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MGV Verband Deutscher Putenerzeuger: Tierwohl bleibt Thema Nr. 1

Die deutschen Putenhalter setzen viele Maßnahmen um, um das Tierwohl zu verbessern. Doch es kommen noch weitere Maßnahmen auf die Branche zu.

 

 

Im Bild: Der VDP-Vorstand und Beisitzer.

Veröffentlicht am
VDP-Vorstand und Beisitzer: Claus Eilers-Rethwisch, Christa Lenz, Thomas Storck, Bettina Gräfin von Spee, Ralf Oltmann und Gernot Kuhlmann (von links).
VDP-Vorstand und Beisitzer: Claus Eilers-Rethwisch, Christa Lenz, Thomas Storck, Bettina Gräfin von Spee, Ralf Oltmann und Gernot Kuhlmann (von links).Streitz
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"Wir stellen uns als Team den Herausforderungen und dafür möchte ich allen danken." Mit diesen Worten begann der VDP-Vorsitzende Thomas Storck seinen Jahresbericht auf der diesjährigen Mitgliederversammlung des Verbandes Deutscher Putenerzeuger (VDP) am 9. Juni 2016 in Magdeburg. Darin ging er auf einzelne Arbeitsfelder des Verbandes näher ein, allen voran das Thema Tierwohl.

Wie Storck betonte, seien die Bundeseinheitlichen Eckwerte einschließlich Gesundheitskontrollprogramm hierbei ein Riesenschritt hin zu mehr Tierwohl. „Wir haben gemeinsam ein Instrument erarbeitet, das mithilfe messbarer Tierschutzindikatoren das Wohl der Tiere überwacht. Und so können wir schnell re­agieren, wenn irgendetwas im Stall nicht in Ordnung ist. Das trägt erheblich zu einer Verbesserung des Tierwohls bei“, zeigte sich Storck überzeugt. Darüber hinaus könne dadurch gegenüber Dritten belegt werden, dass die Putenhalter das Thema Tierwohl sehr ernst nehmen und sich Tag für Tag dafür einsetzen würden. Auch dieser Punkt könne nicht hoch genug geschätzt werden.

Praxisuntersuchungen zum Verzicht auf Schnabelkürzen

In diesem Zusammenhang sprach Storck auch das Schnabelkürzen und die freiwillige Vereinbarung dazu mit dem Bundeslandwirtschaftsminis­terium an. „Diskutiert wird über die Möglichkeit, bei Putenhennen auf das Schnabelkürzen zu verzichten. Da hierzu noch nicht genügend wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, erfolgt jetzt eine Prüf- und Evaluierungsphase.“ Dazu werde die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung als Projektträger der Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) Tierschutz auf fünf Putenbetrieben Erfahrungen über die Möglichkeiten zur Minimierung von Federpicken und Kannibalismus sammeln. Große Anstrengungen von Seiten des Verbandes erfordere auch die Initiative Tierwohl. Hier gelte es, die unterschiedlichen Interessen zu bündeln und die Weichen für die Zukunft zu stellen.

Als großes und wichtiges Anliegen der Branche bezeichnete Storck die bereits in der Geflügel-Charta formulierte Ausweitung der Herkunftskennzeichnung auf den gesamten Bereich der Außer-Haus-Verpflegung. „Wir fordern diese Kennzeichnung auch für Geflügelfleisch, das in Restaurants, Kantinen und Imbissen angeboten wird. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Verbraucher diese Information beim Einkauf zumeist erhält, im Restaurant aber nicht.“ Die Reaktionen der Politiker auf diese Forderung bezeichnete Storck als durchweg positiv. Um ans Ziel zu gelangen, werde man weiter daran arbeiten, das Bewusstsein für diese Thematik zu schärfen.

Putenzucht ist auf dem richtigen Weg

Das Thema Tierwohl griff auch Ewald Drebing in seinem Bericht über den Bereich Putenbrütereien auf. „Die Betriebe realisieren zahlreiche Maßnahmen im Sinne des Tierwohls. Und auch die Zucht hat den richtigen Weg eingeschlagen und stellt robustere Tiere zur Verfügung.“ Dass bei all diesen Bemühungen der Markt nicht aus den Augen verloren werden dürfe, betonte Bernd Kalvelage, der die Situation der Putenbranche aus Sicht der Vermarkter schilderte. Dabei machte er insbesondere auf die Entwicklung in Polen aufmerksam. Dort sei kräftig in die Putenerzeugung investiert worden und große Mengen an Fleisch würden aufgrund der geringen Inlandsnachfrage in den Export gehen.

