Antibiotikaverbrauch in der Tierhaltung: Mehr Sachverstand nötig
- Veröffentlicht am
Der Begriff Reserveantibiotika sei eine rein deutsche Formulierung ohne empirische Nachweisbarkeit, stellte Schneichel klar. Zudem seien kritische antimikrobielle Wirkstoffe aus der Humanmedizin wie Glykopeptide, Lipopeptide und Carbapeneme in der Tiermedizin nicht zugelassen und auch nicht durch Umwidmung einsetzbar.
Bei der polemischen Diskussion zum Antibiotikaeinsatz würden außerdem nur absolute Mengen herangezogen und nicht nach Wirkstoffen unterschieden, kritisierte der Vertreter des bpt. Bei einer Dosierung von 2,5 mg/kg Körpergewicht eines modernen Antibiotikums in der Humanmedizin müsse ein 100 kg schwerer Mensch 0,25 g am Tag einnehmen. Behandle man ein 100 kg schweres Schwein mit Tetracyclinen, die nicht zu den sogenannten Reserveantibiotika gehörten, führe die Vorschrift von 125 mg/kg zum Einsatz von 12,5 g pro Tag. Man könne also nicht die absoluten Zahlen vergleichen.
Im Hinblick auf den Vorwurf, wonach einige Tierarztpraxen mehr über den Verkauf von Antibiotika als über die tierärztliche Bestandsbetreuung verdienten, warnte Schneichel, dass sich der tierärztliche Berufsstand bei finanziellen Einbußen durch den Verlust des Verkaufs von Arzneimitteln stark ausdünnen würde, wie dies z. B. in Dänemark geschehen sei. Dort sind seit 1994 Verschreibung und Abgabe getrennt. Eine flächendeckende Versorgung der Tiere, auch unter zoonotischen und lebensmittelhygienischen Gesichtspunkten, wäre dann nicht mehr gewährleistet.
Schneichel betonte, die Tiermedizin in Deutschland sei seit jeher bemüht, den Antibiotikaverbrauch in der Tierhaltung zu reduzieren. Er verwies u. a. auf die seit über 15 Jahren etablierten Antibiotika-Leitlinien und die millionenfach ausgewerteten Resistenztests vor Anwendung eines Antibiotikums. Eine sachliche Aufklärung sowie die gemeinsame Bekämpfung von Resistenzen in der Human- und Veterinärmedizin im Sinne der „One-Health-Strategie“, das seien die einzig richtigen Wege, unterstrich Schneichel.