Zur Person
Dr. Rebecca Lindenwald
Klinik für Geflügel, Stiftung TiHo Hannover
Dass Puten die Unterteilung in Aktivitäts- und Ruhezone mit gedämmtem Licht durchaus zu schätzen wissen, das ist mittlerweile aus dem MuD „Puli“ bekannt. Was wurde darüber hinaus in einem der beteiligten Ställe mit Außenklimabereich untersucht?
Dr. Rebecca Lindenwald: Einer der beteiligten Betriebe verfügte im Projektstall über einen Außenklimabereich (AKB). Die Chance haben wir genutzt, um das Raumnutzungsverhalten von Puten im Stall und im AKB zu untersuchen. Da die Luken über die gesamte Länge des Stalls verteilt waren, konnte man überdies direkt Rückschlüsse auf das Bewegungsverhalten der Puten im gesamten verfügbaren Raum ziehen. Denn die Ruhezone, die im Mittelpunkt der schon veröffentlichten Untersuchungsergebnisse stand, befand sich an einem Stallende.
Wie wurden die Untersuchungen durchgeführt?
Lindenwald: Die Untersuchungen zum AKB wurden im Rahmen des MuD-Projekts PuLi in insgesamt vier Durchgängen mit Putenhennen durchgeführt. Dabei wurden ab der neunten Lebenswoche jeweils 200 Puten pro Durchgang mit Transpondern ausgestattet.
In zwei Durchgängen – einmal Herbst und einmal Sommer – wurden alle sechs Luken offengelassen. In zwei Durchgängen (einmal Winter und einmal Frühling ) wurden nur drei Luken geöffnet, um trotz der kalten Außenwitterung das gewünschte Stallklima aufrechterhalten zu können. Die mit Antennen versehenen Matten lagen jeweils an der Innen- und Außenseite der Luken, um ein Signal zu erhalten, wenn die Puten die Luken tatsächlich durchquerten. Dadurch wurden Tiere, die auf den Matten ruhten, nicht mitgezählt.
Was konnten Sie zusammenfassend feststellen?
Lindenwald: 98 Prozent aller mit Transpondern versehenen Tiere haben den Außenklimabereich genutzt. Er ist also offensichtlich sehr attraktiv für Puten. Überdies gehen die Tiere durch den ganzen Stall und nutzen alle Luken, um in den AKB zu gelangen. Denn die Laufvögel sind erstens sehr neugierig und zweitens gut zu Fuß.
Interessant ist, dass es von Herde zu Herde Unterschiede in der Aufenthaltsdauer gab – also wie lange Tiere insgesamt im AKB verblieben sind – und dass es offensichtlich auch eine starke individuelle Varianz gab. Manche Tiere gingen sehr häufig rein und raus, andere Tiere weniger. Man kann also nicht von einem homogenen Nutzungsverhalten innerhalb einer Herde sprechen. Wir stellten auch jahreszeitlich bedingte Unterschiede fest. Wenn es draußen sehr kalt war und der Ostwind durch die Luken pfiff, gingen offensichtlich auch Puten nicht gern raus – einzelne Tiere allerdings schon.
Beeinflusst die Lukenzahl die Bewegungsaktivität der Puten?
Lindenwald: Es zeigte sich, dass es den Puten ziemlich egal ist, wie viele Luken offen sind. Es bedarf nicht aller Luken, damit die Tiere den AKB nutzen. Die Anzahl gescannter Transpondertiere war an den Luken ebenfalls ziemlich gleich, egal ob drei oder alle sechs Luken offen waren. Für das Stallklima war es aber wichtig, dass einzelne Luken geschlossen werden können, um im Winter die Wärme im Stall zu halten. Die Puten gingen zwar individuell, herden- und jahreszeitlich bedingt unterschiedlich oft und lange „nach draußen“, aber unabhängig davon, wie viele Luken offen waren. Es gab auch individuelle Unterschiede, welche Luken häufiger genutzt wurden. Aber fast alle Tiere benutzten alle Luken. Lediglich einzelne Tiere zeigten Vorlieben für einzelne Luken. Eine Kernaussage ist also: Puten laufen durch den ganzen Stall und nutzen alle Luken.
„Die Puten laufen durch den ganzen Stall und nutzen alle Luken, um in den Außenklimabereich zu gelangen.“
Dr. Rebecca Lindenwald
Können Sie noch einmal die Kernaussagen der Studie zur Bewegungsaktivität der Puten zusammenfassen?
Lindenwald: Die Puten nutzen den gesamten Stallbereich. Alle offenen Luken wurden von fast jeder Putenhenne genutzt, unabhängig davon, wie viele Luken vorhanden waren und wo sie sich befanden. Es gab aber starke Herden- und Tier-individuelle Unterschiede.
Eine weitere Erkenntnis: Der Außenklimabereich ist offensichtlich attraktiv und stellt eine zusätzliche Wahlmöglichkeit zur Ausübung arteigener Verhaltensweisen dar. Gleichzeitig wurden im AKB die geringsten Pickaktivitäten an Körper und Kopf erfasst. Die Beobachtungen stützen damit Ergebnisse anderer Untersuchungen, wonach der AKB das Tierverhalten und die Tiergesundheit positiv beeinflusst.
MuD-Projekt PuLi
Ob das Tierwohl verbessert werden kann, in dem die Stallumgebung von Putenhennen mit unterschiedlich hellen Lichtzonen strukturiert wird, das hat ein Team von Wissenschaftlern unter Leitung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover im Rahmen des Modell- und Demonstrationsvorhabens (MuD) Tierschutz „Strukturierung durch Licht – eine Maßnahme zum Tierschutz in der Putenhaltung“ (PuLi) untersucht. Auf drei konventionellen landwirtschaftlichen Betrieben mit weiblichen, schnabelkupierten Puten wurden „Ruhezonen“ (mindestens 30 % Lichtreduktion im Vergleich zum normalen Stallbereich, der „Aktivitätszone“) in einem Projektstall abgetrennt. Kameras in diesen Zonen hielten das Tierverhalten fest. Zusätzlich wurden 200 Tiere jeweils an beiden Füßen mit Transpondern versehen, so dass ihre Bewegung im Stall zwischen den Zonen dokumentiert werden konnten. Weiterhin erfolgte ab der neunten Lebenswoche bis zur Schlachtung alle zwei Wochen ein Bestandsbesuch, um das Federkleid und die Haut von je 30 Puten aus den Projekt- und baugleichen Vergleichsställen ohne Lichtzonen auf Beschädigung und Verletzungen zu bonitieren.
Die MuD Tierschutz im Bundesprogramm Nutztierhaltung werden durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert, Projektträger ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).
DGS-Beiträge zum Projekt und den Ergebnissen: