ESBL-Keime: Valide Informationen gefragt
Kaum eine Woche vergeht, in der in den Medien nicht eine tödliche Gefahr durch resistente Keime wie ESBL-Bakterien in und auf Fleisch heraufbeschworen wird. Wegen der medial notwendigen und politisch gewollten Kürze der Berichterstattung bleiben dabei viele Fragen offen.
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ESBL steht für „extended-spectrum beta-lactamases“ und bezeichnet Enzyme, die ein breites Spektrum von Beta-Laktam-Antibiotika unwirksam machen. Um mehr über ESBLs zu erfahren und qualifizierte Antworten auf offene Fragen zu erhalten, lohnt es sich, den Blick auf die anerkannte Fachliteratur zu lenken. Diese liegt den hier ausgearbeiteten Antworten auf häufig gestellte Fragen zugrunde.
Wie verbreitet sind ESBLs?
Es ist eine seit langem bekannte Tatsache, dass ESBL-Keime weit verbreitet sind. Wie der Hamburger Senat kürzlich mit Hinweis auf die amtliche Lebensmittelüberwachung mitteilte, wurden ESBL-Coli-Bakterien in der jüngeren Vergangenheit z. B. in neun von 18 Hähnchenfleischproben aus dem Einzel- und Großhandel sowie in 27 von 35 Hähnchenfleischimportproben nachgewiesen. Ebenso in fünf von 25 Wildfleischproben: dreimal in Hirschfleisch und je einmal in Reh- und Hasenfleisch. ESBLs (Escherichia coli) wurden laut Senat auch in zwei von zehn Fleischproben aus ökologischer Haltung gefunden, je einmal in Rind- und Putenfleisch. Zudem in gemischtem Biohackfleisch von Schwein und Rind. Auch aus elf von 14 Schweinelebern wurden ESBL-Enterobakterien isoliert, neunmal handelte es sich um ESBL-bildende Escherichia coli.
Die vorgenannten Befunde decken sich mit der bekannten Fachliteratur. So wurden ESBLs in Dänemark auf Geflügel-, Rind- und Schweinefleisch gefunden. In Deutschland auf Geflügelfleisch sowohl aus Bio- als auch aus konventioneller Produktion. Insoweit schließen alternative Produktionsformen antibiotikaresistente Keime nicht aus.
Auch auf Kräutern und Gemüse lassen sich ESBLs nachweisen. Natürlich finden sich ESBLs in Kläranlagen, Krankenhausabwässern und Oberflächengewässern bis hin zu Seen und ihren Sedimenten. So ist es auch nicht verwunderlich, dass ESBLs bei Ratten aus der Berliner Kanalisation nachgewiesen werden konnten. Selbst auf den Mobiltelefonen von Krankenhauspersonal wurde man fündig.
Welche Rolle spielen ESBLs aus der Tierhaltung beim Verbraucher?
Wie Humanmediziner des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf in der Fachzeitschrift „International Journal of Medical Microbiology“ berichten, unterscheiden sich ESBL-Keime (E. coli) von Geflügelfleisch aus der Region Hamburg deutlich von solchen ESBLs, die die Autoren aus Stuhlproben von Patienten des Klinikums isolieren konnten. Die Keime zeigten deutliche Unterschiede sowohl beim genetischen Fingerabdruck als auch bei den Resistenzmustern. Zudem waren die Humankeime deutlich häufiger gegen Reserveantibiotika (Fluorchinolone), Aminoglykoside und Trimethoprim-Sulfamethoxazol resistent als Keime von Geflügelfleisch. Die Wissenschaftler folgern, dass ESBL-Keime von Geflügelfleisch für die Besiedlung von Menschen keine Rolle spielen.
Die Studie bestätigt die Ergebnisse anderer Wissenschaftler aus den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland. Auch diese verglichen die Ähnlichkeiten von ESBL-Keimen von Mensch und Tier. Dabei fanden sich beim Vergleich des Erbgutes große Unterschiede. Nur 1,2 % der verglichenen Coli-Bakterien von Mensch und Tier zeigten eine Ähnlichkeit von 70 %. Kein resistenter Tierkeim war mit einem resistenten Keim vom Menschen tatsächlich identisch. Die Wissenschaftler empfehlen, die Übertragung von ESBL-Keimen von Mensch zu Mensch zu reduzieren.
Dr. med. vet. Manfred Stein, Tierarzt und Herausgeber der Webseite animal-health-online.de
Den vollständigen Beitrag lesen Sie im DGS-Magazin 31/2014.