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Staatliches Tierwohllabel

Kriterien für die Schweinehaltung vorgestellt

Nachdem  Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner den ressortabgestimmten Gesetzentwurf für ein dreistufiges Tierwohlkennzeichen zur Notifizierung in Brüssel vorgelegt hat, hat sie heute die Kriterien für das neue staatlicheTierwohlkennzeichen der Öffentlichkeit vorgestellt.

Veröffentlicht am
Susanne Gnauk
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20 % mehr Platz, Buchtenstrukturierung und organisches Beschäftigungsmaterial ab Einstiegsstufe - das sind einige der Kriterien für ein staatliches Tierwohllabel für die Schweinehaltung, die Bundesagrarministerin Julia Klöckner heute in Berlin vorgestellt hat. Die über den gesetzlichen Standard hinaus bezogenen Kriterien soll es von der Geburt eines Schweins über den Transport bis zur Schlachtung geben. Diese werden Grundlage der zum Gesetz zugehörigen Verordnung sein.

Das Kennzeichen wird zunächst für Schweine gelten, dann "zum Beispiel auf Geflügel" ausgeweitet werden, so Klöckner. Ab wann Geflügel einbezogen wird, das sagte die Ministerin nicht, hob aber hervor, dass die deutsche Geflügelwirtschaft sehr an einer Beteiligung interessiert sei.

Erste Produkte sollen 2020 in der Ladentheke liegen

Die Ressortchefin rechnet damit, dass die ersten so gekennzeichneten Produkte aus der Schweinehaltung 2020 im Handel sein werden. Man rechne - je nach Positionierung der Produkte im Markt - mit Mehrkosten von etwa 10 bis 12 Euro für ein "komplettes Schwein". Die Mehrkosten sollen zum einen über höhere Preise an der Ladentheke - hier nahm sie den Verbraucher in die Pflicht - abgedeckt werden. Zum anderen denke man über eine staatliche Förderung nach - z. B. über die GAK - Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur & Küstenschutz, hier sei man bereits mit den Bundesländern im Gespräch.

Mehrjährige Informationskampagne

„Tiere sind Mitgeschöpfe, keine Wegwerfware", so Klöckner. Deswegen gehe das Thema Tierschutz nicht nur die Tierhalter, sondern auch Handel, Gastronomie und Verbraucher an. Der Preis alleine sei dabei nicht aussagekräftig genug. "Deshalb führen wir ein staatliches Tierwohlkennzeichen ein, mit dem nur derjenige werben darf, der überprüfbare, anspruchsvolle Kriterien erfüllt, die über dem gesetzlichen Mindeststandard liegen". Es werde Verbesserungen bei der Haltung, beim Transport der Tiere und der Schlachtung geben, aber auch bei Fortbildung und Stallmanagement der Tierhalter. Die Mehrkosten für mehr Tierwohl könne aber nicht allein der Tierhalter tragen. "Wir Verbraucher sind gefragt, unseren Wünschen nach mehr Tierwohl beim Einkauf auch Ausdruck zu verleihen".

Damit nicht nur Verbraucher darüber informiert werden, sondern auch viele Landwirte mitmachen, planen wir eine mehrjährige Informationskampagne im Zeitraum der Einführung des Kennzeichens.“ Dafür sollen etwa 70 Mio. Euro ausgegeben werden. Laut einer Umfrage des BMEL wollen 81 % der Verbraucher ein unabhängiges staatliches Tierwohllabel.

Tierwohlkennzeichen ist freiwillig

Bundesministerin Klöckner hat auch erklärt, warum das Tierwohlkennzeichen nicht verpflichtend für alle ist: weil es eben über den gesetzlichen Mindeststandard liege. Der Verbraucher solle damit auf den ersten Blick ein Mehr an Tierwohl erkennen. "Deshalb dürfen nur diejenigen mit dem staatlichen Tierwohlkennzeichen werben, die verpflichtend und überprüfbar höhere Kriterien von der Geburt bis zur Schlachtung des Tieres eingehalten haben als die gesetzlichen. Im Übrigen ist auch das Biosiegel freiwillig und nicht verpflichtend und bis heute ein Erfolg", führte Klöckner dazu aus.