Kann eine Anreicherung der Haltungsumwelt Beschädigungspicken bei Puten verhindern? Dieser Frage ging Dr. Jutta Berk, Institut für Tierschutz und Tierhaltung in Celle, in ihrem Vortrag nach, in dem sie Ergebnisse verschiedener Untersuchungen aufzeigte. Hierbei seien z. B. Pickblöcke, Futterspender, Heukörbe und Kleesilage als Beschäftigungs- sowie Sitzstangen, erhöhte Ebenen und Strohballen als Strukturelemente zum Einsatz gekommen. Dabei habe sich gezeigt, dass geeignetes Beschäftigungsmaterial und besonders Körnerfutterspender von den Tieren gut angenommen würden. Nicht gelungen sei es jedoch, Beschädigungspicken durch das Angebot von Beschäftigungsmaterial zuverlässig zu verhindern. „Wir wissen noch zu wenig über die zugrunde liegenden Funktionskreise und die Faktoren, die Beschädigungspicken fördern oder verhindern“, stellte Berk fest.

Verbraucher sind Laien mit (Markt-)Macht

„Der Verbraucher wünscht sich Transparenz, und zwar vor allem bei Fleisch, Fisch, Eiern, Milch und Milchprodukten.  Und er möchte verständliche Informationen, an die er leicht herankommt“, erläuterte Laura Gross, Leiterin des Fachbereichs Ernährung bei der Verbraucher Initiative e. V., in ihrem Vortrag über „Laien mit (Markt-)Macht – Was Verbraucher wollen“. Mit der letztgenannten Forderung sei der Auftrag verbunden, zielgruppengerecht zu kommunizieren und nicht darauf zu setzen, dass die Konsumenten sich Informationen, z. B. über Fleisch und Wurst, selbst organisierten.

Außerdem machte Gross deutlich, dass Verbraucher Laien seien, was die Erzeugung von Fleisch und Wurst angehe. Daher liege die Verantwortung für die Erfüllung der Verbraucherwünsche bei den Tierhaltern, den Schlachtbetrieben, den Verarbeitern und beim Handel. Diese müss­ten Tierwohl, Sicherheit und Transparenz gewährleis­ten, echte Veränderungen herbeiführen und diese gut kommunizieren. Wie Gross bestätigte, habe die Geflügel­branche hierbei mit der Charta, der Initiative Tierwohl und den Bundeseinheitlichen Eckwerten Verbesserungsprozesse in Gang gesetzt, die jedoch ausgebaut und der Öffentlichkeit noch intensiver vermittelt werden müssten.

Moralempfinden und Lebensmittelpolitik

„Wenn wir etwas – Individuen, Dinge oder Ideen – wertschätzen, dann sind wir motiviert, diese zu beschützen und eventuell sogar dafür zu sorgen, dass auch andere diese beschützen.“ Mit dieser Feststellung leitete Prof. Dr. Jörg Luy, Privates Forschungs- und Beratungsinstitut für angewandte Ethik und Tierschutz INSTET, seinen Vortrag über die Frage ein, warum das Moralempfinden eine zunehmend wichtigere Rolle in der Lebensmittelpolitik spielt.

Laut Luy führe die Wertschätzung der Nutztiere z. B. zu der Forderung, das Wohlbefinden der Tiere zu verbessern – was sich letztendlich in entsprechenden Gesetzesinitiativen widerspiegle. Die Ehrfurcht vor dem Leben bzw. die Motivation, leidensfähige Lebewesen zu schützen, führe bei zunehmend mehr Menschen dazu, ihren Fleischverzehr kritisch zu hinterfragen und diesbezüglich auch Einfluss auf andere zu nehmen. Diese Verhaltensweisen seien nachvollziehbar und vernünftig. Nicht mehr vernünftig sei dagegen die Lebensmittelpolitik, die unter Nachkriegsbedingungen entstanden sei. „Da diese Bedingungen nicht mehr vorliegen, wird die Politik zurzeit angepasst“, schloss Luy seinen Vortrag.