Globalisierung: Wohin geht die Reise?
Fast konnte man beim 8. Osnabrücker Geflügelsymposium Ende Mai den Eindruck haben, Geflügelwirtschaft und Handel wetteiferten um die Stellung als treibende Kraft für Veränderungen in der Geflügelwirtschaft.
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Die Geflügelwirtschaft hierzulande versteht sich als Vorreiter. Es gilt, mit persönlicher Sachkunde und Kompetenz Tierwohl zu garantieren und am Markt zu punkten, mit einer angepassten Zucht auf Verbraucherwünsche einzugehen und auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zu einer nachhaltigen und ressourcenschonenden Geflügelhaltung beizutragen.
Die Geflügelcharta 2015 des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) dokumentiert, dass die Branche die Zeichen der Zeit längst erkannt hat und Lösungen sucht, wie Verbraucherwünsche, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen sind. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung vom Studienschwerpunkt angewandte Geflügelwissenschaft (StanGe) der Hochschule Osnabrück zusammen mit dem Wissenschafts- und Informationszentrum Nachhaltige Geflügelwirtschaft (WING) der Universität Vechta.
ZDG-Präsident Friedrich-Otto Ripke hob hervor, dass die Geflügelcharta eine Selbstverpflichtung darstelle, die auf Verantwortung, Tierwohl und Tiergesundheit sowie auf der Kompetenz der Geflügelhalter basiere. Für „schwarze Schafe“ gebe es künftig keinen Raum mehr, so seine kategorische Haltung. Geflügelhalter investierten in Gesundheitsvorsorge und seien bestrebt, den Antibiotikaeinsatz so gering wie möglich zu halten.
Sachkunde unverzichtbar
Ausführlich widmete er sich der Sachkunde des Geflügelhalters. Tierschutzgesetz und Tierschutznutztierhaltungsverordnung verlangten, dass Tierhalter die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hätten und sie auch regelmäßig pflegten. Die Sachkunde sei das Fundament fürs Tierwohl.
„Wir machen jährliche Fortbildungen unserer Halter zur Pflicht“, so der ZDG-Präsident. Dafür gibt es neue Angebote, z. B. die Osnabrücker Poultry Academy (OPA), die zum ‚Poultry Professional‘ ausbildet ,und das Masterstudium „Angewandte Geflügelwissenschaften“. Im Aufbau befindet sich zudem eine Online-Fortbildung zur „Führung von Jung- und Legehennenherden mit intaktem Schnabel“. Mit diesem webbasierten Training werden Lernende in die Lage versetzt, frühzeitig erste Anzeichen von Problemen wie Federpicken und Kannibalismus zu erkennen und gegenzusteuern.
Zucht anpassen – weltweit
Globalisierte Märkte stellten hohe Anforderungen an die Geflügelzucht, die sich einer großen Bandbreite von Wünschen der Praktiker und Markbeteiligten gegenübersehe, sagte Professor Rudolf Preisinger, EW Group. Während man in Südamerika und Asien angesichts wachsender Weltbevölkerung „Gas geben wolle“ und außerhalb Europas kräftig z. B. am sog. Gene-Editing (Genschere) forsche, gebe es hierzulande einen Wertewandel in den Zuchtzielen von Legehenne und Broiler. Diskutiert werde insbesondere, wo die Leistungsgrenze sei und was man den Tieren zumuten könne.
Erfolgversprechendes, neues Merkmal in der Legehennenzucht ist die Form des Oberschnabels, um das Verletzungsrisiko (Federpicken, Kannibalismus) zu verringern. Die Selektion auf einen runden Oberschnabel ist allerdings wegen der geringen Erblichkeit des Merkmals schwierig und zeitaufwendig.
In der Mast werden heute mehr als 30 Einzelmerkmale bearbeitet. Tierwohlkriterien stehen bereits seit Jahren im Fokus der Zucht. Die Erfolge der bisherigen Zuchtarbeit, so Preisinger, sehe man deutlich bei der Reduzierung der Fußballendermatitis bei Broilern, der Verbesserung der Lauffähigkeit von Puten und Broilern, der Verringerung von Beindefekten, der Verbesserung der Herz- und Kreislauffunktion sowie auch dem reduzierten Futteraufwand; der liegt heute bei Broilern bei nur noch 1,5 bis 1,6 kg Futter/kg Zuwachs (1960: 2,5 bis 3 kg Futter/kg Zuwachs).
Zucht sei – auch ohne Eingriffe ins Tier – weiterhin möglich, weil genauere Methoden der phänotypischen Beurteilung sowie die genomische Selektion zur Verfügung stehen. Aus Sicht des Wissenschaftlers ist die dem Verbraucherwunsch hierzulande geschuldete Reduzierung der Wachstumsintensität „ökologischer Wahnsinn“. Er plädierte für ausgewogene Zuchtziele, die zugleich mit dem Tierschutz die Effizienz nicht aus dem Auge verlieren.
2024: Geflügel- wichtiger als Schweinefleisch
Dass der weltweite Hunger nach Geflügelfleisch und Eiern nicht nachlassen wird, sagte auch Dr. Aline Veauthier, WING / Universität Vechta. Sie stellte eine aktuelle Studie vor, die die globale Entwicklung der Eier- und Geflügelfleischerzeugung auf der Basis des Entwicklungsstandes der Länder bewertet.
Schon zwischen 1994 und 2014 hat insbesondere Asien seinen Anteil an der Welteierproduktion auf 58,6% fast verdoppelt. China hat seine führende Position noch weiter ausgebaut und produzierte 2014 35,7% der weltweiten Eier. Die Hühnerfleischproduktion hat sich weltweit in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt, allen voran auch hier Asien mit einem Anteil von 34,2% an der Weltproduktion. Die Eierproduktion wird weltweit bis 2030 weiter ausgebaut – das Wachstum, so Veauthier, erfolge v.a. in Regionen, in denen Tierwohl bislang nur eine geringe Bedeutung habe, nämlich in Afrika und Asien. Eier seien eine sehr wichtige Eiweißquelle für die Bevölkerung. Ein Problem sei aber – trotz einer guten Futterverwertung – die Bereitstellung von Futtermitteln.
Auch im kommenden Jahrzehnt werden v.a. in Schwellen- und Entwicklungsländern hohe absolute und relative Steigerungsraten erwartet. Basierend auf Angaben der OECD und der FAO wird prognostiziert, dass Geflügelfleisch bis 2024 Schweinefleisch als die wichtigste Fleischart abgelöst haben wird. Die Industrieländer werden Anteile am Weltmarkt verlieren.
Den ausführlichen Beitrag zum 8. Osnabrücker Geflügelsymposium lesen Sie im DGS-Intern 25/2017.