Kritik von Bio- und Tierschutzverbänden

Tier- und Umweltschutzverbände haben bereits im Vorfeld der Veröffentlichung der Kriterien Kritik an der staatlichen Kennzeichnung geübt, weil ihnen der Einstieg nicht weit genug geht. So hat Greenpeace moniert, dass in der Einstiegsstufe die Schwänze noch kupiert werden dürfen und mit einem symbolischen Tierleidzähler Stimmung dagegen gemacht.  Auch der deutsche Tierschutzbund, Naturland und Provieh bezeichnen die Kriterien der ersten Stufe als ungenügend. Bioland fühlt sich überdies ausgegrenzt: "Statt das bewährte und vom Verbraucher gelernten System der Eierkennzeichnung auf den Fleischbereich anzuwenden und die höchste Labelstufe der Bioerzeugung zuzuordnen, setzt Klöckner ein kompliziertes Kriteriensystem mit wenig Substanz für den Tierschutz durch. Engagierte Biobetriebe finden sich in keinster Weise in diesem System wieder“, kritisiert Jan Plagge, Präsident Bioland e.V.

ISN benennt Zielkonflikte und pocht auf Finanzierung

Für die ISN - Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands sind dagegen die vorgestellten Kriterien schon in der Einstiegsstufe sehr ambitioniert. Die schwierigen Hausaufgaben habe Ministerin Julia Klöckner aber noch vor sich, wenn es darum geht, eine Nutztierstrategie zu entwickeln. Sie müsse nämlich den Tierhaltern ermöglichen, die Tierwohlmaßnahmen wirtschaftlich und genehmigungstechnisch umsetzen zu können, so mahnt die ISN. Bundeslandwirtschafts- und Bundesumweltministerium müssten gemeinsam die Zielkonflikte zwischen den Tierwohl- und den Umweltvorgaben lösen.

Zum anderen bleibe die schwierige Hausaufgabe, für die Finanzierung der teuren Tierwohlmaßnahmen zu sorgen. Dabei allein auf den Verbraucher zu setzen, werde nicht gelingen, wie die jüngste Studie der Osnabrücker Hochschule zur Zahlungsbereitschaft der Verbraucher verdeutliche. Eine freiwillige Haltungskennzeichnung könne nur ein kleiner erster Schritt sein. "Was wir schnell brauchen, ist eine glaubwürdige und verpflichtende Haltungs- und Herkunftskennzeichnung für alle Schweinefleischprodukte unter Einbeziehung der gesamte Kette der Fleischerzeugung von der Geburt des Ferkels bis zur Ladentheke", schreibt die Interessenvertretung.

Auf die Zielkonflikte ist Klöckner in der Pressekonferenz auch eingegangen: Das Baugesetzbuch müsse geändert werden, da es heute kaum möglich sei, Ställe tierwohlgerecht umzubauen. Hier gebe es Zielkonflikte mit dem Genehmigungsrecht und dem Emmissionsrecht, z. B. bezüglich des Angebotes von mehr Außenklimareizen.

Einige Kriterien

Das staatliche Tierwohlkennzeichen wird drei qualitativ aufeinander aufbauende Stufen haben, um die Vermarktungschancen zu optimieren. Pro Stufe werden die Anforderungen höher sein. Die Kriterien des Kennzeichens sind u. a.:

  • mehr Platz für die Tiere,
  • mehr Beschäftigung und Raufutter,
  • stärkere Buchtenstrukturierung,
  • keine betäubungslose Ferkelkastration,
  • längere Säugephase,
  • Einstieg in den Ausstieg aus dem Schwänzekupieren,
  • weitergehende Anforderungen an Eigenkontrollen,
  • bessere Transportfahrzeuge ab 4 Stunden Transport,
  • Tiergesundheitsbenchmarking,
  • mehr Tierschutz bei der Schlachtung,
  • regelmäßige Tierschutzfortbildung der Tierhalter,
  • Tränken, die ein Saufen aus offener Fläche ermöglichen.

Anbei finden Sie eine grafische und detaillierte Darstellung der Kriterien der einzelnen Stufen.

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