ohne vernünftigen Grund laut TierSchG.

Nicht vereinbar mit dem Grundgedanken des Tierschutzgesetzes

Das BVerwG Leipzig hat diese Entscheidung nur im Ergebnis bestätigt. Gemäß § 1 Satz 2TierSchG darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Das Tierschutzgesetz schütze – anders als die Rechtsordnungen der meisten anderen EU-Staaten – nicht nur das Wohlbefinden des Tieres, sondern auch sein Leben schlechthin, urteilten die Richter in Leipzig. Vernünftig im Sinne dieser Regelung sei ein Grund, wenn das Verhalten gegenüber dem Tier einem schutzwürdigen Interesse dient, das unter konkreten Umständen schwerer wiege als das Interesse am Schutz des Tieres. Im Lichte des im Jahr 2002 in das Grundgesetz aufgenommenen Staatsziels Tierschutz beruhe das Töten der männlichen Küken für sich betrachtet nach heutigen Wertvorstellungen nicht mehr auf einem vernünftigen Grund. Die Belange des Tierschutzes würden hier schwerer wiege als das wirtschaftliche Interesse der Brutbetriebe. Anders als Schlachttiere würden die männlichen Küken zum frühestmöglichen Zeitpunkt getötet. Ihre „Nutzlosigkeit“ stehe von vornherein fest. Zweck der Erzeugung von Küken aus Zuchtlinien mit hoher Legeleistung sei allein die Aufzucht von Legehennen. Dem Leben eines männlichen Kükens werde damit jeder Eigenwert abgesprochen. Das sei nicht vereinbar mit dem Grundgedanken des Tierschutzgesetzes, für einen Ausgleich zwischen dem Tierschutz und menschlichen Nutzungsinteressen zu sorgen.

Vorübergehend liegt aber ein vernünftiger Grund vor

Die bisherige Praxis wurde allerdings - ausgehend von einer damaligen Vorstellungen entsprechenden geringeren Gewichtung des Tierschutzes - jahrzehntelang hingenommen, heißt es weiter in der Mittweilung des BVerwG. Vor diesem Hintergrund könne, so das BVerwG, von den Brutbetrieben eine sofortige Umstellung ihrer Betriebsweise nicht verlangt werden. Bereits im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts war absehbar, dass in näherer Zukunft eine Geschlechtsbestimmung im Ei möglich sein würde. Die weitere Entwicklung hat diese Einschätzung bestätigt. Ohne eine Übergangszeit wären die Brutbetriebe gezwungen, zunächst mit hohem Aufwand eine Aufzucht der männlichen Küken zu ermöglichen, um dann voraussichtlich wenig später ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei einzurichten oder ihren Betrieb auf das Ausbrüten von Eiern ausverbesserten Zweinutzungslinien umzustellen.

Die Vermeidung einer solchen doppelten Umstellung sei in Anbetracht der besonderen Umstände ein vernünftiger Grund für die vorübergehende Fortsetzung der bisherigen Praxis.

Vorinstanzen:

  • OVG Münster, 20 A 530/15 - Urteil vom 20. Mai 2016
  • VG Minden, 2 K 80/14 - Urteil vom 30. Januar 2015
  • BVerwG 3 C 29.16 - Urteil vom 13. Juni 2019

Vorinstanzen:

  • OVG Münster, 20 A 488/15 - Urteil vom 20. Mai 2016
  • VG Minden, 2 K 83/14 - Urteil vom 30. Januar 2015