Das künstliche Huhn
Eine Labormethode zur Simulierung der praecaecalen Verdaulichkeit von Rohproteinen und Aminosäuren bei Hühnern wird am Thünen-Institut für Ökologischen Landbau entwickelt.
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Ein wichtiger Punkt bei der tiergerechten Haltung von Geflügel ist die Ernährung, vor allem die bedarfsgerechte Bereitstellung von Rohprotein und Aminosäuren. Bekommen die Tiere nicht genügend davon, drohen gesundheitliche Probleme. Doch auch ein Überschuss an Protein und Aminosäuren belastet den Stoffwechsel und führt darüber hinaus zu einer vermehrten Ausscheidung von Stickstoff, wodurch die Umwelt unnötig belastet wird.
Für eine adäquate Versorgung von Geflügel sowie die Vermeidung von Nährstoffüberschuss in der Ration muss bekannt sein, wie hoch die Rohprotein- und Aminosäurengehalte in Futtermitteln sind. Weil Hühner nur Aminosäuren verwerten können, die bis zum Ende des Dünndarms – also praecaecal – resorbiert werden, ist es wichtig zu wissen, welcher Anteil des Proteins und der Aminosäuren aus dem Futter praecaecal verdaulich ist. Diese Information wird üblicherweise in Tierversuchen gewonnen. Allerdings schwankt die Verdaulichkeit je nach Futtermittel; auch zwischen einzelnen Chargen können Unterschiede auftreten.
Huhn aus Glasgefäßen im Wasserbad
Eine Labormethode zur Simulierung der praecaecalen Verdaulichkeit des Rohproteins und der Aminosäuren, die am Thünen-Institut für Ökologischen Landbau weiterentwickelt wird, ist ein Multi-Enzym-Verfahren. Dabei wird der Verdauungstrakt des Huhns im Labor künstlich nachgestellt. Geprüft wird, welche Anteile an Rohprotein und Aminosäuren im Futter für das Tier verdaulich sind.
Das »künstliche Huhn« besteht aus einem Wasserbad, das auf die Körpertemperatur eines Huhns erwärmt wird. In das Wasserbad werden Glasgefäße mit den zu prüfenden Futterproben eingesetzt, bei denen vorab die Rohprotein- und die Aminosäurengehalte bestimmt wurden. Es werden nun nacheinander der Kropf, der Magen und der Dünndarm eines Huhns simuliert. Zu diesem Zweck werden die Proben für einen definierten Zeitraum unter Zugabe der entsprechenden Verdauungsenzyme gerührt und zusätzlich der pH-Wert und der Trockensubstanzgehalt der Probe den Bedingungen im Verdauungstrakt des Huhns angepasst. Ist der künstliche Verdauungsprozess abgeschlossen, werden im »unverdauten Rest« wiederum die Rohprotein- und Aminosäurengehalte bestimmt. Aus der Differenz der Gehalte in der Ausgangsprobe und dem »unverdauten Rest« wird die praecaecale Verdaulichkeit geschätzt. So können Verdaulichkeitsuntersuchungen am lebenden Tier ergänzt und in einem gewissen Rahmen sogar ersetzt werden.
Der Beitrag ist im Online-Journal des Thünen-Instituts "Wissenschaft erleben" erschienen (Seite 16).