Erste Bilanz nach einem Jahr
Ein Jahr nach der bundesweiten Einstellung des Schnabelkürzens bei Legehennen und weiterer Maßnahmen für das Tierwohl haben Akteure der tierreichsten Region Deutschlands (Landkreise Vechta und Cloppenburg) in Berlin eine erste Bilanz gezogen.
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In einem Pressegespräch des Agrar- und Ernährungsforums (AEF) in der Niedersächsischen Landesvertretung Berlin berichteten Firmenvertreter und Wissenschaftler über ihre Erfahrungen in der Haltung unkupierter Tiere und möglicher ökonomischer Auswirkungen. Die Region Oldenburger Münsterland, so AEF-Vorsitzender Uwe Bartels, sei Vordenker für die Herausforderungen der Branche und schon heute in der Lage, Komplettlösungen für vorhandene Zielkonflikte aufzuzeigen.
Wissenschaft bleibt am Ball
Prof. Dr. Silke Rautenschlein, Fachtierärztin für Geflügel und Mikrobiologie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, erläuterte ein neues Projekt der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und weiterer Partner aus Wissenschaft und Praxis mit dem Titel „Integhof – Geflügelhaltung neu strukturiert“. Mit dem Ziel, das Tierwohl und die Tiergesundheit bei Lege- und Masthühnern zu verbessern, werden Hähne, Junghennen und Legehennen auf einem Betrieb gemeinsam gehalten. Mit dem Einsatz einer Zweinutzungsrasse und dem neuen Haltungskonzeptes wird so ein neuer Ansatz verfolgt. Durch einen interdisziplinären Forschungsansatz werde das „Integhof“-Konzept unter Berücksichtigung von tierbezogenen Parametern, Wünschen des Verbrauchers aber auch in Bezug auf die Machbarkeit im landwirtschaftlichen Betrieb getestet und die möglichen Marktchancen untersucht.
Haltungssysteme werden weiter optimiert
Ähnlich wie beim Menschen können auch Lichtverhältnisse den Gesundheitsfaktor des Geflügels positiv beeinflussen. Insbesondere sei „Lichtflackerstress“ eine Ursache für mögliches Federpicken, berichtete Ulrich Wichmann von Fienhage Poultry Solutions. Es seien zwar neue Produkte für eine ausreichende Beschäftigung und eine natürliche Abnutzung der Schnäbel entwickelt worden, erklärte Dr. Ralf Kosch, Direktor Geflügelhaltungssysteme Europa bei Big Dutchman. Die Verkaufszahlen für Tierwohlprodukte bewegten sich gemessen am Entwicklungsaufwand aber noch auf einem sehr niedrigen Niveau. So gebe es zum Beispiel automatisierte Spüleinrichtungen für Tränken, Geräte für die arttypische Wasseraufnahme, zusätzliche Nutzebenen sowie Wärmetauscher, die das Wohlbefinden der Tiere und die Tiergesundheit förderten. Bei vielen Produkten habe man die Stabilität aufgrund der stärkeren Belastung durch die Tiere erhöhen müssen.
Tierwohl in der Fläche kostet Milliarden
Mehr Tierwohl deutschlandweit und nicht nur in der Nische kostet jährlich drei bis fünf Milliarden Euro. Das rechnete Prof. Dr. Harald Grethe, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Berlin, vor. Bisher würden jährlich nur rund 200 Millionen Euro dafür ausgegeben. Der Handlungsbedarf zur Verbesserung des Tierwohls in der Nutztierhaltung sei nach wie vor erheblich. Grethe forderte eine Finanzierungs- und Steuerungsstrategie. Sonst seien die Herausforderungen nicht zu bewältigen.