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Tagung LSL Rhein-Main

"Ein bisschen schwanger" geht nicht!

Der Weg zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung gehe nur über einschneidende Grundsatzentscheidungen. Diese Meinung vertrat Prof. Folkhard Isermeyer, Präsident des Thünen-Instituts, bei der Tagung am 18. Mai 2017.

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In der Erzeugung billiger Nahrungsmittel top, bei der Qualität und der Haltung der Tiere flop? Laut einer neuen Umfrage in der Bevölkerung durch Emnid vom März 2017 zum Image der Landwirtschaft nehmen die Befragten die größte Diskrepanz zwischen Realität und Wunschbild bei der Nutztierhaltung in Bezug auf einen verantwortungsvollen Umgang mit den Tieren, die Erzeugung von Nahrungsmitteln hoher Qualität und das umweltbewusste Wirtschaften wahr. Die Erzeugung preiswerter Nahrungsmittel sehen die Umfrageteilnehmer dabei überraschenderweise als weniger wichtig an, billigen hier allerdings den Landwirten mit die größte Kompetenz zu.
Prof. Folkhard Isermeyer vom Thünen-Institut Braunschweig, der die Studie auf der Fachtagung für Legehennenhalter der Fa. LSL Rhein-Main am 18. Mai 2017 in Sachsen präsentierte, sieht nur einen Ausweg aus der Misere dieser verzerrten Wahrnehmung: das mangelnde Vertrauen, das die gesamte Debatte über eine gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung durchziehe, wieder herzustellen.

Der Weg hin zu einer akzeptierten Tierhaltung

Isermeyer skizzierte einen Weg hin zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung. Für jede Branche müsse dafür ein Zielbild mit passenden Indikatoren entwickelt werden, das von der Bevölkerungsmehrheit und wichtigen Medien befürwortet werde. Daraufhin würden für die verschiedenen Haltungen Anpassungspfade entwickelt, die auch finanziell sicherstellten, dass in 10 bis 15 Jahren alle tierhaltenden Betriebe dem Zielbild entsprächen. Der Handel müsse sich verpflichten, dass seine Produkte aus diesen Betrieben stammen.
Wird dieser Weg akzeptiert, sieht Isermeyer zwei Großbaustellen: die Entwicklung der Zielbilder sowie einer Strategie, mit der die Zielbilder trotz des internationalen Wettbewerbs schrittweise erreicht würden – Finanzierung, Kontrolle, Bau- und Umweltrecht etc. müssten darauf ausgerichtet sein. Überdies müsste eine nationale Nutztierstrategie professionell nach außen kommuniziert werden.

„Ein bisschen schwanger sein, das geht nicht“, stellte der Präsident des Thünen-Instituts bei diesem Vorschlag klar. Zielbilder nützten nichts, wenn sie an Umwelt- oder Marktanforderungen scheiterten. Es seien „mutige Grenzentscheidungen“ zu fällen: Wolle man die heimische Tierhaltung vom internationalen Wettbewerb abkoppeln?
Die Verantwortung für solch einen Weg sollte straff auf Bundesebene gesteuert sein, betonte der Agrarökonom. Der Ansatz müsse überparteilich abgestimmt sein, um Planungssicherheit zu erzeugen.

Abkopplung vom Markt eher unrealistisch

Bezüglich der Umsetzung eines solchen Vorschlags verbreitete Isermeyer allerdings nicht viel Optimismus. Eindrücke aus bisherigen Diskussionen hätten bewiesen, so der Institutspräsident, dass viele Landwirte eine Abkopplung von globalen Einwicklungen für unrealistisch hielten und sie zudem wenig Vertrauen in staatliche Regelungen sowie in das Verhalten der Verbraucher und den Lebensmitteleinzelhandel legen würden. Isermeyers Zukunftsbild für die Nutztierhaltung, das er skizzierte, war entsprechend nüchtern mit „Symbolpolitik auf allen Ebenen, von der EU bis hin zur Wirtschaft, stetig steigenden Auflagen und einer Abwanderung der tierischen Erzeugung ins Ausland sowie einer Fortsetzung des medialen Dauerstreits mit ewig gleichen Argumenten“.

Noch esse die breite Mehrheit gern Eier und Fleisch – das allerdings mit immer schlechterem Gewissen. Schlechten Bildern könne man nur mit einer abgestimmten Nutztierstrategie begegnen, in der Mediatoren wie der Deutsche Tierschutzbund, Lehrer und Medien einbezogen würden, bekräftigte Isermeyer in der Diskussion. Auf die Frage eines Tagungsteilnehmers, wann der „Spuk“ um die Tierhaltungsdebatte verschwinden werde, meinte der Wissenschaftler: „Erst, wenn es uns richtig schlecht geht, aber das wollen wir ja eigentlich nicht. Hoffen wir also, dass uns das Nutztierthema in der Diskussion erhalten bleibt.“

 

Den ausfürhlichen Bericht zu weiteren Voträgen, die auf Kloster Nimbschen in Grimma gehalten wurden, lesen Sie im DGS Magazin 22/2017 ab Seite 8.