Seleggt kündigt Marktreife an
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Die Mehrkosten belaufen sich auf 10 Cent pro 6er KVP, berichtete Jan Kunath, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Rewe-Group, auf einer Pressekonferenz, zu der Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Ludger Breloh, Geschäftsführer der Fa. Seleggt, am 8. November 2018 in Berlin eingeladen hatten. Bereits für das kommende Jahr plane man, die nationale Markteinführung der sogenannten „respeggt-Freilandeier“ auf alle rund 5.500 Rewe- und Penny-Märkte in Deutschland auszudehnen. Ab 2020 sollen die ersten Brütereien das patentrechtlich geschützte Verfahren zur Nutzung angeboten werden.
Konkret befragt nach dem Zeitpunkt der Beendigung des Kükentötens, sagte Ministerin Klöckner auf der Pressekonferenz, dass der vernünftige Grund für das Töten der männlichen Küken erst dann wegfalle, wenn ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Brutei in der Serienreife sei. „Wer sagt, dass das morgen sein soll, der polarisiert. Es ist leicht Dinge zu verbieten und die Tierhaltung wandert dann ins Ausland ab.“
Brütereien sollen Verfahren kostenneutral bekommen
Ludger Breloh stellte auf der Pressekonferenz eine Weiterentwicklung des endokrinologischen Verfahrens seiner Firma vor, bei der am 9. Bruttag Allantoisflüssigkeit aus dem Ei entnommen, auf einen Marker gegeben und damit das Geschlecht bestimmt wird. Statt mit einer Nadel werde nun mit Hilfe eines Lasers „non-invasiv“, wie Breloh betonte, ein maximal 0,3 mm großes Loch in das Ei gebrannt, das dann gedreht werde, um ein Tröpfchen der Flüssigkeit aus der embryonalen Harnblase (Allantois) zu entnehmen. Das Innere des Bruteies werde dabei laut Breloh nicht berührt und bleibe unversehrt, und es müsse auch nicht mehr verschlossen werden. Man komme damit auf eine Bestimmungsgenauigkeit von 98 %.
„Wir werden mit Hochdruck daran arbeiten, das Seleggt-Verfahren den Brütereien kostenneutral zur Verfügung zu stellen“, versprach Breloh. Angesprochen auf den 9. Bruttag, der aus Tierschutz-Sicht umstritten ist, da der Embryo da bereits Schmerzen empfinden soll, zeigte sich der Seleggt-Geschäftsführer optimistisch, dass man in der Weiterentwicklung des Verfahrens das Geschlecht künftig auch am 5./6. Tag bestimmen könne.
Projekt Zweinutzungshuhn
Das Projekt „Zweinutzungshuhn“ wird vom BMEL ebenfalls weiter mit 1,6 Mio. Euro in einer neuen Projektphase, die bis 2021 läuft, gefördert, kündigte Klöckner an. Breloh hält die Entwicklung und Förderung des Zweinutzungshuhns ebenfalls für „nicht minder wichtig. Bis dahin könnte die Geschlechtsbestimmung im Brutei die Brückentechnologie sein“, so die Einschätzung des Seleggt-Geschäftsführers.
Spektroskopisches Verfahren: AAT entwickelt Nullserie
Die Agri Advanced Technologies GmbH (AAT) Visbek favorisiert weiterhin den spektroskopischen Ansatz zur Geschlechtsbestimmung im Brutei, und das vor allem aufgrund des frühen Bestimmungszeitpunkts am 4. Tag. „Wir sehen einen Bestimmungszeitpunkt am 9. oder 10. Bruttag als problematisch an, da hier ein Schmerzempfinden des fast vollständig entwickelten Embryos nach derzeitigem Wissensstand nicht ausgeschlossen werden kann“, erklärt AAT-Geschäftsführer Jörg Hurlin gegenüber dem BDE. Des Weiteren biete der spektroskopische Ansatz Vorteile hinsichtlich der Nachhaltigkeit, da außer Licht keine Verbrauchsmaterialien für den Bestimmungsprozess notwendig seien.
„Wir entwickeln aktuell eine Nullserie unserer Anlage zur spektroskopischen Methode und werden diese Mitte nächsten Jahres in einer Brüterei einbauen“, so Hurlin. Einige Herausforderungen der Automatisierung wie geringe Schlupfeinbußen habe man bei der Arbeit an der Automatisierung des Verfahrens bereits meistern können. Diese liege zurzeit bei unter 2 %. Bei weiteren Aufgaben wie der Genauigkeit der Messung der Geschlechtsbestimmung sei man auf einem „hohen Niveau, aber noch nicht da, wo wir sein müssen“, stellt der AAT-Geschäftsführer fest. Hier brauche man noch etwas Zeit.
Die AAT GmBH nutzt eigenen Angaben zu Folge das Praxis-Know-how von Brütereifachleuten aus den Schwesterunternehmen der EW Group. Die Bestimmung des Geschlechts erfolge hier mit Hilfe eines optischen Messverfahrens am vierten Bruttag. Dabei werde zuerst die Luftkammer im Ei detektiert, die Schale dann mit einem CO2-Laser perforiert und der Schalendeckel abgehoben. Nachdem das Geschlecht bestimmt wurde, werde die Schale wieder verschlossen.
ZDG: Praxisreife muss Maßstab sein!
„Es gilt unser uneingeschränktes Bekenntnis zum schnellstmöglichen Ausstieg aus dem Töten männlicher Eintagsküken, sobald eine wirkliche Alternative vorliegt“, hatte Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, bereits im Vorfeld der Pressekonferenz betont. An das Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei habe die Branche klare Erwartungen: „Es muss die beste Technik zur Anwendung kommen, die einen echten Fortschritt darstellt. Das können auch mehrere Systeme nebeneinander sein.“ Zentrale Voraussetzung für die Integration einer In-ovo-Geschlechtsbestimmung in die Arbeitsabläufe deutscher Brütereien sei die wirkliche Praxistauglichkeit, wofür nach Einschätzung der Branche eine Sortierkapazität von rund 100.000 Eiern pro Tag erforderlich sei. Das Seleggt-Verfahren komme eigenen Angaben zufolge derzeit auf 3.500 Eier pro Stunde. Überdies müsse für eine echte Praxisreife der Stand der Technik sicher erreicht sein, mahnt Ripke, und es müsse lieferfähige Hersteller geben, die diese Technik flächendeckend für den bundesweiten Einsatz anbieten können – zu verhältnismäßigen Anschaffungspreisen.
Außerdem dürfte die ethische Dimension von hoher Relevanz sein. Eine Methode, die z. B. am dritten Tag messe, wenn noch kein Embryo erkennbar sei, dürfte mehr Akzeptanz finden als eine, die am neunten Bruttag detektiere. „Das wiederum ist für das künftige Image der Geflügelwirtschaft nicht ohne Belang“, so ZDG-Präsident Ripke. „Gerade in einer Phase schneller Weiterentwicklungen sollten wir alle nicht auf einen zeitlichen Wettlauf in Monaten, sondern auf das am Ende beste Verfahren schauen. So sollte vielversprechenden Hinweisen aus Kanada und von der Uni Leipzig zur möglichen spektroskopischen Geschlechtsbestimmung am geschlossenen unversehrten Ei weiter nachgegangen werden.“
Hier kommen Sie zu den Webseiten der Verfahren der Seleggt GmbH und der AAT GmbH.